Wie? Indem er dem versammelten Nationalrat erklärt, das Parlament sei in der Corona-Zeit zumindest zum Teil „ausgeschaltet“ gewesen. Erinnerungen an die Anfangsphase des Austrofaschismus waren möglicherweise so nicht intendiert, wurden aber in Kauf genommen.
Am Ende spielt es so oder so keine zentrale Rolle.
Denn die Szene steht nur exemplarisch für einen Tag, an dem sich der tiefe Graben zwischen der stimmenstärksten Fraktion und allen anderen vier Parlamentsparteien offenbarte.
Pfusch
„Die Bevölkerung ist Opfer ihres Pfusches!“, wirft Herbert Kickl seinem früheren Regierungskompagnon Karl Nehammer an den Kopf. Es ist noch eine der zurückhaltenderen Wortmeldungen.
Die Blauen haben an vielem vieles auszusetzen:
Dass ÖVP, SPÖ und Neos ohne sie über eine Regierung verhandeln? Es bleibt eine „Missachtung des Wahlergebnisses“.
Dass sich das Budget dramatisch entwickelt und nun zweistellige Milliardenbeträge fehlen? Das ist für Kickl nicht der Entwicklung der Weltwirtschaft, sondern einer „Vertuschung“ geschuldet.
Und die ist offenbar so umfassend, dass der FPÖ-Chef dem nur Stunden zuvor angelobten Interimsfinanzminister Gunter Mayr präventiv misstraut – als Sektionschef, so die blaue Vermutung, muss Mayr doch von der Lage gewusst haben.
Selbst Philip Kucher, dem für seine bisweilen spitzbübisch-heiteren Reden bekannten Klubchef-Stellvertreter der SPÖ, ist angesichts der Redebeiträge seines Landsmanns Kickl der Humor abhanden gekommen. Der FPÖ-Chef agiere wie ein trotziges Kind, mit dem niemand spielen wolle. „Und deshalb willst du jetzt die Spielregeln ändern. Jetzt passt dir die Demokratie plötzlich nicht mehr.“
Kuchers Rat: Als „selbst ernannter Volkskanzler“ möge Kickl die demokratischen Mehrheiten akzeptieren, sprich: Die FPÖ hat zwar die meisten Stimmen – aber keine absolute Mehrheit.
So kommt er auch auf die Titanic zu sprechen: Die SPÖ hätte es sich leicht machen und die ÖVP mit ihrem Versuch, eine Regierung zu bilden, scheitern lassen können. Immerhin habe Schwarz-Grün im Unterschied zur Titanic keinen Eisberg, sondern ein Budgetloch in der Größe des Großglockners übersehen. „Aber wir übernehmen Verantwortung“, sagt Kucher.
Der Umkehrschluss ist trivial und gibt den Tenor bei ÖVP, SPÖ, Neos und Grünen durchaus wieder: Die FPÖ will halt keine Verantwortung übernehmen.
Anti-Peristaltik
In all der Erregung und dem „die FPÖ gegen die anderen“ tritt die Vorstellung des ersten freiheitlichen Nationalratspräsidenten Walter Rosenkranz fast in den Hintergrund. Der Freiheitliche lässt die Debatte oft laufen, er lässt vieles zu.
Bis zu Sepp Schellhorn.
Der Koch, Unternehmer und Neos-Mandatar erklärt Kickl, warum dieser keine Mehrheit für eine Koalition zusammenbringe: Wenn man allen anderen „fünf Jahre lang vor die Tür kotzt“, dürfe man sich nicht wundern, wenn die Tür geschlossen bleibe.
Rosenkranz ist das doch zu viel. Und so ersucht er, „Begriffe der Anti-Peristaltik, bitte „hintanzuhalten“.
Beschlossen wurde in dieser Sitzung auch das ein oder andere: Elisabeth Schwetz wurde als Nachfolgerin von Walter Rosenkranz als Volksanwältin gewählt. Und das Plenum beschloss zudem neue Standards für die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismus-Finanzierung und ein Sanktionengesetz. Mit den Stimmen aller Parteien. Bis auf die der FPÖ.
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