Kickl ist nur der Schmiedl, Facebook der Schmied

Sind wir bei Orwells "1984" angekommen? Oder bereits 2084? Vor allem aber: Gewährleistet Überwachung mehr Sicherheit?
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Vermutlich ist es den meisten von uns gar nicht so bewusst: Wir werden überwacht. Rund um die Uhr. Wenn Sie in der Früh das Handy einschalten, weiß das jemand in Kalifornien. Wenn Sie auf dem Computer etwas suchen, blinkt es in Peking. Und wen wir anrufen, das liegt ohnehin bei allen Telefongesellschaften auf. Ein Besuch beim Onkologen, vom Ortungsdienst getrackt, sofort drei Gespräche mit dem Ehepartner, ein Telefonat mit dem Spital, dann ein paar Stunden Ruhe – was wird wohl passiert sein? Da braucht gar niemand mitzuhören.

„Big Brother is watching us“, und wir können überlegen, ob wir längst im Orwell’schen „1984“ oder bereits in „2084“ angekommen sind.

Überwachung ist eines der brisantesten Themen unserer Zeit. Und diese Form der Spionage ist so komplex, dass wir in der Beurteilung oft nur zwischen größerem und geringerem Übel unterscheiden können.

Bei Überwachung geht es, zumindest hierzulande, um einen Spagat: zwischen Sicherheit und Freiheit (in China und den USA, auch in England ist diese Frage längst entschieden). Wollen wir mehr Sicherheit – und sind wir bereit, dafür auf Freiheiten zu verzichten? Oder ist die Freiheit, der nicht jedem einsehbare Freiraum, ein derart wichtiges Gut, dass man dafür Sicherheitseinbußen in Kauf zu nehmen bereit ist?

Zu wenig Ressourcen

Vor diese Wahl gestellt würde sich etwa der Autor dieser Zeilen immer für die Freiheit entscheiden. Weil nicht gewährleistet ist, dass mehr Überwachung automatisch mehr Sicherheit bedeutet. Und weil es jetzt schon genügend Überwachungsmöglichkeiten gäbe. Bei den meisten Attentaten der Vergangenheit etwa hatten die Geheimdienste konkrete Hinweise – leider wurden sie nicht konsequent genützt. Meist aus Gründen mangelnder Ressourcen.

Womit wir beim Thema Sicherungshaft wären, deren Durchsetzung juristisch offenbar möglich, moralisch aber äußerst heikel wäre. Warum sollen Menschen auf Verdacht eingesperrt werden, ohne dass sie ein Verbrechen begangen haben? Wird ein Land dadurch wirklich sicherer? Wäre es nicht wichtiger, vorhandene Mittel effizienter auszuschöpfen?

Ja, die Person des Innenministers schwingt bei dieser Debatte mit. Aber Kickl ist nur der Schmiedl, der Schmied sind soziale Netzwerke wie Facebook, die Überwachung hemmungslos zu Geld machen. Facebook weiß alles über uns. Und es ist kein Wunder, dass es von Massenmördern wie jenem in Neuseeland zur Verbreitung widerlicher Ideologien genützt wird.

Facebook ist längst ein politischer Player geworden, bedrohlicher als die meisten Staaten. Und der Versuch, sich nach solchen Katastrophen stets mit Entschuldigungen herauszuwinden, ist peinlich.

Aber was können wir tun, um nicht kleine Würmer, sondern mündige Bürger zu sein? Viel bewusster mit unseren Daten umgehen. Die Gier nach einem Like kann in letzter Konsequenz zur Tragödie führen.

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