FPÖ-Annäherung an Identitäre? Hofer besteht auf Abgrenzung
Bewusste Provokation oder ungeschicktes Missverständnis? Schauplatz Salzburg. Roman Möseneder, seines Zeichens Landesvorstand der Freiheitlichen Jugend Salzburg, nimmt an einer Demonstration der Identitären teil und bekommt daraufhin Schützenhilfe von FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. An sich gibt es in der FPÖ einen aufrechten Vorstandsbeschluss, wonach es nicht möglich sein soll, aktives Mitglied der als rechtsextrem eingestuften Identitären zu sein und gleichzeitig eine freiheitliche Funktion innezuhaben.
Via Info Direkt pardoniert Schnedlitz aber Mösenders Demo-Teilnahme: „Mit der Distanziererei“ wie in Zeiten der türkis-blauen Koalition und Zurufen seitens der ÖVP oder Journalisten sei es vorbei.
Keine 24 Stunden später rudert der FPÖ-Generalsekretär zurück und der FPÖ-Chef aus. Norbert Hofer macht klar: „Der Vorstandsbeschluss ist aufrecht“, an der Beschlusslage habe sich nichts geändert.Schnedlitz selbst fühlt sich seither missverstanden. Er habe ja nur auf die Unbescholtenheit Möseneders, die freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht aufmerksam machen wollen. Dafür erntete Schnedlitz prompt Lob vom Identitären-Chef. „Großartig“, postete Martin Sellner in sozialen Medien.
Bereits vor seiner Zeit als Generalsekretär hatte Schnedlitz bei einer Kundgebung in Wiener Neustadt die Identitären explizit begrüßt. Auch damals musste er zurückrudern.
Für ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior zeigt das „Liebesbekenntnis“ zu den Identitären, dass Norbert Hofer seine Partei nicht im Griff habe.
Der Vorfall macht jedenfalls offenbar, wie uneins sich die FPÖ in ihrer Ausrichtung seit dem Rauswurf von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und dem Wiener Wahl-Desaster (die FPÖ verlor 23,68 Prozentpunkte und schlitterte in die Einstelligkeit) ist.
Erst jüngst musste Hofer FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch zurückpfeifen, nachdem sie sich für einen Boykott der Massentests ausgesprochen hatte. Insbesondere der Umgang mit der Corona-Krise und den Maßnahmen macht erneut offenkundig, dass die FPÖ mit Hofer und Klubchef Herbert Kickl nicht nur eine Doppelspitze hat, sondern auch eine Doppellinie fährt.
„Es gibt zwei Lager“, sagt ein Parteigänger im Gespräch mit dem KURIER. „Die Fraktion, die die Corona-Leugner, Alu-Hut-Träger und Querdenker erreichen will, und jene, die einen Mitte-Rechts-Kurs fahren und wieder regierungsfähig werden will.“
Herbert Kickl stehe für Erstgenannte, Hofer und der mächtige oberösterreichische Landeschef Manfred Haimbuchner für zweitgenannte Fraktion.
Haimbuchners Wort hat Gewicht. Oberösterreich ist für die FPÖ eine starke Bastion. Umso mehr wiegt die Landesgruppe, als sie 2021 Landtagswahlen zu schlagen hat, bei denen sie historisch hohe 30,4 Prozent verteidigen muss. Die FPÖ in der Zwickmühle zwischen radikaler Opposition oder moderatem Kurs – wozu rät der Experte?
„Die FPÖ täte gut daran, einen moderaten Kurs zu fahren, denn das oberösterreichische Ergebnis wird mit der Wiener Wahl verglichen werden und maßgeblich darüber entscheiden, wie es mit den Freiheitlichen österreichweit weitergeht“, sagt OGM-Chef und Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. Die FPÖ habe es verabsäumt, die Stimmung der Bevölkerung zu antizipieren. Trotz Kritik und Corona-Müdigkeit sei die Zustimmung zum zweiten Lockdown in Relation sehr hoch, so Bachmayer. „Damit ist der FPÖ die Grundlage für den propagierten Corona-Wahnsinn und Impfzwang entzogen worden.“
Bachmayer räumt ein, dass es die FPÖ nicht leicht habe, sich von der ÖVP abzugrenzen, weil diese mit gezielten Botschaften der FPÖ Wähler abspenstig macht. Aber Bachmayer vertröstet auf die Zeit nach Corona: Spätestens im Frühjahr, wenn die Corona-Hilfen auslaufen, sei „wirtschaftliche Expertise gefragt, und für diese steht bei der FPÖ Haimbuchner“.
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