Spitzendiplomat über Migrationspolitik: "Österreich ist Vorreiter gewesen"
Warum der Diplomat gerne „Will be done“ sagt und warum er seine aristokratischen Wurzeln für bedeutungslos hält.
KURIER: Sie kommen gerade direkt aus den USA, trafen dort demokratische und republikanische Vertreter. Haben Sie eine Wahlprognose?
Peter Launsky-Tieffenthal: Das ist schwierig, weil nach dem US-System die Mehrheit der Wählerstimmen nicht notwendigerweise einen Sieg bedeutet. Kamala Harris braucht letzten Umfragen zufolge über drei Prozent mehr Stimmen als Donald Trump, um ihn zu schlagen. Momentan scheint es sehr ausgeglichen zu sein. Der Ausgang ist völlig offen.
Was unterscheidet die Wahlkämpfe in den USA und Österreich?
Die Themen sind ähnlich: Wirtschaft und Migration. In den USA fokussiert man sich noch stärker auf Zielgruppen, betreibt einen enormen materiellen Aufwand, und es gibt viel persönlichere Angriffe. Davon hebt sich unser Wahlkampf wohltuend ab.
Sie sind „Karrierediplomat“, waren aber auch Regierungssprecher von Türkis-Blau. Diplomaten müssen diskret sind, Journalisten sind das Gegenteil. Wie oft kamen Sie da in eine Zwickmühle?
Ich glaube, das Bemühen, den jeweils anderen besser zu verstehen, hat mir sehr geholfen. Verlässlichkeit – auf beiden Seiten – spielt eine wichtige Rolle. Darüber kann man ein Vertrauensverhältnis aufbauen, und damit bin ich eigentlich gut gefahren.
Salon Salomon: Zu Gast Peter Launsky-Tieffenthal
Sie waren im Kanzleramt und früher im Außenministerium der Mann für diskrete Verhandlungen, um von Terrorregimen gefangen gehaltene Österreicher zu befreien. Wie läuft diese Arbeit ab?
Das ist immer eine Team-Anstrengung. Wir bauen auf die politischen Kontakte auf, um uns für eine Rückkehr zu bemühen, reden mit internationalen Organisationen und den Angehörigen. Bei den Geiseln im Gazastreifen haben wir über viele Monate ein Netzwerk aufgebaut.
Spielen Geheimdienste eine große Rolle?
Absolut, es gibt einen engen Austausch mit diesen Diensten.
Wie traurig sind Misserfolge?
In diesem Bereich muss man damit rechnen, dass es manchmal nicht möglich ist, zu helfen. Ich erinnere mich an einen jungen Oberösterreicher, der im Irak verschwunden ist und schon sehr früh umgebracht wurde. Wir waren in engem Austausch mit seiner Mutter. Solche Nachrichten gemeinsam mit Psychologen überbringen zu müssen, ist keine einfache Aufgabe.
Österreich stellt sich im Nahostkonflikt hinter Israel, was nicht überall gut ankommt. Man missachte dabei das Leid der Palästinenser in diesem Krieg, sagen Kritiker. Israel ist als einziger demokratischer Staat in der Region ein Land, mit dem wir Grundwerte teilen. Wir haben aber auch zu vielen seiner Nachbarländer gute Beziehungen. Man darf den Terroranschlag vom 7. Oktober gegen Israel und die Ermordung vieler Zivilisten nicht vergessen, sowie die Angriffe auf Israel durch die Hisbollah. Insofern anerkennen wir das Recht Israels auf Selbstverteidigung, aber mit Bedacht auf das internationale humanitäre Völkerrecht. Und gerade, weil es eine gute Beziehung zu Israel gibt, ist es möglich, sich da und dort auch kritisch zu äußern.
Zu welchen Themen?
Zum Beispiel über die steigende Aggression der Siedler in den besetzten Gebieten.
Sie waren zuletzt involviert in die Afrika-Strategie von Bundeskanzler Karl Nehammer. Kann ein Zwergenstaat denn etwas bewirken?
Wir sind kein Zwergenland, sondern ein mittelgroßes. Es gibt eine sehr intensive Reisediplomatie zwischen Österreich und Afrika. Erst kürzlich wurde eine neue österreichische Botschaft in Ghana errichtet, die österreichische Wirtschaft ist seit Jahrzehnten in Afrika erfolgreich tätig, und Österreich ist im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit in vier afrikanischen Staaten – Äthiopien, Uganda, Burkina Faso, Mozambique – stark präsent.
Wobei die EU spät aufgewacht ist, nachdem China hier schon wirtschaftlich erfolgreich war und sich Rohstoffe gesichert hat.
Die Begeisterung über China schwindet. Europa ist schon seit vielen Jahrzehnten der größte Investor und Handelspartner auf dem afrikanischen Kontinent. Die Orientierung in Richtung des europäischen Lebensmodells ist spürbar.
In vielen afrikanischen Ländern verhindert Korruption eine positive Entwicklung.
Auch da gibt es positive Zeichen: Die Zivilgesellschaft und die Privatwirtschaft sind viel stärker geworden. Die österreichischen Investitionen leisten einen Beitrag dazu, den Menschen in ihren Herkunftsländern eine Perspektive zu geben.
Sie waren Regierungssprecher bei Sebastian Kurz, erlebten live seinen Fall. Sind Sie von ihm enttäuscht?
Sebastian Kurz hat mir in seiner Zeit als Außenminister und später als Kanzler wichtige Aufgaben übertragen. Wir haben immer sehr professionell zusammengearbeitet.
Diplomatische Antwort! Es sind problematische Dinge aufgetaucht.
Aus meiner Sicht überwiegt die Dankbarkeit. Wir stehen nach wie vor in Kontakt und tauschen uns gelegentlich über internationale Entwicklungen aus.
Kehrt er in die Politik zurück?
Das wissen Sie sicher besser als ich.
Hat sich Österreich auf dem internationalen Parkett oft zu undiplomatisch verhalten? Man eckte speziell in der Migrationspolitik bis hin zur Schengen-Erweiterung immer wieder an und erntete Kritik.
Österreich war 2015/16 eines der von Migration meistbetroffenen Länder. Unsere Haltung ist jetzt, viele Jahre später, plötzlich konsensfähig geworden. Die Kritik von damals wird von unseren Partnern heute anders gesehen.
Das Mantra von Sebastian Kurz mit der Schließung der Balkanroute wurde damals kritisch betrachtet.
Wobei dieses Mantra eine Darstellung der Probleme war, die mittlerweile von allen EU-Staaten in Form der Stärkung der EU-Außengrenzen übernommen worden ist. Österreich ist da Vorreiter gewesen.
Manche halten es sogar für eine Retourkutsche der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, Österreich den Kommissar für Migration zu übertragen – ein Himmelfahrtskommando.
Das ist eine Aufgabe für jemanden, der in der Lage ist, Menschen zusammenzuführen und Lösungen zu erarbeiten. Unser jetziger Finanzminister ist dafür sicher eine sehr gute Wahl.
Eine Gemeinheit gegenüber Österreich ist es nicht?
Nein, man könnte es auch umgekehrt sehen: Österreich hat bei der Migration Erfahrung, die bis ans Ende des Zweiten Weltkrieges zurückreicht. Diesen Erfahrungsschatz kann Magnus Brunner in seine neue Aufgabe einbringen.
Sie hatten sehr viele großartige Karrierestationen. Traurig, nicht Außenminister geworden zu sein?
Ich empfinde Diplomatie als Berufung. Es ist eine wunderschöne Aufgabe, die Interessen Österreichs im Ausland zu repräsentieren. Das ist meine Erfüllung.
Wie viele Sprachen sprechen Sie?
Vier.
Früher hieß es immer, dass im Außenamt drei Fraktionen dominieren: die Sozialdemokraten, die schon lange nicht mehr an der Macht sind, der CV und der Adel. Stimmt das? Sie und Außenminister Alexander Schallenberg haben aristokratische Wurzeln.
Nein. Das, was das Außenministerium immer ausgezeichnet hat, war ein bestimmter Korpsgeist: Die Ehre, die wir empfinden, Österreich im Ausland vertreten zu dürfen, überbrückt alle Gruppen. Und Sie wissen, dass seit 1919 in Österreich die Adelsprädikate weggefallen sind.
Ist einer Ihrer Lieblingssätze nach wie vor „Will be done“?
Es soll positiven Spirit vermitteln. So habe ich es in meinen 40 Jahren diplomatischer Tätigkeit gehalten.
Zur Person
Peter Launsky-Tieffenthal ist Sonderbeauftragter von Bundeskanzler Karl Nehammer für globale Angelegenheiten. Der ehemalige Generalsekretär des Außenamts ist Spezialist für Verhandlungen, um gefangene Österreicher freizubekommen. Launsky arbeitete Mitte der Neunzigerjahre als persönlicher Sekretär von Thomas Klestil, den er in Washington kennengelernt hatte. Von 2012 bis 2014 war er Chef der UNO-Kommunikationsabteilung in New York. Danach machte ihn der damalige Außenminister Sebastian Kurz zum Sektionsleiter für Entwicklungszusammenarbeit. Später wurde Launsky Regierungssprecher der VP-FP-Koalition unter Kurz.
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