Kein Vorsatz
Auf die Frage, was er bei einer Verurteilung zu tun gedenke, sagte Kurz: „Damit beschäftige ich mich nicht, denn ich weiß, was ich getan habe: Ich habe definitiv nicht vorsätzlich die Unwahrheit gesagt.“
Anlass für das spontane, feiertägige Pressegespräch war der Verdacht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Kurz habe über seine Rolle bei der Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef gegenüber dem U-Ausschuss falsche Aussagen gemacht – siehe Auszüge aus dem Strafakt in der Story rechts.
Politisch gehen die Wogen seit Mittwoch in der Früh, als der Kanzler seinen Strafakt selbst publik machte, hoch. Die sechs Landeshauptleute der ÖVP stellten sich am Donnerstag „klar“ hinter den Kanzler. „Die Opposition versucht ständig, mit haltlosen Vorwürfen und Anzeigen Sebastian Kurz und die ÖVP zu beschädigen. Das lehnen wir vehement ab und stehen klar hinter Bundeskanzler und Bundesparteiobmann Sebastian Kurz“, teilte – auf Anfrage der Oberösterreichischen Nachrichten – der Steirer Hermann Schützenhöfer namens aller (insgesamt sechs) Landeshauptleute der ÖVP mit.
Die Opposition bleibt dem Kanzler nichts schuldig. Am kommenden Montag steht eine Sondersitzung auf dem Programm, bei der es eigentlich um Finanzminister Gernot Blümels schleppende Aktenlieferungen gehen sollte. Nun wird die Sondersitzung wohl zu einem generellen Schlagabtausch zwischen türkiser Regierungsspitze und Opposition.
„Wasser bis zum Hals“
„Die hilflosen Gegenangriffe des Kanzlers auf Justiz und Parlament machen deutlich, dass ihm das Wasser bis zum Hals steht“, meinte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch.
FPÖ-Chef Norbert Hofer zeigte sich empört, dass Kurz den Aufklärern im U-Ausschuss vorwarf, Auskunftspersonen bewusst zu Falschaussagen zu drängen. Das sei „unerhört“. Hofer bringt einen Misstrauensantrag gegen Kurz ins Spiel.
Was die Justiz dem ÖVP-Chef vorwirft
„Sebastian Kurz ist verdächtig, am 24. Juni 2020 in Wien als Auskunftsperson vor einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt zu haben“, so heißt es in der Mitteilung der WKStA an Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz.
Konkret geht es um den Verdacht eines Verstoßes gegen § 288 des Strafgesetzbuches: „Wer vor Gericht als Zeuge (..) oder Auskunftsperson bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch aussagt (..), ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.“ Und in Absatz 3 heißt es zudem, dass auch zu bestrafen sei, „wer eine der (..) Handlungen im Verfahren vor einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates (..) begeht“.
Aber welche Verdachtsmomente gegen den Kanzler werden von den Korruptionsjägern im Detail genannt? Es sind vier Aussagen, die die Korruptionsjäger als falsch sehen:
Kurz habe etwa die Frage verneint, dass er mit Thomas Schmid (bis zur Mitteilung, dass sich dieser für den ÖBAG-Vorstandsjob bewerbe) nie darüber gesprochen habe, dass er dies werden könnte. Er hätte nur angegeben, es sei allgemein bekannt gewesen, dass ihn das grundsätzlich interessiere, und es sei immer wieder davon gesprochen worden, dass er ein potenziell qualifizierter Kandidat wäre. Die WKStA fügt dem Dokument immer jeweils das Protokoll seiner Aussage im U-Ausschuss an, und stellt sie den SMS und WhatsApp-Nachrichten entgegen, die das Gegenteil zeigen würden. Aus diesen Kurznachrichten würde vielmehr hervorgehen, dass Kurz spätestens im Februar 2018 eingebunden gewesen sei.
Zweitens habe Kurz die Frage, ob er im Vorfeld (in die Entscheidung) eingebunden gewesen sei, zwar bejaht, aber mit dem einschränkenden Zusatz : „eingebunden im Sinne von informiert“. Die SMS würden aber dagegen sprechen, meint die WKStA.
Drittens gehe es um die Antwort auf die Frage, ob er „Wahrnehmungen“ zur Frage habe, wie der ÖBAG-Aufsichtsrat besetzt wurde, und ob er in die Besetzung eingebunden war. Kurz gab im Ausschuss an, er wisse, dass es im Finanzministerium und im zuständigen Nominierungskomitee Gespräche und Überlegungen gegeben habe – er habe aber weder die Entscheidung getroffen noch die Aufsichtsräte ausgewählt. Das habe vielmehr der Finanzminister bzw. das Nominierungskomitee getan.
Und viertens ging es um Fragen zu einer Vereinbarung zwischen Schmid und (FPÖ-Koalitionsverhandler) Arnold Schiefer. Kurz habe dazu gesagt, dass er keine Ahnung habe, was vereinbart worden sei.
Die Mitteilung der WKStA an Kurz, dass gegen ihn ermittelt wird, umfasst insgesamt 58 Seiten, davon wird auf nur einer der Vorhalt zusammengefasst, Kurz habe die Unwahrheit gesagt. Neun Seiten lang werden aus den Protokollen des U-Ausschusses die problematischen Aussagen von Kurz zitiert. 47 Seiten lang werden die SMS und WhatsApp-Nachrichten, alle vom Handy von Thomas Schmid, aufgelistet.
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