Lauschangriff und Videoüberwachung: Was der Staat schon alles weiß

Lauschangriff und Videoüberwachung: Was der Staat schon alles weiß
Der Staat hört längst mit und schaut überall zu. Derzeit prüfen die obersten Verfassungshüter, ob er das überhaupt darf.

Mal ehrlich: Was haben Sie eigentlich alles zu verbergen?

Die Chancen sind hoch, dass der Staat es schon weiß.

Vor zehn Monaten hat die Bundesregierung ein „Sicherheitspaket“ beschlossen, das höchst umstritten bleibt. Es wird derzeit von der Opposition beim Verfassungsgerichtshof bekämpft und auch von der Rechtsanwaltskammer heftig kritisiert, weil „über die Maßen in die Grundrechte eingegriffen“ werde. Nun tobt seit Wochen auch noch ein Streit über die „Sicherungshaft“.

Die Regierung argumentiert, dass gefährliche Menschen – in diesem Fall Asylwerber – in Haft („adaptierte Schubhaft“) genommen werden können. Die Opposition, und nicht nur die, warnt vehement vor einer Präventivhaft als Angriff auf die persönlichen Grund- und Freiheitsrechte. Allerdings hat Belgien eine Sicherungshaft längst beschlossen – und bekam dafür grünes Licht vom Europäischen Gerichtshof.

Die Marschrichtung hin zu mehr Sicherheit auf Kosten der Freiheit folgt einem internationalen Trend, der nicht zuletzt der Terrorbekämpfung geschuldet ist. Die Befugnisse des US-Heimatschutzministeriums sind seit bald 20 Jahren weitreichend und wurden auch unter Präsident Obama ohne großes Aufsehen verlängert. Auch in Großbritannien oder Frankreich wurden der Exekutive zum Schutz vor dem Terror längst deutlich mehr Möglichkeiten zur Überwachung und Strafverfolgung ermöglicht – immer auf Kosten der Freiheit der Bürger.

„Stasi-Methoden“

In Österreich begründet die Bundesregierung die Überwachungsgesetze und die Grundrechtseingriffe mit der Verbrechensbekämpfung. Bemerkenswert war dabei die Kehrtwende von Innenminister Herbert Kickl. Als Oppositionspolitiker hatte er die Pläne der Volkspartei zum Ausbau der Überwachungsmöglichkeiten im Wahlkampf 2017 noch massiv bekämpft, als Stasi-Methoden bezeichnet und der ÖVP „autoritäre Denkmuster“ unterstellt. Als Innenminister der „Freiheitlichen“ wurde er dann zum Befürworter der Maßnahmen. Schließlich sei er als Ressortchef für den „größtmöglichen Schutz der Bevölkerung“ verantwortlich, argumentiert er. „Vom liberalen Rechtsstaat zu einem polizeilichen Überwachungsstaat“ – so warnte der ehemalige ÖVP-Justizsprecher Michael Ikrath noch im April seine ehemaligen ÖVP-Klubkollegen vor der Abstimmung im Parlament – vergebens.

Die von Türkis-Blau beschlossenen Gesetze betreffen eine Ausweitung der Videoüberwachung, ermöglichen den Behörden den Zugriff auf Telekom-Verbindungsdaten, verschaffen Polizei und Staatsanwaltschaften einen breiten Zugriff auf Daten aus der Verkehrsüberwachung, haben das Briefgeheimnis deutlich gelockert und ermöglichen zudem der Exekutive, Hackersoftware unbemerkt auf den Handys der Österreicher zu installieren.

Videoüberwachung

Die Polizei greift bereits zur Verbrechensbekämpfung in Echtzeit auf private und öffentliche Überwachungskameras zu, denen ein staatlicher Versorgungsauftrag zukommt. Also auf solche, die den Verkehr, Bahnhöfe oder Flughäfen, aber auch Gemeindeämter oder Busunternehmen beobachten.

Dabei werden auch Kfz-Kennzeichen, Fahrzeugtypen und sogar Gesichtszüge erfasst und gespeichert. Die Regierung argumentiert, sie erwarte sich dadurch eine „wesentliche Erleichterung bei der Ausforschung von Kriminellen“. Opposition sowie Rechtsanwälte kritisieren die „verdachtsunabhängige Echtzeitüberwachungsmöglichkeit ohne vorherige richterliche Bewilligung“ als massiven Grundrechtseingriff im öffentlichen Raum. So könne ein vollständiges Bewegungsprofil erstellt werden – ohne Rechtsschutz, klagt die Rechtsanwaltskammer.

Vor fünf Jahren kippten Österreichs Höchstrichter das Gesetz zur flächendeckenden Vorratsdatenspeicherung. Nun wurde den Behörden eine abgewandelte Form ermöglicht: Die Staatsanwälte können die Telekombetreiber zur Speicherung der Daten einzelner Kunden für ein Jahr verpflichten – also wer mit wem wann und wo kommuniziert.

Deutlich aufgeweicht wurde auch das Briefgeheimnis. Es ist nun zulässig, Briefe zu öffnen, wenn damit gröbere Straftaten aufgeklärt werden können – etwa zur Bekämpfung des Drogenhandels. Die Anwälte sind über diese Einschränkung des Briefgeheimnisses erzürnt und halten sie für überschießend, denn meistens säßen in Suchtmittelverfahren die Beschuldigten ohnehin schon in Haft – und deren Briefe dürfen längst geöffnet werden.

Mit dem Wehrrechtsänderungsgesetz soll auch unser Bundesheer weitreichende Überwachungs- und Kontrollbefugnisse bekommen. Beruft sich das Heer auf die „nationale Sicherheit“, müssten Telekomanbieter dann alle Daten „unverzüglich und kostenlos“ weitergeben. Richter oder Staatsanwälte brauche es dafür nicht.

Kommt die Gedankenpolizei?

Und nun auch noch die Diskussion über eine „Sicherungshaft“ – bevor ein Verbrechen verübt wurde. Verständlich, dass die Sorge vor Orwells „Gedankenpolizei“aufkommt. Tatsache ist andererseits, dass Internetkonzerne wie Facebook oder Google bereits jetzt deutlich mehr über uns wissen als jeder Innenminister – weil wir ihnen unsere Daten freiwillig geben.

Dass das nicht so bleiben muss, hat uns Edward Snowden gezeigt: Der US-Amerikaner machte 2013 eine Reihe von hochgeheimen globalen Überwachungsprogrammen publik, die von den USA und Großbritannien betrieben werden. Die Aufregung war damals groß. Konsequenzen gab es keine.

In Österreich werden nun die Höchstrichter entscheiden, ob die Überwachungsgesetze mit dem Recht auf Freiheit noch übereinstimmen. In vielen Ländern ist die Frage zugunsten des Wunsches nach Sicherheit längst entschieden.

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