Ministerrat: ÖVP und Grüne diskutieren bereits über Impfpflicht

"Das ist eine Maßnahme, die diskutiert wird", sagte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger.

Lockdown für Geimpfte oder nicht? Diese Frage hat zu einem veritablen Koalitionskrach geführt. Am Dienstag folgte die Aussprache, ÖVP und Grüne geben sich vorerst wieder versöhnt. Heute, Mittwoch, stand der erste Ministerrat nach dem Konflikt an.

Lockdown? Impfpflicht? Das sagen die Ministerinnen

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadić (Grüne) traten hernach gemeinsam im Pressefoyer auf. Man wolle den Geimpften weiterhin größtmögliche Freiheit geben, aktuell gelte bereits der Lockdown für Ungeimpfte als "sehr weitreichende Maßnahme", sagte Köstinger. Damit wolle man die Wintersaison retten, so Köstinger. "Wir haben sehr weitreichende Maßnahmen, wir haben ein Impfangebot", sagte Köstinger. Eine halbe Million Menschen habe sich vergangene Woche impfen lassen, 2-G wirke also.

Statement von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP)

"Ich möchte unterstreichen, was die Ministerin sagt: Die Lage ist sehr ernst", sagte Zadić. Es werde interne weitere Gespräche geben, ob zusätzliche Maßnahmen notwendig sind. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hat sich bereits für einen allgemeinen Lockdown ausgesprochen, der auch Geimpfte betrifft. Die ÖVP ist dagegen.

Statement von Justizministerin Alma Zadic

Impfpflicht wird wahrscheinlicher

Kommt vielleicht ein Lockdown für alle und zusätzlich eine allgemeine Impfpflicht? Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) ist Impfpflicht für den öffentlichen Dienst nicht mehr abgeneigt, fordert aber eine breitere Diskussion. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) möchte eine Impfpflicht ebenfalls nicht mehr ausschließen. Auch bei den Grünen gibt es erste Stimmen, die sie fordern.

"Das ist eine Maßnahme, die diskutiert wird, ich halte die Diskussion auch für sehr wichtig", sagte Köstinger. Eine Impfpflicht könne dazu beitragen, "dass die Pandemie besser gemeistert wird". Sie kritisierte in diesem Zusammenhang vor allem die FPÖ: "Es gibt eine Oppositionspartei, die massiv Stimmung gegen das Impfen macht, die Fake News verbreitet, die einen maßgeblichen Anteil daran hat, dass die Bevölkerung verunsichert ist." Die Maßnahme werde "rechtlich geprüft", fügte Zadić hinzu.

Mückstein hatte zuletzt am Wochenende angekündigt, eine Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegesektor anordnen zu wollen. Im Gesundheitsministerium wird derzeit ein Gesetzesentwurf zu der von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Wochenende angekündigten Impfpflicht für Gesundheitsberufe vorbereitet. "Im Zuge dessen wird diese Materie auch breit mit StakeholderInnen, ExpertInnen und VerfassungsjuristInnen diskutiert", hieß es am Mittwoch auf KURIER-Anfrage aus dem Büro des Ressortchefs.

Kurzfristig würde eine Impfpflicht die akuten Probleme nicht lösen, so Köstinger. Jetzt sei man in einer Situation, in der man der Wissenschaft sehr viel Vertrauen schenken müsse.

Keine Verschärfungen am Mittwoch

Der Gesundheitsminister wird sich heute mit Experten beraten. Zu diesen Gesprächen sei kein Statement von Mückstein geplant, heißt es aus dessen Büro zum KURIER. Das dürfte schwierig werden: Am Abend, um 20.15, ist der Minister auf Puls24 als Interviewgast geladen.

Köstinger geht davon aus, dass er keine weiteren Maßnahmen verkünden werde, da es sich "nur um Beratungen" handle und am Freitag ohnehin die Landeshauptleute-Konferenz stattfindet.

Unlautere Praktiken

Zu Beginn des Pressefoyers ging es - die Prioritätensetzung war etwas überraschend - um die Wurst. Es kommt eine Richtlinie für unlautere Geschäftspraktiken im Lebensmittelhandel. In Zukunft werde es nicht mehr möglich sein, dass Lebensmittelkonzerne verderbliche Waren etwa von Bauern bestellen, einen Teil davon aber unbezahlt wieder zurückzugeben. Das sei gängige Praxis, ärgerte sich Köstinger. Das Gesetz werde mit Jahresbeginn 2022 umgesetzt.

Zusätzlich wurde eine Wohnungseigentumreform beschlossen. Der Einbau von Ladestationen für E-Autos in Mehrfamilienhäusern soll durch eine Novelle erleichtert werden. Bisher habe immer mehr als die Hälfte der Wohnungseigentümern zustimmen müssen. Das werde in Zustimmung "erleichtert", versprach Zadić. Nur noch ein Drittel der Eigentümer müsse zustimmen.

Reform für Saisonarbeitskräfte

Im Ministerrat beschlossen wurde auch eine Reform für Saisonarbeitskräfte ab Anfang 2022. Sie soll Arbeitern und Betrieben mehr Praxistauglichkeit und Planbarkeit gewähren. Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern attraktive Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz bieten und dadurch Stammkräfte binden, erhalten eine Beschäftigungsbewilligung für bewährte Arbeitskräfte. Gleichzeitig seien Saisonarbeitskräfte mit der Neuregelung nicht mehr von einem einzigen Betrieb abhängig, sondern flexibel in der Auswahl des Arbeitgebers, heißt es aus dem Arbeitsministerium. 

Die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung sei aber an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Die betroffenen Arbeitskräfte müssen zwischen 2017 und 2021 zumindest in drei Jahren für mindestens jeweils drei Monate im Rahmen der Kontingentregelung beschäftigt worden sein. "Wir stellen damit eine entscheidende Maßnahme zur Bewältigung des Arbeitskräftebedarfs vor allem im Tourismus sicher", sagt Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP).

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