Lawrow in Wien: "Dann kommen Sie doch auf die Krim und schauen selbst"

Lawrow in Wien: "Dann kommen Sie doch auf die Krim und schauen selbst"
Der Wien-Besuch von Russlands Außenminister Sergej Lawrow war von der Katastrophe in Afghanistan und dem Konflikt mit der EU geprägt.

Bei einer Zigarette kommt man mit Sergej Lawrow am besten ins Reden: Das durfte einst Kurzzeit-Außenministerin Karin Kneissl erfahren, und das waren wohl auch die entspanntesten Momente, die Alexander Schallenberg an diesem Mittwoch in Wien mit dem russischen Außenminister hatte. Beim Heurigen in Nussdorf und beim Rauchen hatten die beiden Amtskollegen Zeit, um noch einmal formlos die Streitthemen zwischen Russland, Österreich und dem Westen im Ganzen durchzugehen.

Und das sind derzeit so einige. Der österreichische Außenminister ist gerade erst zurück von einer Reise in die Ukraine, zur pompösen Gründung der sogenannten Krim-Plattform. Dort hatten Dutzende Spitzenpolitiker aus der ganzen Welt wieder einmal die Besetzung der Schwarzmeer-Halbinsel durch Russland im Jahr 2014 verurteilt.

Bosheiten über Ukraine

Lawrow, der schon zuvor wegen der Veranstaltung alle diplomatische Zurückhaltung aufgegeben und von einem „Hexensabbat“ gesprochen hatte, nützte auch seinen Wien-Besuch, um seinem Ärger vor der Presse Luft zu machen. Diese Krim-Plattform sei nichts als ein „Schauspiel“ und „keine richtige Politik“. Unüberhörbar auch Lawrows Verachtung für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Der würde einen ja ständig mit seinen seltsamen Ideen „erfreuen“ und sogar Feiertage für seine nationalistischen Ideen missbrauchen.

Lawrow lud seinen Kollegen, Schallenberg, ein, er solle doch persönlich mit einer Delegation auf die Krim kommen  und sich von den Zuständen und der Lage der Menschenrechte dort überzeugen. Der Österreicher lehnte freundlich, aber sehr bestimmt ab.

Überhaupt war Schallenberg bemüht, die Offenheit und den freundschaftlichen Grundton der Gespräche zu betonen. In den Streitfragen aber blieb er unbeirrt und zumindest vor der Presse hart. Die Besetzung der Krim nannte er „illegal“, forderte die sofortige und bedingungslose Freilassung des inhaftierten Oppositionellen Alexej Nawalny und sprach von einem „Tiefpunkt“ der Beziehungen Russlands zur EU. Es gebe „gravierende Differenzen“.

Dass es um diese Beziehungen tatsächlich schlecht steht - zumindest darauf konnten sich die Außenminister einigen. Lawrow, der dafür natürlich Brüssel und die „Eindämmung Russlands“ verantwortlich machte, nannte diese „desolat“.

Spott bei Afghanistan

Offensichtlich weniger Streit gab es beim Thema, das beide als das derzeit wichtigste bezeichnen: Afghanistan. Russland hat inzwischen ebenfalls Evakuierungsflüge aus dem Land gestartet und ist außerdem dabei, die ohnehin bestehenden Kontakte zu den Taliban zu verstärken. Lawrow, dessen Land ja bereits vor mehr als 30 Jahren ebenfalls geschlagen aus Afghanistan abziehen musste, konnte sich einen spöttischen Unterton nicht verkneifen. Das alles sei eben die Konsequenz aus den „Abenteuern der NATO-Länder. Man darf sich eben nicht in fremde Angelegenheiten einmischen“.

Schon das vertraute Duwort, auch vor der Presse, machte trotzdem deutlich, dass die beiden Außenminister zumindest eine solide Gesprächsbasis haben. Schallenberg sprach von „unaufgeregter Zusammenarbeit“. Lawrow wiederum unternahm einen Ausflug in die Geschichte, um zu zeigen, wie lange die beiden Länder schon freundschaftliche Beziehungen pflegen. Der Habsburgerkaiser Joseph II. habe Zarin Katharina einst auf der Krim besucht. Dass Joseph sich dort schon damals über den Zustand der Menschenrechte empörte, ließ Lawrow allerdings unerwähnt.

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