In Österreich werden mehr LGBTIQ-Personen belästigt als im EU-Schnitt
Zwei junge Männer verlassen gegen 22:00 ein Kino in der Wiener Innenstadt. Sie sind ein Paar - allerdings deutet nichts darauf hin. In der Öffentlichkeit werden nie Zärtlichkeiten ausgetauscht. Sogar Händchenhalten beschränkt sich auf unbeobachtete Momente, die eigene Wohnung oder Lokale, die explizit LQBTIQ+-freundlich sind.
Trotzdem passiert, was viel zu häufig Realität ist. Sie werden beschimpft, ihnen wird Gewalt angedroht. Diskriminierung und Belästigung aufgrund der Identität oder sexuellen Orientierung ist für viele Menschen in Europa leider gelebte Realität.
LGBTIQ-Personen in Europa werden einer Umfrage zufolge häufiger mit Gewalt, Belästigungen und Mobbing konfrontiert als früher. Mit ihrer eigenen sexuellen Identität gehen Menschen hingegen offener um.
Das zeigt eine Online-Befragung von mehr als 100.000 Personen der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) in Wien, die am Dienstag vorgestellt wurde. Insgesamt lassen die Ergebnisse "Anzeichen für zögerliche Fortschritte erkennen", hieß es in einer Pressemitteilung.
Die Umfrage richtete sich an lesbische, schwule, bisexuelle, transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und queere Menschen (engl.: LGBTIQ) ab 15 Jahren. Zwischen Juni und August 2023 nahmen Personen aus den 27 EU-Ländern sowie Albanien, Nordmazedonien und Serbien teil. Sie beantworteten Fragen zu eigenen Erfahrungen, Rechten und Themen wie Bildung und Gesundheit.
Mehr als die Hälfte wird belästigt - mehr als 2019
- Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, innerhalb des vergangenen Jahres belästigt worden zu sein. Bei der letzten FRA-Umfrage 2019 hatte nur ein Drittel entsprechend geantwortet.
- Zwei von drei Personen seien laut Umfrage, in der Schule gemobbt worden. 2019 sagte dies noch die Hälfte.
- Gewalt hat etwa jede oder jeder Zehnte erlebt. Auch hier gab es einen leichten Anstieg gegenüber 2019.
Aus Angst nicht Händchen halten
Mit ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität gehen mehr als die Hälfte offen um.
Viele würden es dennoch aus Angst vermeiden, etwa in der Öffentlichkeit Händchen zu halten. "Die Diskriminierung von LGBTIQ-Personen nimmt zwar langsam ab, bleibt jedoch nach wie vor auf einem hohen Niveau", hieß es von der FRA. Schulen, Behörden und Gesundheitseinrichtungen würden mit dem Thema heute besser umgehen.
In Österreich Belästigungen häufiger
- In Österreich ist die Offenheit von LGBTIQ-Menschen höher als im europäischen Durchschnitt. 60 Prozent sagen hier, mit ihrer eigenen Identität offen umzugehen. In der gesamten EU sind es 51 Prozent.
- Allerdings kommen auch Belästigungen in Österreich öfter vor, als im Schnitt der Studie. 60 Prozent - gegenüber 54 Prozent in Europa - geben an, entsprechendes erlebt zu haben.
Konversionstherapien passieren in Österreich häufiger
Auch erschreckend: In Österreich geben 30 Prozent der Befragten mit Praktiken der Konversionen konfrontiert gewesen zu sein - also mit sogenannten "Therapien", die die Orientierung und Identität ändern - (heteronormativ) machen - soll.
Diese Praktiken, die häufig im kirchlichen Rahmen stattfinden, sind in Österreich nach wie vor nicht verboten. Justizministerin Alma Zadić hatte ein entsprechendes Gesetz für Juni 2023 angekündigt - scheitert aber KURIER-Recherchen zur Folge nach wie vor an der Blockade des Koalitionspartners ÖVP.
Seit Oktober 2022 liegt ein entsprechender Gesetzesentwurf zum Konversionstherapie-Schutzgesetz der Grünen bei der ÖVP. Knackpunkt dürfte KURIER-Informationen zufolge die Inklusion von Trans-Personen in den Schutz vor "Umpolungstherapien" sein.
Dazu heißt es aus dem Grün-geführten Sozialministerium: "Da Trans-Personen in hohem Ausmaß von sogenannten Konversionstherapien betroffen sind, sehen wir keinen Grund, sie aus dem Schutzgesetz auszuschließen. Wir warten weiter auf die Zustimmung der ÖVP"
Opposition ortet Nachholbedarf
Die SPÖ leitet aus den Umfrageergebnissen einen "massiven Nachholbedarf" ab. Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner betonte in einer Aussendung am Dienstag "die großen Baustellen in Österreich". Er sah die Bundesregierung gefordert und plädierte für einen Nationalen Aktionsplan gegen Hass und Gewalt. "Es darf im Jahr 2024 nicht zur Diskussion stehen, ob queere Menschen ein sicheres und selbstbestimmtes Leben führen können."
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