Nach Odins Kür: Die "permanenten Grenzgänge" im blauen Kernland

Nach Odins Kür: Die "permanenten Grenzgänge" im blauen Kernland
Manfred Haimbuchner hat die FPÖ in Oberösterreich auf die Erfolgsspur geführt – mit einem stramm rechten Kurs.

Er malt Bilder mit dem Titel „Endsieg“, sein Markenzeichen erinnert an die Odal-Rune einer SS-Einheit, er beschimpft eine angesehene Kulturmanagerin auf Facebook als „hässliches Stück Fleisch“, nennt Kritiker „Inquisitoren“ und „toleranzbesoffen“:

Die Rede ist von Manfred Odin Wiesinger, der mittlere Name ist selbst gewählt.

Der Innviertler sitzt im Kulturbeirat des Landes Oberösterreich – und ist Lieblingsmaler von FPÖ-Minister Norbert Hofer, der am Mittwoch zu dessen Verteidigung ausritt: Es möge sich jeder selbst ein Bild vom Künstler machen, ihn in seinem Atelier besuchen und ein Gespräch mit ihm führen.

Zu den geschmacklosen Postings des Malers sagte Hofer: „Im Laufe des Lebens fallen Sätze, die man später bereut.“

Mit Sätzen, die man später bereut, haben die Freiheitlichen Erfahrung. Immer wieder mussten Funktionäre wegen brauner Patzer zurücktreten – zuletzt in Braunau, der Geburtsstadt Adolf Hitlers. Der Vizebürgermeister hatte ein Gedicht publiziert, in dem er Migranten mit Ratten verglich.

Und in Linz sind FPÖ-Leute eng verbandelt mit den rechtsextremen Identitären, die gerade im Visier der Justiz sind.

Warum ist es so oft Oberösterreich, das mit dem „rechten Narrensaum“ von sich reden macht? Und warum sind die Freiheitlichen mit Frontmann Manfred Haimbuchner hier so stark?

Permanente Grenzgänge

Als Haimbuchner 2009 die Landes-FPÖ übernahm, galt er als Liberaler. Mittlerweile ist er ein strammer Rechtsausleger im freiheitlichen Lager. Haimbuchner, der mit der ÖVP koaliert, sah anfangs keinen Grund, sich von den Identitären zu distanzieren – FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache forderte dann genau das am Landesparteitag in Linz ein.

„Permanente Grenzgänge zum Rechtsextremismus“ in Oberösterreich sind für Margit Reiter, Dozentin für Zeitgeschichte an der Uni Wien, kein Zufall: „Aus den Einzelfällen spricht der ideologische Kern.“ Gerade dort sei die ideologische Verankerung der FPÖ sehr stark – und zwar klar deutschnational.

Oberösterreich ist quasi die Wiege der FPÖ: Von hier ging die Gründung der Vorgängerorganisation VdU aus, von hier waren die ersten Parteiobleute (Anton Reinthaller und Friedrich Peter, beide gestandene Nationalsozialisten). „Hier sammelten sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Gesinnungstreuen“, sagt Historikerin Reiter. „Es gab funktionierende Netzwerke.“ Und aus diesen baute vor allem Peter eine starke, disziplinierte Organisation.

„Es wird sich keiner hinstellen und den Hitlergruß machen, aber im kleineren Kreis ist vieles, was gesagt wird, grenzwertig“, sagt ein Parteiinsider. „Da wird dann blöd gegrinst und gelacht. Eine wirkliche Abgrenzung betont man bestenfalls nach außen hin.“ Doublespeak nennt das Historikerin Reiter, die das Thema beforscht.

Eine, die sich offen gegen extrem rechte Auswüchse ihrer Partei gewehrt hatte, ist die frühere Braunauer Vizebürgermeisterin Brigitte Zeilinger – Vorgängerin des Rattengedicht-Verfassers. Sie wurde 2012 per Misstrauensantrag abgesetzt. In ihrer Abschiedsrede mahnte sie: „Wer vergisst, wie sensibel es gerade in Braunau ist, freiheitlicher Politiker zu sein, der ist fehl am Platz.“

Auch Daniela Raschhofer, EU-Mandatarin bis 2004 und ebenfalls aus Braunau, vertrat eine wirtschaftsliberale Position und verschwand plötzlich von der politischen Bildfläche.

Dass FPÖ-Chef Haimbuchner mit dem strammen Rechtskurs auf die richtige Karte setzt, zeigen die Wahlergebnisse: In seiner Obmannschaft hat sich die Partei bei Landtagswahlen auf 30 Prozent vervierfacht. Und 2015 wurde er Landeshauptmann-Stellvertreter.

Kulturverständnis

So liberal, wie sich Haimbuchner anfangs gab, dürfte er nie gewesen sein: Der 40-Jährige ist Mitglied der Burschenschaft Corps Alemannia Wien zu Linz. Als Lieblingsautor nennt er auf der Website der Landesregierung Ernst von Salomon, einen rechtsextremen Mörder und Nazi.

Noch deutlicher positioniert sich FPÖ-Landesrat Elmar Podgorschek, der am liebsten Bücher des Kriegsberichterstatters im Rang eines SS-Obersturmführers Joachim Fernau liest.

Oberösterreichs LHStv. Manfred Haimbuchner

Oberösterreichs FPÖ-Chef Haimbuchner

In dieses Kulturverständnis passt auch, dass Odin Wiesinger von den Blauen für den Kulturbeirat nominiert wurde. Der Beschluss wurde gegen die Stimmen von Grünen und SPÖ gefasst, die ÖVP ging aber mit. Warum?

Seinen „persönlichen Geschmack“ treffe Wiesinger nicht, sagt ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer, „aber persönliche Befindlichkeiten sind keine Kriterien“. Er betont, der Künstler sei ein unbescholtener Bürger. „Gerade im Kulturbereich darf es keine Willkür geben.“

Eine „schärfere Entgegnung“ vom Landeshauptmann, aber auch mehr Protest von den Kulturvereinen des Landes hätte sich der oberösterreichische Schriftsteller Franzobel gewünscht. Dass ein „Blut-und-Boden-Maler, der nationalsozialistisches Gedankengut verehrt“, jetzt die Kulturlandschaft des Landes vertreten soll, sei „nur bedingt lustige Realsatire“.

Kommentare