Doch dies war nur das Schließen einer kleinen Lücke auf der riesigen Baustelle namens europäische Migrationspolitik. Eines der größten Probleme noch immer: die geringe Zahl abgewiesener Asylwerber, die in ihre Heimat zurückkehren.
Österreich agiert dabei noch wesentlich konsequenter als der EU-Schnitt. „Zwischen 40 und 50 Prozent der abgewiesenen Asylsuchenden werden im Jahr aus Österreich rückgeführt. Im Vorjahr waren es coronabedingt weniger“, sagt Karner.
Über ganz Europa gesehen aber bleiben im Schnitt vier Fünftel der abgewiesenen Migranten. Dass sich das ändern muss, hat die EU schon vor Jahren postuliert – und nie umgesetzt.
Und so wiederholte auch EU-Migrationskommissarin Ylva Johansson am Donnerstag ihre oft gehörte Forderung: „Diejenigen, die nicht zum Aufenthalt in der EU berechtigt sind, müssen in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden. Viele Länder in Europa stehen unter enormem Druck.“
Rückführungsabkommen
Und das nicht nur, weil es im Vorjahr mehr als 330.000 illegale Ankünfte in der EU gab. Die Zahl der Asylansuchen war drei Mal so hoch. Das geht auch Missbrauch zurück, Asylansuchende, die in mehreren Ländern ihr Ansuchen gestellt haben.
Wie soll es also besser werden? Mit mehr Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern der Migranten. Österreich hat 22 davon, die EU 18, einige dieser Abkommen überschneiden sich. Aber nicht immer funktionieren sie.
Weshalb die EU nun auch so genannte Visa-Hebel androht: Nehmen die Herkunftsländer ihre Staatsbürger nicht zurück, sollen den Eliten des Landes EU-Visa verweigert oder sogar EU-Hilfen gekürzt werden. Neu ist auch dieser Vorschlag nicht, nun aber soll er endlich vehementer durchgesetzt werden.
Nächste Baustelle: Außengrenzschutz. 330.000 illegale Grenzübertritte hat die EU-Grenzschutzagentur Frontex 2022 registriert. 120.000 davon hatte Österreich zu verzeichnen.
Abermals pochte Karner deshalb gestern beim Treffen der EU-Innenminister darauf: Der Außengrenzschutz der EU müsse robust gemacht und Bulgarien beim Bau seines Grenzzauns zur Türkei finanziell von der EU unterstützt werden. Zwei Milliarden Euro benötige Bulgarien dafür, hatten Karner und Kanzler Nehammer nach Besichtigung des löchrigen Grenzzauns im äußersten Südosten Europa festgestellt.
Doch bei dieser Forderung holte sich Karner eine Absage: „Im EU-Budget ist dafür kein Geld vorhanden“, bremste EU-Kommissarin Johansson. „Wenn wir also Geld für Mauern und Zäune ausgeben, bleibt kein Geld für andere Dinge übrig.“
Auch eine weitere Forderung Karners stieß bisher auf wenig Gehör: Mittels einer Zurückweisungsrichtlinie möchte der Innenminister Angehörigen aus jenen Staaten, die praktisch keine Aussicht auf Asyl haben, von vornherein die Möglichkeit eines Ansuchens untersagen. Brüssel solle diese Möglichkeit prüfen, so Karner.Europarechtsexperte Walter Obwexer gibt dieser Forderung hingegen keine Chance: „Massenzurückweisung ist vom EU-Verfassungsrecht nicht erlaubt. Das Recht auf individuelle Prüfung der Schutzgründe ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention und in der EU-Grundrechtecharta verankert.“
Einem indischen Bürger kann also nicht einfach das Ansuchen auf Asyl verweigert werden, nur weil Inder in der Regel kaum Asyl bekommen. „Es kann auch in sicheren Drittstaaten immer Menschen geben, die aus persönlichen Gründen verfolgt werden“, sagt Obwexer.
Pilotprojekt
Zustimmung Brüssels gibt es hingegen zu Karners Forderung nach schnellen Asyl-Prüfverfahren entlang der EU-Außengrenze. Ein derartiges Pilotprojekt sei angedacht, bestätigte EU-Kommissarin Johannson.
Doch noch ist nicht entschieden: Wo soll es sein? Und wer bringt die auf diese Art rasch abgewiesenen Asylwerber wohin? Die ewige Migrationsdebatte wird sich also noch eine Weile weiter im Kreis drehen.
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