Mietpreise: Nehammer kündigt Gesamtpaket an

Karl Nehammer
Nach Streit: Koalitionspartner wollen Verhandlungen über Mietpreisbremse fortsetzen. SPÖ, ÖGB und AK machen Druck.

Die Koalition ist sich weiterhin uneinig, ob und wie die Erhöhung der Mietpreise eingedämmt werden soll. In getrennten Stellungnahmen betonten die Klubobleute August Wöginger (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne) am Mittwoch aber den Willen zu Verhandlungen. "Wir sind nach wie vor offen für weitere Gespräche", so Wöginger. "Wir arbeiten an einer guten Lösung", schrieb Maurer.

Die Zeit drängt: Die Richtwertmieten steigen mit 1. April um 8,6 Prozent, wenn die Politik nicht eingreift. Bis wann will man eine Einigung präsentieren? Darauf möchten sich die Koalitionspartner nicht festlegen. Jedenfalls wäre eine Sondersitzung im Nationalrat nötig. Auch eine Regelung, die erst rückwirkend greift, ist nicht mehr ausgeschlossen.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sprach am Mittwoch gegenüber puls24 von intensiven Verhandlungen. Die ÖVP fordert ein Gesamtpaket. Bis wann? Einen genauen Zeitpunkt gibt es laut Nehammer noch nicht, aber: "Es gibt ein Limit von der gesetzlichen Frage her. Das dürfte im Mai sein, wenn ich mich jetzt richtig erinnere. Aber bis dahin wird intensiv verhandelt."

Mieten machten einen großen Teil der Fixkosten für viele Menschen aus, betonte Maurer: "Steigen die Mieten, steigt der Druck - auf junge Menschen, Familien, Pensionist:innen." Gerade deshalb sei es so wichtig, bei den steigenden Wohnkosten gegenzusteuern. Wöginger unterstrich, es sei der Volkspartei wichtig, dass auch an Häuslbauer und junge Familien, die Eigentum schaffen, gedacht werde.

Das betont Wöginger deshalb, da die ÖVP für ihre Zustimmung zu einer Mietpreisbremse einen Freibetrag von 500.000 Euro bei der Grunderwerbssteuer (GrESt) fordert. Dieser soll für das erste Eigenheim gelten.

Wie eine Lösung aussehen könnte

Die Verhandlungen über die Mietpreisbremse entwickelten sich vergangene Woche zu einem öffentlichen Streit zwischen ÖVP und Grünen. Die ÖVP zeigte sich verärgert, dass die Grünen auch eine Deckelung nicht-regulierter Mieten gefordert hätten. Die Grünen empörten sich über die ÖVP-Forderung nach einer Teil-Abschaffung der Grunderwerbssteuer.

Künstliche Deckel auf Mietpreise seien generell kontraproduktiv, schrieb Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats, am Dienstag auf Twitter. Badelt: "Das ist sowohl theoretisch wie auch praktisch belegt." In Berlin führte der Mietpreisdeckel etwa dazu, dass viele Vermieter ihre Wohnungen lieber verkauften. Das Angebot an verfügbaren Mietwohnungen wurde also kleiner.

"Konkret wäre aber eine Streckung der Mietenerhöhung um zwei oder drei Jahre ein vernünftiger Kompromiss", so Badelt. Die ÖVP hatte in den Verhandlungen gefordert, die Mieterhöhung auf zwei Jahre aufzuteilen, die Grünen plädieren für drei Jahre. Zudem spricht sich Badelt für einen "besseren Index" aus. Derzeit orientieren sich die Mieten am Verbraucherpreisindex (VPI).

Ein Kompromiss, dem zumindest die Grünen in einem ersten Schritt nicht abgeneigt wären: Die Erhöhung der Richtwertmieten wird auf zwei oder drei Jahre gestreckt. Gleichzeitig erhalten Vermieter, die Wohnungen thermisch sanieren, eine steuerliche Begünstigung. Danach verhandelt man darüber, wie mit den anderen Mietformen und der Grunderwerbssteuer umgegangen wird.

"Muss zurück ins Museum"

Die Ausgangsposition der aktuellen Debatte: Die Richtwertmieten, die sich am Verbraucherpreisindex orientieren, würden ab 1. April um 8,6 Prozent steigen. Die Kategoriemieten steigen ohne Einigung ab Juli um 5 Prozent. Es geht um rund 375.000 Richtwert-Mietwohnungen, etwa 135.000 Kategoriemieten und etwa 400.000 Haushalte mit freien Mieten. Neben ÖGB und SPÖ fordert auch die Arbeiterkammer (AK) vehement eine Deckelung indexbasierter Mieten wie Kategorie- und Richtwertmieten - und auch der indexbasierten freien Mieten. Ganz anders der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria, der seinen Standpunkt am Mittwoch mit den Worten bekräftigte: "Die Mietpreisbremse muss zurück ins Museum."

Grundsätzlich kritisch verweist die Denkfabrik etwa darauf, dass es "Schicksal" für Mieter sei, ob ihre Wohnung überhaupt unter das Mietrechtsgesetz fällt und habe nur mit den Eigenschaften der Wohnung, nicht aber mit denen der Haushalte zu tun. "Wohnungsmarktpolitik ist die falsche Antwort auf eine sozialpolitische Frage", so Agenda-Austria-Ökonom Jan Kluge. Eine Mietpreisbremse würde zwar allen nützen, die bereits in regulierten Wohnungen leben und nie wieder umziehen wollen oder müssen. Langfristig würde darunter aber die Qualität und die Verfügbarkeit von Wohnraum leiden. Sozialpolitisch solle individueller geholfen werden.

"Immer mehr Hilferufe"

Bei den Kategoriemieten ergäbe sich die bereits vierte Erhöhung in 15 Monaten, um insgesamt mehr als 20 Prozent, zeigte sich der ÖGB alarmiert. "Uns erreichen immer mehr Hilferufe von besorgten Mietern und Mieterinnen, die sich vor der Delogierung fürchten, weil sie sich das nicht mehr leisten können", sagte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. 2022 gab ein Drittel der Menschen in Österreich an, Angst zu haben, sich die Wohnkosten nicht mehr leisten zu können. 

Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut wiederum schoss sich am Mittwoch auf die ÖVP-Forderung nach einem Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer als Junktim für eine Mietpreisbremse ein. Von einer Abschaffung der Grunderwerbsteuer profitiere ein Großteil der Haushalte beim Kauf des ersten Eigenheims gar nicht, zeige eine Momentum-Analyse.

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