Gewessler im ORF-Sommergespräch: "Die Klimaschützer sind die Dummen"

Als Klimaschutz-Ministerin war sie das am meisten polarisierende Mitglied der türkis-grünen Regierung. Als erst kürzlich gekürte grüne Parteichefin war Leonore Gewessler zum ersten Mal bei den ORF-Sommergesprächen zu Gast.
Wie hat sich Machtverlust ausgewirkt, wollte Moderator Klaus Webhofer gleich als erstes wissen.
„Es ist natürlich eine Veränderung, aber eine große Freude, als neue Parteichefin hier zu sitzen“, so Gewessler. „Ich werde diese Aufgabe mit derselben Energie wie als Ministerin ausfüllen.“ Neben der FPÖ, die alles kurz und klein hauen wolle, sei man die einzige konstruktive Opposition.
Gewessler im ORF-Sommergespräch: Grüne nicht schuld am Defizit
Dass sie einen Anteil habe, dass die Grünen nicht mehr in der Regierung sitzen, weist sie zurück: „Die ÖVP hat sich schlicht ausgerechnet, mit wem sie ihr Programm am leichtesten durchbekommt. Etwa den Bundestrojaner.“ Neos und SPÖ seien dabei umgefallen.
Erneut betont, sie, dass bei den Grünen in den vergangenen Jahren das Zuhören zu kurz gekommen sei. Es gebe Menschen, die glauben, man könne als Auto-Besitzer nicht Grün wählen. „Da müssen wir entgegenhalten.“ Es gehe darum, Träume, Sorgen und Ängste in konkrete Politik umzusetzen.
Sehr wohl sei sie auch kompromissfähig. Sonst hätte man Projekte wie das Klimaticket nicht umsetzen können.
Gewessler zu Budgetloch und Wirtschaftskrise
"Unsägliche Teilzeit-Debatte"
In ihrer neuen Rolle werde man von ihr auch viel mehr zu anderen Themen hören. Etwa zur „unsäglichen Teilzeit-Debatte“, in der der Wirtschaftsminister den Frauen, die Kinder betreuen, vorwerfe, faul zu sein. Dabei habe die ÖVP verabsäumt, die Kinderbetreuung auszubauen.
Es brauche einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung vom ersten Lebensjahr an und ein Recht auf Aufstocken für Teilzeit-Beschäftigte, die regelmäßig Mehrstunden leisten.
Dass die Grünen mitverantwortlich für die schlechte Wirtschaftslage in Österreich seien, lasse sie sich nicht umhängen, betont Gewessler. Das Problem liege anderswo: 2022 sei man extrem abhängig vom russischen Gas gewesen. Die Grünen hätten dafür gesorgt, dass man als dieser Misere rauskomme.
Auch die hohen Förderungen seien nicht schuld daran gewesen. „Das Programm zum Tausch der Heizungskessel war ein sehr gutes.“ Früher gebraucht hätte man aber die Mietpreisbremse. „Man darf auch in diesen Fragen gescheiter werden.“
Niedrige Energiepreise - niedrige Lebensmittelpreise
Die von Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) angestoßene Debatte um Lebensmittelpreise begrüßt sie, sieht aber keine Vorschläge. Ihrer lautet: Druck auf die Energiegesellschaften ausüben, die Milliarden an Übergewinnen gemacht hätten. „Denn ohne Energie kann man auch keine Butter produzieren.“
Die Kritik am Klimabonus weist sie zurück: „Ich habe als erste in der Republik eine Umweltförderung sozial gestaffelt. Dazu stehe ich.“ Jetzt seien die Klimaschützer wieder die Dummen. Die Regierung schraube nun viele Maßnahmen zurück, ohne Alternativen zu bieten.
Gewessler zu Klimaförderung
Migration: Menschlichkeit und Ordnung
In der Migrationspolitik gelte für die Grünen das Prinzip Menschlichkeit und Ordnung. Österreich habe seine Hilfsbereitschaft bewiesen, könne aber nicht alles allein stemmen. Hier brauche es europäische Solidarität – und eine Kontrolle der Außengrenzen.
Natürlich müssten die Alarmglocken läuten, wenn Kinder mit zu wenig Deutschkenntnissen aus den Schulen kämen. Daher brauche es mehr Deutschförderkräfte, ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr und eine bessere Verteilung der Schüler. „Der jetzige Bildungsminister spricht von einem Notstand an den Schulen, den er als Stadtrat in Wien selbst generiert hat.“
Bald landete das Gespräch wieder beim Klimaschutz: Das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz erfordert eine Zwei-Drittel-Mehrheit. „Aber so wie es am Tisch liegt, werden wir nicht mitstimmen, weil hier wieder die Klimaschützer die Dummen sind.“ Etwa, indem private Stromerzeuger für das Einspeisen ins Netz bezahlen müssten.
Sie fordert einen „nationalen Schulterschluss“ für günstige heimische Energie, etwa 100 Prozent erneuerbare Energie ab 2030. Oder die Schaffung eines Fonds, um den Netzausbau voranzutreiben. "Denn jetzt ist das Netz auf dem Niveau von Windows 95."
Druck auf Israel
Zum Nahostkonflikt sagt sie: „Die Hamas ist eine Terrororganisation. Die humanitäre Situation in Gaza ist aber untragbar. Wir stehen zu Israel, fordern aber auch, dass das EU-Assoziierungsabkommen ausgesetzt wird, um den Druck zu erhöhen.“
Mehr Geld fürs Bundesheer
Wie geht es der selbsternannten Friedenspartei mit dem europaweiten Ruf nach Aufrüstung? „Ja, Frieden muss verteidigt werden. Gerne würde ich das Geld für das Bundesheer woanders investieren, aber wir müssen uns selbst verteidigen können, Die Welt um uns hat sich verändert. Natürlich ist das für uns Grüne nicht leicht.“
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