Was nun auf den Wahlsieger Herbert Kickl zukommt
An sich sei jetzt die FPÖ die neue „Volkspartei“, entfuhr es im Überschwang des Wahlabends Parteichef Herbert Kickl. Das hinderte die Blauen nicht, ihren traditionellen Blauen Montag abzuhalten, um sich von den Feierlichkeiten zum historisch besten Wahlergebnis von 28,8 Prozent zu erholen. Soll heißen: Keine Interviews, keine Gremiensitzungen.
Das Timeout wird sogar um einen Tag verlängert. Erst am Mittwoch tagt der Parteivorstand. Dort sollen erste Weichen für die Vorgehensweise der nächsten Wochen gestellt werden.
So könnte bereits das Team für allfällige Koalitionsverhandlungen beschlossen werden. Neben Kickl selbst werden ihm möglicherweise die beiden Generalsekretäre Christian Hafenecker und Michael Schnedlitz angehören. Weiters Klubdirektor Norbert Nemeth, als Wirtschaftsexperte Ex-ÖBB-Manager Arnold Schiefer und die beiden Abgeordneten Susanne Fürst und Dagmar Belakowitsch.
Inhaltlich – so war noch am Wahlabend zu vernehmen – will man bei den Verhandlungen, die realistischerweise wohl mit der ÖVP stattfinden werden, vor allen beim Thema Migration blaue Pflöcke einschlagen. Wo es mit den Türkisen aber keine allzu großen Differenzen geben dürfte.
Spannend wird, wie die FPÖ ein Dilemma auf einer anderen inhaltlichen Ebene löst: Schon vor Monaten hatte FPÖ-General Hafenecker angekündigt, die FPÖ werde einen U-Ausschuss zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie in der neuen Legislaturperiode einsetzen. Dank ihrer Zugewinne können die Blauen dies nun im Alleingang.
Corona: Kommt der U-Ausschuss?
Wobei schwer vorstellbar ist, dass die FPÖ als Einstandsgeschenk einen U-Ausschuss installiert, der sich frontal gegen die ÖVP und damit ihren (möglichen) Koalitionspartner richtet. Verzichtet die FPÖ allerdings darauf, könnte sie gleich zum Einstand ihrer Regierung breite Wählerschichten verprellen, die der FPÖ für ihren Kampf gegen die Covid-Maßnahmen der türkis-blauen Regierung ihre Stimme gaben, der auch in diesem Wahlkampf ein zentrales FPÖ-Thema war.
Denkbarer Kompromiss wäre eine unabhängige Evaluierungskommission wie sie ÖVP und FPÖ in Niederösterreich vereinbart haben.
Sofern es überhaupt zu ernsthaften Verhandlungen kommt. Denn auch und gerade nach dem Wahlabend gilt: Die ÖVP will nicht mit der Kickl-FPÖ koalieren, die FPÖ umgekehrt nicht auf ihren Parteichef als Kanzlerkandidat verzichten. „Die FPÖ wird sicher nicht ein zweites Mal auf die heiße Herdplatte greifen“, so ein Partei-Intimus mit Verweis auf die Querelen in der ÖVP-FPÖ-Koalition, die sich 1999 nach dem Rückzug des damaligen Parteichefs Jörg Haider ergaben. Ähnliches drohe auch diesmal, sollte Kickl sich etwa auf den Posten des Klubobmanns zurückziehen.
FPÖ hofft auf Nehammer-Abgang
Bei den Blauen spekuliert man mit einem Abgang von Bundeskanzler Karl Nehammer, der die Fronen aufweichen könnte – auch auf Druck ÖVP-regierter Bundesländer wie NÖ.
Interessant vor diesem Hintergrund wird, wie sich die ÖVP in der konstituierenden Sitzung des Nationalrats verhalten wird, wenn die Wahl des Präsidiums ansteht. Nach den politischen Usancen steht der stimmenstärksten Partei, also aktuell der FPÖ, der erste Präsident zu – nach dem Bundespräsidenten das zweithöchste Amt in der Republik.
Für die Wahl ist eine einfache Mehrheit nötig – die FPÖ braucht also die Zustimmung von ÖVP und oder SPÖ (die Grünen haben diese schon ausgeschlossen). Während der rote Parlamentsklub betont, man werde sich erst nach Prüfung des Kandidaten festlegen, schert Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil einmal mehr aus und billigt den Posten jedenfalls der FPÖ zu. Die ÖVP hingegen gibt sich noch bedeckt.
Ein für diese Parteien wohl tragbarer Kandidat ist der dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer, der sich allerdings aus der Bundespolitik zurückziehen dürfte. Der von Kickl 2021 aus dem Amt des Parteichefs gedrängte 53-Jährige könnte in die burgenländische Landespolitik wechseln. Als mögliche Kandidatin werden Susanne Fürst und der Volksanwalt Walter Rosenkranz genannt. Die Rechtsanwältin Fürst gilt als enge Vertraute Kickls. Zuletzt war sie außenpolitische Sprecherin der FPÖ. Rosenkranz wurde einer breiteren Öffentlichkeit 2022 als FPÖ-Präsidentschaftskandidat bekannt. Er errang 17,7 Prozent der Stimmen und Platz zwei hinter Amtsinhaber Alexander Van der Bellen.
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