Lehrplanreform "denkbar ungeeignet"

Lehrplanreform "denkbar ungeeignet"
Am Montag endete die Begutachtung für die neuen Lehrpläne. Besonders die Ideen zur "wirtschaftlichen Bildung" werden scharf kritisiert.

Es gibt sie – Maria Theresia sei Dank – seit 1774: die Schulpflicht. Damals betrug sie nicht neun, sondern sechs Jahre. Doch nicht nur die Dauer, sondern auch die Inhalte des Schulbetriebs haben sich seither stark geändert.

Im Schnitt werden die Lehrpläne alle zehn Jahre überarbeitet. Und kürzlich haben Experten des Bildungsministeriums neue Lehrpläne erstellt, die ab 2023 gelten sollen; am Montag endete die Frist für Stellungnahmen.

Thematisch neu sind dabei unter anderem die Pläne zur "Financial literacy", also zum Wirtschafts- und Finanzwissen. Und allein die Tatsache, dass der "Schuldenreport" bei den Unter-30-Jährigen eine durchschnittliche Verschuldung von mehr als 30.000 Euro ergibt, ist Grund genug, dem Wirtschafts- und Finanzwissen im Lehr-Kanon mehr Platz einzuräumen.

Nicht öffentlich

Da die neuen Lehrpläne vom Bildungsminister als "Verordnung" verabschiedet werden, gibt es keine Begutachtung wie bei Gesetzen. Das hat dazu geführt, dass nicht alle namhaften Institutionen Stellungnahmen abgeben konnten – und dass Stellungnahmen nicht öffentlich sind.

Schnippisch bemerkt, könnte man meinen, dass dies dem Bildungsministerium gar nicht so unrecht sein wird. Denn was beispielsweise den Themenkomplex des ökonomischen Basiswissens angeht, waren die Stellungnahmen teils vernichtend: „In seinen wirtschaftsbezogenen Teilen ist der Lehrplanentwurf (..) fachlich erstaunlich substanzlos. Unter den sechs als zentral ausgegebenen fachlichen Konzepten befindet sich kein einziges ökonomisches Konzept“, heißt es in einem Befund, den Uni-Professoren der „wirtschaftspädagogischen Forschungs- und Lehreinheiten“ von der WU-Wien bis zur Uni Innsbruck, Linz und Graz abgegeben haben. Oder: "Aus Sicht des Departments Volkswirtschaft ist der vorliegende Lehrplanentwurf für "Geographie und wirtschaftliche Bildung" als Grundlage für dieses Unterrichtsfach denkbar ungeeignet, da er aufgrund fehlender Inhalte aus ,wirtschaftlicher Bildung’ die Hälfte seines Gegenstands vernachlässigt."

Selbst die Arbeiter- und die Wirtschaftskammer sowie die Industriellenvereinigung orten "Nachbesserungsbedarf": "Leider sind in den vorliegenden Entwürfen keine tiefergreifenden Veränderungen vorgesehen. So hätte sich ein Aufbrechen des starren Fächerkanons angeboten."

Mini-Schrauben

Nicht überraschend, fällt die Kritik der Opposition schärfer aus: "Typisch ÖVP: Nach Krisen der Sonderklasse sind die Antworten, die sie im Bildungssystem geben will, wieder nur ein Drehen an Mini-Schrauben", sagt die Bildungssprecherin der SPÖ, Petra Tanzler.

Bei den Neos sieht Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre die Reform ebenfalls als 2nicht genügend": "Jeder junge Mensch soll ein solides ökonomisches Basiswissen erwerben. Das hilft, ein unabhängiges Leben zu führen."

Beim Koalitionspartner ist man – noch – entspannt. Man habe die neuen Lehrpläne bewusst von Experten erstellen lassen. "Das ist keine Frage, die auf der politischen Ebene beantwortet wird, sie wird in Fachgruppen entschieden", sagt Bildungssprecherin Sibylle Hamann. Die Grünen verteidigen die neue Kompetenz-Orientierung in den Lehrplänen. "Auch die Tatsache, dass vieles fächer-übergreifend formuliert ist, halten wir für sinnvoll." Dass nicht jedes Thema taxativ aufgelistet werde, sei der Vorgabe geschuldet, dass die Lehrpläne möglichst knapp formuliert sein sollen.

Das Ministerium hält sich in einer ersten Reaktion bedeckt: Es sei nun ein "breiter Diskussionsprozess" gestartet worden – die Stellungnahmen würden jetzt geprüft.

Kommentare