Die peinliche Affäre um 200.000 geleakte Mails
Der 15. Februar 2012 brachte politische Entscheidungsträger und das Management der damaligen Telekom Austria gehörig ins Schwitzen: Der damalige Aufdecker der Nation, Kurt Kuch, setzte die Öffentlichkeit davon in Kenntnis, dass ihm 200.000 E-Mails mit Korrespondenzen zwischen Telekom-Entscheidern und politischen Funktionären zugespielt worden waren. Der Telekom wurde vorgeworfen, mit finanziellen Zuwendungen Einfluss gekauft zu haben.
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„Zugesagt“
Die Korrespondenzen waren zu dem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre alt. Etwa jenes Mail aus 2007, in dem ein ehemaliger Organisationsreferent der ÖVP mit einem Telekom-Manager darüber schrieb, man habe über einen Lobbyisten 100.000 Euro „an die ÖVP-Bundespartei für 2007 zugesagt“. Kuch veröffentliche Auszüge daraus im Magazin News.
Auch um Sponsoring für einen Bundesparteitag wurde intern ersucht.
Der Organisationsreferent, der später selbst in die Telekom wechselte, "Ich möchte noch als ÖVP-Mitarbeiter mit einer Sponsoringbitte an dich herantreten", schrieb er.
Auch die SPÖ war blamiert
Die Telekom sponserte einen Vertrauten des damaligen Bundeskanzlers Alfred Gusenbauer, damit der auf den Regierungschef in Telekom-Anliegen einwirke. Die entsprechende Korrespondenz fand sich in den geleakten E-Mails.
Die Folge: E-Mails als Mittel der vertraulichen Kommunikation (noch dazu unverschlüsselt) waren in der Spitzenpolitik auf Jahre hinaus abgemeldet – zu groß die Gefahr, dass alte Server vom politischen Gegner in der Öffentlichkeit ausgeschlachtet würden. Über SPÖ-Kanzler Werner Faymann (2008-2016) etwa kursierte die Anekdote, er habe in seiner Amtszeit überhaupt kein Mail verfasst, um sich nicht angreifbar zu machen.
Der Aufstieg der Messengerdienste
Im stressigen Geschäft der Spitzenpolitik blieb es dennoch unrealistisch, sich für jede diskrete Absprache zu einem Vier-Augen-Termin oder Telefonat zurückzuziehen. Mit dem Aufstieg der Messengerdienste WhatsApp und Signal fanden danach Viele das Kommunikationsmittel ihrer Wahl: Verschlüsselt, schnell und unabhängig von lästigen lokalen Mailservern, die irgendwann von den falschen Akteuren ausgewertet werden können, wurde emsig hin und hergechattet.
Im Prinzip eine sichere Methode: Würden Handys in falsche Hände fallen: Kein Problem, denn diese sind hochverschlüsselt. Und wer sein Mobiltelefon abgab (oder abgeben musste), konnte mit einer Rücksetzung auf die Werkseinstellungen samt Löschung aller Daten sicher gehen, dass keine lästigen Informationen ausgelesen würden. Außer: Man erstellte ein Backup. Lokal gespeichert auf der privaten Festplatte.
So geschehen war dies im Falle jenes Mannes, der im Zentrum der Affären in der Regierungszeit Sebastian Kurz stehen sollte: Thomas Schmid, manischer Strippenzieher, hatte zuhause eine mit dem WLAN verbundene Festplatte stehen, die regelmäßig Backups seines Smartphones erstellte – drahtlos und automatisch. Ob Schmid darauf vergessen hatte oder nicht ahnte, was die Staatsanwaltschaft mit dem Datentrager anzufangen wüsste, ist ungeklärt. Fest steht: Alle Whatsapp, die er in seiner Amtszeit verschickte, wurden gesichert. Und beschäftigten fortan U-Ausschuss und dominierten die Schlagzeilen.
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Wird jetzt also noch diskreter kommuniziert?
Die vergangene Woche legt nahe, dass das Pendel in Sachen Vorsicht zurückschwingt: Der Meinungsforscher Günther Ogris vom Institut SORA verschickte ein Strategiepapier der SPÖ nicht nur per Mail, sondern versehentlich auch an einen riesigen externen Verteiler. Der Skandal war perfekt – und der ORF trennte sich von seinem bewährten Hochrechner für Wahlabende.
Die ÖVP legte nach und verschickte Planspiele für einen U-Ausschuss (der auch auf den eigenen Koalitionspartner abzielte) munter per Mail. Auch diesmal galt: Unverschlüsselt und unbedacht. Denn statt an einen Mitarbeiter im Klub ging das Papier an den NEOS-Abgeordneten Helmut Brandstätter, dessen ähnlicher Namen wohl in Kombination mit der Auto-Vervollständigung im Mailprogramm für die peinliche Panne sorgte.
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