Roter Spitzen-Gewerkschafter stellt Häupl infrage

Schelte für Häupl: Aus dem "Witzchen" bei der Parteifeier wurde Ernst.
Sager zur Arbeitszeit empört auch Parteifreunde. Beamtengewerkschaftsvize Korecky empfiehlt im Wiederholungsfall Ablöse als SP-Spitzenmann.

Michael Häupls Aussage über die 22-Stunden-Woche empört auch viele Parteifreunde. Auch wenn Häupl via APA kundtut, dass sich seine Aussage nicht gegen "die vielen engagierten Lehrer", sondern gegen deren Standesvertreter richte. Von diesen höre er nämlich seit Jahrzehnten nichts anderes als "Nein". Dass AHS-Gewerkschafter das rot-schwarze Lehrpflicht-Ansinnen mit "Das bedeutet Krieg" quittieren, sollte empören, nicht sein "Witzchen über meine eigene Arbeitszeit".

Der rote Beamtengewerkschaftsvize Peter Korecky hat schon mehr gelacht. Via Twitter urteilte er nicht parteifreund-freundlich: "Häupl probt FPÖ-Populismus! Keinerlei Wahlkampfunterstützung für eine Häupl-SPÖ." In Wien wird ja am 11. Oktober gewählt. Via KURIER legte Korecky nach: "Ich nehme die Nicht-Entschuldigung zur Kenntnis." Er wertet Häupls Äußerung als "intellektuellen Probelauf für eine rot-blaue Koalition. Wenn der Bürgermeister diesen populistischen Stil beibehält, dann sollte sich die SPÖ überlegen, mit welchem Spitzenkandidaten sie in die Wien-Wahl geht."

Korecky ortet ein Häupl’sches Muster: Einst sei er jäh gegen die Wehrpflicht gewesen. "Er hat damit nicht nur den damaligen Verteidigungsminister Darabos desavouiert, sondern auch über Bord geworfen, was für die SPÖ lange Zeit gegolten hat – um billig ein paar Stimmen zu gewinnen." Beim jetzigen "Lehrer-Bashing" habe Häupl "den selben Hintergedanken: Billig Stimmen zu holen."

Foglar: "Mehr Sensibilität"

Anderen Genossen missfällt die Diktion des Stadtchefs ebenfalls. "Es wäre gut, wenn mehr Sensibilität an den Tag gelegt würde", urteilte ÖGB-Chef Erich Foglar im ORF-Radio. Der ehemalige oberösterreichische SPÖ-Chef Josef Ackerl moniert via Facebook: "Als Sozialdemokrat den Stammtisch zu bedienen, ist legitim. Aber wie und mit welchen Themen? Flapsige Bemerkungen mögen eine kurzfristige Erheiterung in einschlägigen Kreisen herbeiführen, aber wenn damit die Diskriminierung der Arbeitsbedingungen eines Berufsstandes verbunden ist, dann ist es heftig."

Er wisse, "was in 22 Stunden Politikerleben enthalten sein kann – und hätte trotzdem nie mit Lehrern tauschen wollen", schreibt Ackerl. "Eigentlich ist es eine Zumutung, in einer führenden Funktion bei so einem Anlass wie 70 Jahre SPÖ so zu reden."

Etliche Rote glauben freilich nicht, dass sich Häupl mit seinem Spruch geschadet hat – und ihn beim Landesparteitag am Samstag deswegen viele Genossen nicht erneut zum Wiener Parteichef wählen: weil wohl nicht nur in der SPÖ die Mehrheit der Ansicht sei, dass er Recht habe.

"Im Burgenland wissen die Leute, was ich will. Aber keiner weiß so genau, was die Bundesregierung eigentlich will", ärgert sich Hans Niessl.

Das SPÖ-Urgestein steht eineinhalb Monate vor seiner Landtagswahl im Burgenland – und würde gerne die Früchte der im März beschlossenen Fünf-Milliarden-Entlastung ernten.

Auch wenn der erste Platz für die SPÖ im Burgenland nicht in Gefahr ist, beobachtet der Landeshauptmann die Budget-Debatte in Wien und das ewige Reizthema "Beamte/Lehrer" mit Argusaugen.

Denn Niessl befürchtet, dass die Gegenfinanzierungsdiskussion – mit täglich neuen Belastungsideen vom Tourismus und den Wirten bis hin zum öffentlichen Dienst und den Lehrern – den positiven Entlastungseffekt der Steuerreform konterkariert.

In diesem Kontext will der frühere Lehrer und Lehrervertreter Wiens Bürgermeister Michael Häupl für dessen 22-Stunden-Sager nicht kritisieren. Niessl sagte im Gespräch mit dem KURIER: "Jeder weiß, dass die Lehrer mehr arbeiten. Ich bin aufseiten der Lehrer – und habe das eher als Scherz von Michael Häupl verstanden."

Insbesondere beinhalte das neue, längst beschlossene Dienstrecht bereits die erhöhte Lehrverpflichtung. Seit dem Schuljahr 2014/’15 können sich Lehrer für das neue Dienstrecht entscheiden, ab 2019 gilt es für alle. Was daher die neuerliche Forderung nach der 22-Stunden-Lehrverpflichtung solle, könne er nicht nachvollziehen, sagt Niessl. Sein Eindruck: "Die Bundesregierung weiß nicht, was sie will. Ich weiß nicht, was diese Diskussion soll."

Entlastungseffekt weg

Überhaupt lässt Niessl an der momentanen Umsetzung der Steuerreform und hier vor allem ihrer Gegenfinanzierung kein gutes Haar. "Zuerst wird der gesamte Tourismus belastet, von den kleinen Pensionen bis zu den großen Hotels. Dann die Wirte, von der Registrierkassa bis hin zum Rauchverbot. Und jetzt die Beamten und Lehrer. So kann man das nicht diskutieren."

Die Gefahr sei, dass der "positive Entlastungseffekt durch die entstandene Diskussion völlig in den Hintergrund tritt", sagt Niessl. Und bringt seinen alten Lieblingsvorschlag aufs Tapet: "All diese Debatten hätte man sich mit einer vernünftigen Millionärssteuer ersparen können." Er wisse aber: Die SPÖ habe sich de facto bei der Entlastung durchgesetzt, die ÖVP sich mit ihren Vorstellungen bei der Gegenfinanzierung. Jetzt müsse man das halbwegs ins Lot bringen, befindet der Landeshauptmann. Soll heißen: "Nicht sich gegenseitig dauernd etwas ausrichten, sondern zusammensetzen und ausdiskutieren."

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