Lehrerdienstrecht, bitte warten

Lehrerdienstrecht, bitte warten
SPÖ und ÖVP drücken sich davor, das Gesetz vor der Herbst-Wahl zu beschließen.

Nach langem Ach und Weh hat die Regierung das Paket abgeschickt. Sechs Wochen lang können 50 Organisationen und Interessensvertretungen den Gesetzesentwurf zur Lehrerdienstrechtsreform begutachten – und ihn bewerten.Rot und Schwarz demonstrieren: Wir lassen uns von der Gewerkschaft nicht am Nasenring vorführen; die sagen ja nach 33 Verhandlungsrunden noch immer Nein.

„Wir haben eine neue Lehrer-Ausbildung beschlossen, daher brauchen wir auch ein neues Dienstrecht. Daran führt kein Weg vorbei“, befand ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger nach dem gestrigen Ministerrat. Auch SPÖ-Kanzler Werner Faymann wollte Führungsstärke signalisieren: „Wir lassen keinen Zweifel daran, dass uns dieses Lehrerdienstrecht wichtig ist. Wir wollen einen Beschluss im Herbst.“

Heißt das, die Reform wird vor der Wahl am 29.September beschlossen? Ohne Sanktus der Gewerkschaft? Faymann: „Das Datum kann ich noch nicht sagen. Es müssen ja die Stellungnahmen aus der Begutachtung eingearbeitet werden.“ Im Klartext bedeutet das: Die jetzige Koalition will das leidige Thema aus dem Wahlkampf weghaben. Sie reicht es an die nächste weiter; damit wohl an sich selbst. SP-Bildungsministerin Claudia Schmied spricht das auch aus: „So weit ist eine Regierung noch nie gekommen. Es ist ein jahrelang vorbereiteter Entwurf. Eine kommende Regierung wird mit Freude darauf zurückgreifen.“

Dabei wollte Faymann die neuen Spielregeln noch vor der Wahl fixieren. Spindelegger wollte das nicht: wegen der ÖVP-dominierten Beamtengewerkschaft mit Fritz Neugebauer an der Spitze. Und so einigten sich Rot und Schwarz auf die sechswöchige Begutachtung. Die hat für die ÖVP den angenehmen Nebeneffekt: Der Beschluss geht sich vor der Wahl nicht aus. Der neue Nationalrat könnte die Reform beschließen, sobald er sich konstituiert hat (dazu ist keine neue Regierung nötig). das ist vermutlich schon im Oktober. Bevor die neue Regierung steht, wird das aber wohl nicht passieren.

Allein dass die Regierung das Gesetz in Begutachtung schickt, empört die Gewerkschafter. Sie drohen mit „klaren Reaktionen“. Von Streik reden sie noch nicht. ÖGB-Boss Erich Foglar spricht von einer „unüblichen Vorgangsweise“. Und hofft, „dass sie im öffentlichen Dienst nicht Schule macht“.

Den ersten Gesetzesentwurf zum Lehrerdienstrecht gab es im März 2012. Seither hat die Regierung mehrfach nachgebessert. Auch im aktuellen Gesetzesentwurf finden sich neue Zugeständnisse: Zählten Betreuungsstunden am Nachmittag bisher nicht als volle Unterrichtseinheit, sollen künftig alle geleisteten Lehrerstunden gleichwertig sein. Weiters soll jenen, die zuvor einen anderen Job hatten, bis zu zwölf Jahre an Vordienstzeiten angerechnet werden.

Lehrerdienstrecht, bitte warten

Je nach Schulgröße sollen Schulleiter eine monatliche Zulage zwischen 600 und 1650 Euro erhalten. Ab zehn Lehrern soll es eine Freistellung geben. Bei Kleinschulen sollen Direktoren auch mehrere Schulen leiten dürfen.

Seit 2001 ist ein Lehrerdienstrecht auf der Agenda jeder Bundesregierung. Wir haben es gemeinsam geschafft", sagt Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) am Dienstag vor Journalisten im Bundeskanzleramt. Es sei ein Konvolut von 75 Seiten, das nun in eine sechs Wochen lange Begutachtungsfrist gehe. Die Regierung will dennoch weiter mit der Lehrergewerkschaft verhandeln - diese kündigt hingegen eine "klare Reaktion" an. Differenzen zwischen den Verhandlungspartnern gab es zuletzt vor allem bei den Themen Gehalt und Arbeitszeit sowie - damit auch verbunden - beim zur Entlastung der Lehrer nötigen Unterstützungspersonal.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat am Dienstag dennoch mit Nachdruck betont, dass es der Regierung ernst sei mit der Reform des Lehrerdienstrechts. "Wir wollen einen Beschluss im Herbst und lassen keinen Zweifel daran, dass uns dieses Lehrerdienstrecht wichtig ist", sagte er im Pressefoyer nach dem Ministerrat.

Das neue Dienstrecht sei ein wesentlicher Teil zu einem "Gesamtprogramm zur Verbesserung der Schulen", erklärte er. Es sei "wichtig, dass die Regierung ein Vorhaben vorantreibt".

Grüne geben Entwurf keine Chance

Lehrerdienstrecht, bitte warten
Head of the Austrian Greens Eva Glawischnig listens during an interview with Reuters in Vienna August 6, 2013. REUTERS/Heinz-Peter Bader (AUSTRIA - Tags: POLITICS)
Die Grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig hält es hingegen für denkunmöglich, dass der nun in Begutachtung geschickte Entwurf eine tatsächliche Chance auf Realisierung hat. In einer Pressekonferenz am Dienstag forderte sie eine deutliche Verkürzung der Begutachtungsfrist und ernsthafte parlamentarische Verhandlungen noch vor der Nationalratswahl. Mit Galgenhumor kommentierte sie die Blockadehaltung der Beamtengewerkschaft: "Ich wünsche mir eine Garantieerklärung vom Bundeskanzler, dass (ÖVP-Gewerkschaftschef, Anm.) Fritz Neugebauer nicht Bildungsminister wird."

Eine "klare Reaktion" der Gewerkschaft kündigt der Verhandlungsführer der Lehrergewerkschaften, Paul Kimberger, an. "Ich denke, dass sich eine Gewerkschaft das nicht gefallen lassen wird", so Kimberger zur APA. Welche Maßnahmen das sein könnten, werde man in den Gremien besprechen. Gleiches gelte für den Wunsch der Regierung, trotzdem weiter zu verhandeln.

"Man schickt etwas ohne Zustimmung in Begutachtung und will dann weiter verhandeln - das entspricht einem Krankheitsbild."

Das Vorgehen der Regierung sei "eigenartig und meinem Informationsstand nach auch einzigartig". Sie habe damit den Weg der Sozialpartnerschaft verlassen: "Das ist für mich sehr bedauerlich", betonte Kimberger. Gleichzeitig müsse man dies aber nun zur Kenntnis nehmen. Es gelte jetzt, den bisher nicht praxistauglichen Gesetzesentwurf samt Erläuterungen zu analysieren. Nach einer ersten Lektüre des Textes seien die Hauptknackpunkte bei den Verhandlungen aber noch immer nicht gelöst.

Wahl als Grund für Vorgangsweise?

Die Vorgangsweise der Regierung sieht Kimberger im Zusammenhang mit der Nationalratswahl. "Da ist die Nervosität in allen Bereichen groß." Nachdem die Regierung ein Jahr lang nicht wirklich ernsthaft mit allen Gewerkschaften verhandelt habe, sei der Zeitraum für die erst vor wenigen Wochen wirklich ins Laufen gekommenen Gespräche zu kurz gewesen. "Daher ist jetzt die Panik ausgebrochen."

Kimberger hofft, dass "die Absichtserklärungen der Regierung zur Sozialpartnerschaft keine Lippenbekenntnisse sind" und plädierte für eine "Abrüstung der Worte": "Die Formulierung, dass man jemanden aus dem Weg räumen muss, ist eines Bundeskanzlers nicht würdig."

Auch der Vorsitzende der AHS-Lehrergewerkschaft, Eckehard Quin, ortet einen "Kulturbruch": "Die Regierungsseite hat einen sozialpartnerschaftlichen Dialog aufgekündigt." Zum Verhandlungsangebot der Regierung meinte er: "Die Gewerkschaft verhandelt immer - aber ganz rational ist das nicht: Man schickt etwas ohne Zustimmung des Verhandlungspartners in Begutachtung und will dann weiter verhandeln - normalerweise entspricht das einem Krankheitsbild."

Auch die FPÖ sieht reine Wahltaktik: "Die Regierung hat fünf Jahre für Verhandlungen Zeit gehabt und absolut nichts weitergebracht", so Bildungssprecher Walter Rosenkranz in einer Aussendung. "Dass jetzt alles in nur sechs Wochen, noch vor der Nationalratswahl durchgepresst werden soll, ist der Beweis dafür, dass es SPÖ und ÖVP hierbei allein um Wahltaktik geht und nicht um eine solide, dauerhafte Lösung." Wenn sich nach den Wahlen der Rauch wieder gelegt habe, werde erst recht wieder verhandelt werden müssen - "zum Schaden aller Beteiligten".

Es war ein feucht-kalter Dezembertag des Jahres 1774, draußen vor der Wiener Hofburg fielen die ersten Schneeflocken. Drinnen, bei der Kaiserin, diskutierten ihr Sohn, der 31-jährige Josef, und der Augustinermönch Johann Felbiger über die Einführung der Schulpflicht. Nicht zu lange sollte sie dauern, die Kinder mussten ja weiter am Feld arbeiten. Und zu gescheit sollten die Jungen auch nicht werden, die Gedanken der Aufklärung, die anderswo schon laut wurden, brauchte ja wirklich niemand im Habsburger Reich. Also einigte man sich auf sechs Jahre Schulpflicht und lange Sommerferien.

Knapp hundert Jahre später mussten die Kinder dann acht Jahre in die Schule gehen, wieder hundert Jahre später kam noch ein Jahr dazu. Seither diskutieren wir über Gesamt- und Ganztagsschulen, über kürzere Sommerferien und längere Lehrverpflichtungen.

Wir führen Diskurse, die vielleicht in das 18. oder 19. Jahrhundert passen. Aber das, worum es geht, interessiert (fast) niemanden: Wie werden die Kinder auf ein Leben vorbereitet, das kompetitiver, internationaler, schwieriger, aber auch aufregender sein wird als das der meisten Lehrer?

Unser Bildungssystem ist bestenfalls mangelhaft. Was würde ein Unternehmen machen, dessen Produkt schlecht ist, dessen Kosten zu hoch sind und dessen Image bescheiden ist? Es würde die Kosten überprüfen und ein neues Produkt entwickeln.

Analyse der Stärken und Schwächen

Jetzt alle Schuld den Lehrern oder ihren Gewerkschaftern anzulasten, ist allzu billig. Auch die Bildungsministerin hat versagt und mehr Energie und Steuergeld am Boulevard verteilt, um sich positive Berichterstattung zu sichern, als Gedanken in ein neues Bildungssystem investiert. Immerhin hat sich Vizekanzler Spindelegger vom Beamtenchef Neugebauer emanzipiert und hat via KURIER einer Begutachtung des neuen Lehrerdienstrechts zugestimmt. Respekt. Aber das kann nur ein erster Schritt sein. Es geht um die große Bildungsreform.

Eine Analyse der Stärken und Schwächen ist schnell gemacht. Da gibt es viel Vorarbeit bei den Sozialpartnern, den Lehrern oder dem Bildungsvolksbegehren.

Wir müssen aufhören, die Schule der Maria Theresia zu reformieren, wir müssen die Schulen für das 21. Jahrhundert gründen: vielfältig, flexibel, innovativ.

Wenn sich die neue Regierung dazu bekennt, erledigen sich viele Streitpunkte von selbst. Oder würde heute jemand wirklich ernsthaft behaupten wollen, dass Schulen nur vormittags unterrichten sollen? Könnte irgendjemand erklären, dass im Sommer mehr als zwei Monate Ferien sinnvoll sind? Oder würde man heute Schulen ohne Arbeitsplätze für Lehrer oder Klassenzimmer für Frontalunterricht bauen?

Wieder eine kleine Schulreform wird nicht reichen, wenn uns unsere Kinder wirklich so wichtig sind wie den Politikern in ihren Sonntagsreden.

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