Hitzige Debatte um BVT-Affäre: "Kickl ein Volksschüler, kein Volkskanzler"

Hitzige Debatte um BVT-Affäre: "Kickl ein Volksschüler, kein Volkskanzler"
Grünen-Chefin Maurer attackierte den Ex-FPÖ-Innenminister, dem sie Russland-Verbindungen und die "Zerschlagung" des Verfassungsschutzes vorwirft. Kickl konterte deftig.

Die "Aktuelle Stunde" ist üblicherweise ein ruhiger, eher gemütlicher Start in den Plenartag. "Das kann man heute nicht behaupten", stellte die grüne Klubchefin Sigrid Maurer am Mittwochvormittag im Nationalrat fest. Um dann gleich ihr Eigenes dazu beizutragen. 

Thema war die Spionage-Affäre rund um den Ex-BVT-Beamten Egisto Ott, der aktuell wegen des Verdachts der Russland-Spionage in U-Haft sitzt, und seine Verbindungen zur FPÖ, die kürzlich über den U-Ausschuss publik wurden. 

"Wir müssen den blauen Elefanten im Raum ansprechen", sagt die grüne Klubchefin - und skizziert, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) in der türkis-blauen Ära unter FPÖ-Innenminister Herbert Kickl "zerschlagen" wurde, nachdem es schon zuvor systematisch von einem Spionagenetzwerk rund um Ott und seinen Vorgesetzten Martin Weiss "unterwandert" wurde, so Maurer. 

"Jeden Tag wird deutlicher, in welche Richtung die Spuren führen", sagt Maurer: Zur FPÖ und ihrer Achse zu Russlands Präsident Wladimir Putin.

Sigrid Maurer (Grüne)

Die Grüne sprach den "Freundschaftsvertrag" an, den der frühere Parteichef Heinz-Christian Strache 2016 mit Putins Partei geschlossen hat. Die FPÖ sei eine Partei, "die die Interessen Russlands hier vertritt im Parlament, entgegen der Interessen der Österreicher", so Maurer. Der Vertrag sei immer noch aufrecht. 

"Maximaler Schaden"

Rufe aus den blauen Reihen kontert Maurer: "Ja wo ist denn die Kündigung? Was heißt, Sie finden den Vertrag nicht mehr? Den kann man googeln. Den findet sogar mein Opa im Internet!" Kickl sei kein "Volkskanzler", sondern ein "Volksschüler, der sagt: Mein Hund hat die Hausübung gefressen." 

Bevor sie das Rednerpult verlässt, sagt sie noch in Richtung Kickl: "Sie haben maximalen Schaden angerichtet und wir müssen dafür sorgen, dass sie nie wieder in eine solche Position kommen."

Hitzige Debatte um BVT-Affäre: "Kickl ein Volksschüler, kein Volkskanzler"

Auftritt Herbert Kickl. Aus seiner Sicht ist die "Aktuelle Stunde" eine "Stunde der Desinformation" und der "nächste Teil der Anti-FPÖ-Kampagne des Systems". 

Das BVT sei, als er 2017 Innenminister wurde, "eine verwahrloste und unfähige Einrichtung, die geprägt war von Unsicherheit und Informationslecks", so Kickl. Dies sei der beste Nährboden für Spionage gewesen - "und Sie haben ihn aufbereitet", sagt er in Richtung der ÖVP-Mandatare. "Das war lange vor meiner Zeit." 

Ott, Weiss "und wie sie alle heißen", seien Personal gewesen, das die ÖVP ausgesucht habe, als sie das Innenministerium führte. 

"Das ist ja erbärmlich"

Die Razzia im BVT im Februar 2018, die im Nachhinein als rechtswidrig erkannt wurde, sei von der WKStA angeordnet und mit richterlicher Genehmigung durchgeführt worden. Das von ihm geführte Innenministerium habe hier keine Weisungsbefugnis gehabt. 

Kickl zitiert an ein paar Stellen das Gesetz - und sagt jedes Mal denselben Satz dazu: "Wissen Sie das nicht? Das ist ja erbärmlich." 

Warum sich gerade die ÖVP derzeit so auf ihn, Kickl, einschießt, erklärt sich der FPÖ-Chef so: Weil eine Halbierung des Wahlergebnisses bedeuten würde, dass die Hälfte der Abgeordneten nicht mehr da sitze, dass Millionen an Klubförderung weg seien, sagt Kickl - und nennt noch einige andere Beispiele. "Das wollen Sie um jeden Preis verhindern. Aber da sind Sie bei mir an den Falschen geraten." 

"Schmerzbefreite" FPÖ

Begonnen hat die Debatte Reinhold Lopatka, ÖVP-Mandatar und Spitzenkandidat für die kommende EU-Wahl. Die Spionage-Affäre schade dem Ansehen Österreichs enorm, aber die FPÖ sei, was Russland betrifft, ohnehin "schmerzbefreit", sagte er - und zeigte das bekannte Bild des blauen EU-Spitzenkandidaten Harald Vilimsky mit dem dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer und Ex-Parteichef Strache auf dem Roten Platz in Moskau her. 

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker setzte nach: "Die FPÖ ist in Wirklichkeit der Russland-Trojaner in Österreich."

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"Staatsschutz funktioniert wieder"

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) betonte, dass der Staatsschutz in Form der BVT-Nachfolgeorganisation Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) "jetzt wieder funktioniert". 

Auch die Verbindungen zu internationalen Partnern seien nach der internationalen Isolierung wegen der rechtswidrigen Hausdurchsuchung beim BVT unter seinem Vorgänger Kickl wieder intakt, so Karner, der seine Rede dafür nutze, einmal mehr auch zeitgemäße Ermittlungsmethoden für die Polizei zu fordern, um auch Internettelefonie und Messengerdienste zu überwachen.

FPÖ-Mandatar Hannes Amesbauer hatte für die ÖVP eingangs nur ein Wort: "Doppelmoral". Und auch er hatte ein Foto dabei: Es zeigt ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler mit Putin bei seinem Besuch in Wien im Jahr 2018. "Das war nach der Annexion der Krim. Das ist noch nicht so lange her", sagte Amesbauer. 

Ein weiteres Bild zeigt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka mit Jan Marsalek, Ex-Wirecard-Chef und mutmaßlicher Russland-Spion, in Moskau.  

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"Unwürdiges Schauspiel"

SPÖ und Neos sehen unterdessen die Verantwortung für die Spionageaffäre nicht nur bei der FPÖ, sondern auch bei der Volkspartei. 

"Es ist unfassbar, wie sie die Geschichte umschreiben und sich aus der Verantwortung stehlen", sagte die Neos-Mandatarin Stephanie Krisper und warf der ÖVP "Kindesweglegung" vor. Schließlich sei es die ÖVP gewesen, die die FPÖ an die Regierung gebracht und auch zugelassen habe, dass Kickl Innenminister wurde.

SPÖ-Abgeordnete Reinhold Einwallner sprach von einem "unwürdigen Schauspiel", dass FPÖ und ÖVP, welche seit 24 Jahren das Innenministerium führen, nun die Verantwortung hin und her schieben würden. 

Dass nun auch Kickl einen U-Ausschuss zur Causa will, hat für Einwallner einen schalen Beigeschmack - Kickl will diesen nämlich erst nach der Nationalratswahl. "Das würde Ihnen so passen!", rief Einwallner in die blauen Reihen. 

Die SPÖ will "sofort Kontrolle" und noch diese Woche einen Schritt setzen: Die Roten planen laut Einwallner, einen Kontrollauftrag an das DSN (die Nachfolgeorganisation des BVT) zu richten. "Weil wir jetzt, und nicht erst irgendwann, wissen wollen, wie resilient unsere Spionageabwehr ist." 

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