Skyshield und Co.: Wie die Parteien für Sicherheit sorgen wollen
Schon im Jänner, als das Bundesheer sein alljährliches „Risikobild“ präsentiert hat, war klar: Die Frage der inneren und äußeren Sicherheit wird das Wahljahr 2024 stark beeinflussen. Immerhin trug die Analyse der Sicherheitsexperten den an Shakespeares Hamlet angelehnten Untertitel „Welt aus den Fugen“.
Wann immer die Zeit aus den Fugen zu geraten droht, beeinflusst dies das politische Empfinden der Wähler. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass Fragen zum Bundesheer und der polizeilichen Sicherheit in den Wahlprogrammen auffällig viel Platz einnehmen.
Große Brüche oder Unterschiede lassen sich hier zum Beispiel zwischen den Neos und dem Rest der Parteien ausmachen. Die Pinken sind fest überzeugt, dass man über die Neutralität und die Wehrpflicht jetzt neu nachdenken muss.
Was die Frage der finanziellen Besserstellung der Armee – man könnte auch sagen: der Aufrüstung – angeht, ist diese selbst für die Grünen weitgehend fix; budgetär ziehen die Ökos freilich insofern eine engere Linie, als sie sich nicht auf ein konkretes Budgetziel festlegen, sondern lediglich fordern, dem Bundesheer jene Mittel zukommen zu lassen, damit es seinen „verfassungsmäßigen Auftrag“ erfüllt.
Das wohl umstrittenste Projekt in Sachen Landesverteidigung ist „Sky Shield“, also die gemeinsame europäische Luftraumsicherung. Und dieses Milliarden-Projekt lehnt die FPÖ kategorisch ab, während es für die restlichen Parlamentsparteien ein wichtiger Schritt für mehr Sicherheit nach außen darstellt.
Einig sind sich die meisten Parteien, dass insbesondere bei der inneren Sicherheit – und damit bei der Polizei – mehr Personal nottut; die SPÖ benennt die Lücke mit 4.000 Polizisten, die fehlen, um die Sicherheitslage zu verbessern.
ÖVP: Aufrüsten und mobile Polizei-Inspektionen
Die ÖVP formuliert zum Teil sehr konkrete Wünsche, was die Aufrüstung der Polizei angeht. Sie will beispielsweise „mehr Möglichkeiten zum Einsatz nicht-tödlicher Waffen“ für Polizisten, um deren Gefährdung bei der täglichen Arbeit zu reduzieren. Außerdem plädiert die Kanzlerpartei für 32.000 „mobile Polizeiinspektionen“ und verspricht „volle Härte bei der organisierten Kriminalität“.
Was das Bundesheer angeht, hat die ÖVP spätestens seit Februar 2022 und dem Angriff Russlands auf die Ukraine eine klare Haltung zur Aufrüstung: Das Wehrbudget muss schrittweise auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung ansteigen. Entsprechende Vorhaben sind im Verteidigungsministerium auch erfolgt. Das im Hinblick auf allfällige Koalitionen vermutlich wichtigste Projekt ist in diesem Zusammenhang die europäische Luftverteidigung durch „Sky Shield“. Österreich hat hierfür mehrere Milliarden Budget reserviert, für die ÖVP ist es alternativlos.
SPÖ: 4.000 zusätzliche Polizisten und Ja zur Neutralität
Zehn Millionen Überstunden pro Jahr sind für die SPÖ Anlass genug, um bei der Polizei eine massive personelle Aufstockung zu fordern. Österreich fehlen 4.000 Polizisten, befunden die Roten. Dieser Personalbedarf müsse so schnell wie möglich gedeckt werden. Zudem soll eine Dienstrechtsreform den Polizei-Job wieder attraktiver machen. Bemerkenswert ist: Die SPÖ ortet bei den privaten Sicherheitsdiensten ein sicherheitspolitisches Problem, weil diese zunehmend hoheitliche Aufgaben übernehmen, dabei aber „klare Spielregeln“, also gesetzliche Regeln, vermissen lassen.
Die SPÖ plädiert für ein „attraktives Bundesheer“ unter Beibehaltung der Wehrpflicht. Die Entlohnung von Grundwehr- und Zivildienern müsse fair sein, gleichzeitig aber verhindert werden, dass Unternehmen zu billigen Arbeitskräften kommen. Die Neutralität ist für die SPÖ unverzichtbar und „zentraler Bestandteil“ der aktiven Außen- und Sicherheitspolitik.
FPÖ: Strafen für 12-Jährige und "Nein" zum "Skyshield"
Wie die SPÖ wünscht sich auch die FPÖ ein neues „Exekutivdienstrecht“, das mehr Bezahlung für Polizisten bringen soll – und damit mehr Bewerber für diesen Job.
Die Freiheitlichen setzen in ihrem Wahlprogramm über weite Strecken auf drakonische Strafen und Abschreckung. Ein Beispiel: Sie sind für die Senkung der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre, um kriminellen Jugendbanden das Handwerk zu legen.
Für die FPÖ ist die Neutralität unverhandelbar, ein leistungsfähiges Bundesheer deklariertes Ziel. Wie auch die ÖVP peilt die FPÖ zwei Prozent der Wirtschaftsleistung als Wehrbudget an, um die Armee leistungsfähig zu machen bzw. zu erhalten. Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Parteien: Die FPÖ stellt sich gegen die „Sky Shield“ genannte Luftraumverteidigung im Verbund mit den EU-Nachbarn. Und sie hält nichts davon, Teil der „Europäischen Friedensfazilität“ zu sein, die die Ukraine unterstützt.
Grüne: Defensive Verteidigung, mehr Härte bei Spionage
Was die innere Sicherheit angeht, wünschen sich die Grünen – wie alle Parlamentsparteien – eine „gut bezahlte, ausgebildete und ausgestattete Polizei“. Konkrete Zahlen, wie viele Polizisten fehlen, gibt es im Programm nicht. Dafür nennt die Öko-Bewegung Dinge, die die Polizei in Zukunft eher nicht mehr machen sollte: Auslandseinsätze oder die Schulwegsicherung könnten zurückgefahren werden, um mehr Personal für polizeiliche Kernaufgaben zu haben.
Bei der militärischen Landesverteidigung werden die Grünen nicht sehr konkret. Der „verfassungsmäßige Zustand“ des Bundesheeres müsse wiederhergestellt, das Berufsbild für Soldaten verbessert werden. Grundsätzlich sind die Grünen für eine „strukturell defensive Verteidigung“. Verschärfungen soll es bei der Spionageabwehr geben, da Agenten, die EU-Mitgliedsstaaten oder in Wien ansässige internationale Organisationen ausspionieren, strafrechtlich kaum belangt werden können.
Neos: Abschied von der Wehrpflicht, die Neutralität wird neu gedacht
Das mit Sicherheit prononcierteste – weil ein den Status quo völlig veränderndes – Programm haben bei der inneren Sicherheit und der Verteidigungspolitik die Neos.
Ähnlich wie SPÖ, FPÖ und ÖVP wünscht sich die deklariert wirtschaftsliberale Partei eine „fachliche und personelle“ Aufstockung der Polizei sowie eine Attraktivierung der verschiedenen Berufsbilder im Sicherheitsapparat.
Bei der militärischen Sicherheit gehen die Pinken derweil deutlich weiter als alle anderen: Sie wollen das „Bundesheer neu denken“.
Das bedeutet, dass die Neos die Wehrpflicht abschaffen und eine Berufsarmee mit der militärischen Landesverteidigung betrauen wollen. Dieses „hoch qualifizierte Freiwilligenheer“ solle im europäischen Verbund agieren, sprich: Österreich wird Teil eines größeren Ganzen. Das wiederum bedingt, dass die Neutralität verändert wird. Für die Neos ist das kein Problem. Sie wollen die Neutralität ohnehin „neu denken“.
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