ÖVP-Chef provoziert seine eigene Gewerkschaft

APA5814578 - 08112011 - WIEN - ÖSTERREICH: Bundeskanzler Werner Faymann, GÖD-Vorsitzender Fritz Neugebauer und Vizekanzler Michael Spindelegger während des 16. Bundeskongresses der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst am Dienstag, 8. November 2011, im Austria Center Vienna. APA-FOTO: ROBERT JAEGER
Spindelegger: Lehrer sollen 26 Stunden pro Woche an Schulen anwesend sein. Chef-Gewerkschafter empört.

Des Kanzlers Plan war folgender: Noch einmal versuchen Gewerkschafter und Unterrichtsministerin Claudia Schmied, in Sachen Lehrerdienstrecht handelseins zu werden. Gelingt das auch am 3. Juli, beim 29. Verhandlungstermin nicht, schaltet sich Werner Faymann ein.

ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger will ihm zuvorkommen. In der ORF-Pressestunde (mehr dazu hier) hat er angekündigt, sich kommende Woche mit den Gewerkschaftern zusammenzusetzen, um doch noch vor der Wahl etwas zustande zu bringen. Der ÖVP haftet ja der Blockierer-Makel an. Spindeleggers Parteifreund, Beamtengewerkschaftsboss Fritz Neugebauer, und ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter sind am Donnerstag ebenfalls mit von der Partie. „Wenn Werner Faymann will, lade ich ihn dazu gerne ein“, sagte Spindelegger.

Der Regierungschef wird nicht zugegen sein. Dieser bleibe dabei, heißt es aus seinem Büro: „Wir warten die Verhandlung am 3. Juli ab. Gibt es auch da kein Ergebnis, wird der Kanzler Gespräche mit der Lehrervertretung suchen.“ Das wird wohl nötig sein. Spindelegger hat sich gestern nämlich auch inhaltlich positioniert.

Mehr Schul-Zeit

Von den Regierenden vorgesehen war, künftige Lehrer zu 24 Wochenstunden Unterricht zu verpflichten (derzeit sind es 20 bis 22). Spindelegger will längere „Präsenzpflicht“. 26 Stunden sollten Pädagogen in der Schule sein – dafür anfangs mehr Gage bekommen als bisherige Einsteiger.

Das von der Gewerkschaft geforderte Unterstützungspersonal (für Verwaltung etc.) will Spindelegger zugestehen, er sagt aber: „Was ich mir an Bürokratie erspare, muss in den Unterricht fließen – nicht in mehr Freizeit.“ Den Dienstrechtsentwurf von Schmied sowie den Ministerinnen Gabriele Heinisch-Hosek und Fekter vom Mai 2012, Basis der Verhandlungen, tat Spindelegger als Schmieds Alleingang ab. Dieses Papier „gehört jedenfalls überarbeitet“.

ÖVP-Chef provoziert seine eigene Gewerkschaft
Interview mit Lehrergewerkschafter Paul Kimberger am 07.11.2012
Den obersten Lehrergewerkschafter, Paul Kimberger (Bild), empört Spindeleggers 26-Schul-Stunden-Ansage. „Anscheinend ist die Nervosität in der Regierung wegen der Nationalratswahl so groß, dass es den Wettlauf gibt: Wer bietet mehr?“, sagte Kimberger dem KURIER. „Ich bin nicht bereit, eine Diskussion zu führen, die aufbaut auf Meinungen und Klischees. Das Ganze muss auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt werden. Ich verlange eine Studie über die Arbeitszeit der Lehrer. Eine Arbeitszeiterhöhung kommt für mich nicht in Frage.“ Und: „Wer von höherer Präsenzpflicht spricht, sollte den Lehrern gut ausgestattete, moderne Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.“

Klasse statt Kammerl

Ministerin Schmied missfällt Spindeleggers Begehren aus einem anderen Grund. „Reine Anwesenheitsverpflichtung ist nicht im Sinne der von der Regierung festgelegten Punktation für ein leistungsorientiertes Dienstrecht“, verlautet aus ihrem Büro. Lehrer sollten „nicht im stillen Kämmerlein Aufgaben korrigieren. Sie sollen mehr Zeit mit den Schülern verbringen – in den Klassenzimmern.“

Ein weiterer Sager Spindeleggers ging wegen der Aufregung um das Dienstrecht fast unter: Er kann sich vorstellen, dass es für das Gymnasium wieder eine Aufnahmeprüfung gibt.

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