Bund gegen Wien: Wer bringt nun wessen Gesetz zu Fall?

Bund gegen Wien: Wer bringt nun wessen Gesetz zu Fall?
Experte Funk: "Ernstzunehmende Gründe, an der Verfassungsmäßigkeit der geplanten Regelungen zu zweifeln."

Die Nerven liegen blank, schon seit Wochen und Monaten. Jetzt, da die Mindestsicherung so gut wie beschlossene Sache ist, wird das Kräftemessen zwischen der türkis-blauen Bundesregierung und dem rot-grün regierten Wien wohl vor Gericht ausgetragen.

Denn die Klubchefs von ÖVP und FPÖ kündigten am Freitag am Rande der Regierungsklausur an, die Stadt Wien vor den Verfassungsgerichtshof zu zerren, sollte sie die neue Mindestsicherung nicht oder anders anwenden, als der Bund es in seinem Rahmengesetz vorgibt - und das hatten Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) und die Grüne Birgit Hebein ja gestern angekündigt.

Aus der Stadtregierung hieß es wiederum, man habe bereits 17 Punkte ausgemacht, die verfassungs- bzw. EU-rechtswidrig sein könnten. Ob man klagt, lässt man noch offen.

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Ende offen

Wie das mögliche Match ausgeht? Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk traut sich keine Prognose zu - aber einfach wird es für den Bund nicht.

Vorab: Das Armenwesen ist Ländersache, aber der Bund gibt den Rahmen vor. Und in der Verfassung steht, dass sich die Länder daran zu halten haben.

Wenn das neue Gesetz zur Mindestsicherung in Kraft tritt, wird den Ländern eine Frist gesetzt, um die neuen Regeln in ein Landesgesetz zu gießen.

Tut Wien das nicht, geht die Zuständigkeit automatisch an den Bund über.

Variante zwei: Schafft Wien ein Landesgesetz, das die Vorgaben des Bundes nicht berücksichtigt, kann die Regierung beim Verfassungsgerichtshof klagen. Formal heißt das: einen Gesetzesaufhebungsantrag stellen.

Den Spieß umdrehen

Nun prüfen die Höchstrichter aber nicht nur, ob die Ausführung stimmt, sie prüfen auch die Vorgaben selbst. Und da sieht Experte Funk durchaus Reibungsfläche: „Es gibt eine Reihe von ernstzunehmenden Gründen, an der Verfassungsmäßigkeit der geplanten Regelungen zu zweifeln.“

So könnten die Staffelung der Kinderbeiträge (ab dem zweiten Kind gibt es weniger) oder die Voraussetzung, Deutsch können zu müssen, um die volle Sozialhilfe zu erhalten, diskriminierend und damit verfassungswidrig sein.

Wegen solcher Bedenken könnte übrigens auch Wien – oder jedes andere Bundesland – die Aufhebung des Rahmengesetzes beantragen, und damit den Spieß umdrehen.

Reform birgt Konfliktstoff

Ende November hatte Türkis-Blau seine Einigung für eine neue Mindestsicherung vorgestellt. Die Höhe der Mindestsicherung soll sich künftig an der Mindestpension von derzeit 863 Euro orientieren. Bei schlechten Deutsch- oder Englischkenntnissen oder bei Fehlen eines Pflichtschulabschlusses soll dieser Betrag um 300 Euro gekürzt werden.

Außerdem werden die Zuschläge für Kinder reduziert sowie gestaffelt: Für das erste Kind gibt es noch 216 Euro, für das zweite 130 und ab dem dritten Kind nur noch 43 Euro monatlich. Sozialvereine, Hilfsorganisationen und die Opposition übten seitdem scharfe Kritik an den Plänen der Regierung und warnten vor den sozialen Folgen.

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