Internationale Pressestimmen zu Kurz-Ermittlungen: "Das ist ein Hammer"

IBIZA-U-AUSSCHUSS: KURZ
NZZ: "Skrupel besitzt er keine, wenn es darum geht, sich als Macher zu präsentieren und von Schwierigkeiten abzulenken.

Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sind am Mittwoch auch Gegenstand der internationalen Presse.

Die "Neue Zürcher Zeitung" (online) schreibt:

"Kurz' Art des Regierens zielt ganz auf kurzfristige Effekte. Skrupel besitzt er keine, wenn es darum geht, sich als Macher zu präsentieren und von Schwierigkeiten abzulenken. Im Frühjahr beispielsweise nahm er dafür sogar einen Streit mit befreundeten Ländern der EU in Kauf. Als sich abzeichnete, dass die Impfung in Österreich nicht so rasch vorankommt wie angekündigt, behauptete er, in der EU gebe es einen 'Impfbasar', auf dem sein Land und andere Staaten benachteiligt seien (...) Die neueste Untersuchung wird Kurz bei seiner Arbeit lähmen. Mit seiner bisherigen Politik der Inszenierung wird er definitiv nicht mehr weiterkommen. Ob Kurz und sein Umfeld sich neu ausrichten können, ist ungewiss - die vergangenen Monate stimmen skeptisch."

"Süddeutsche Zeitung" (online):

"Österreichs Kanzler in einem Ermittlungsverfahren, weil er womöglich mehrmals unter Wahrheitspflicht gelogen hat - das ist ein Hammer. Umso mehr, als Kurz angedeutet hat, selbst im Falle eines Verfahrens nicht zurücktreten zu wollen. Man muss schon ziemlich schmerzfrei sein, um in einer solchen Situation alles an sich abperlen zu lassen und so zu tun, als sei man, wieder einmal, Opfer einer Kampagne. Oder abgefeimte Abgeordnete hätten einem bei Befragungen das Wort im Mund umgedreht. Wer es nicht schafft, in einem Untersuchungsausschuss zum Thema der Bestellung eines der wichtigsten Posten, den die Republik zu vergeben hat, so auszusagen, dass der Eindruck bewusster Weglassungen oder falscher Informationen gar nicht erst entsteht, der hat etwas zu verbergen, missachtet das Parlament oder hat den falschen Job."

"taz" (online):

"Sollte es zur Anklage kommen, was angesichts der Faktenlage wahrscheinlich ist, wäre das ein Novum in der österreichischen Politik. Noch nie war ein amtierender Kanzler mit einer Anklage konfrontiert. Gegen Werner Faymann (SPÖ) war 2013 ein Ermittlungsverfahren wegen einer Inseratenaffäre eingestellt worden."

"Der Spiegel" (online):

"Staatsanwälte wollen Sebastian Kurz den Prozess machen. Die Anklage offenbart, wie wenig Respekt der junge Kanzler und sein Umfeld offensichtlich vor demokratischen Institutionen haben."

"Die Zeit (online)":

"Ob Kurz im Fall einer Anklage wegen Falschaussage – Strafrahmen bis zu drei Jahre Haft – als Bundeskanzler zurücktreten werde? Nein, er werde vor dem Einzelrichter seine Sicht der Dinge darlegen, sagte er den Journalisten. Die Vorgänge, die seit Februar dieses Jahres trotz der anhaltenden Gesundheits- und Wirtschaftskrise die bestimmenden Themen sind, schlagen sich in den Umfragen kaum nieder. Die sind für Sebastian Kurz zwar nicht so günstig wie vor einem Jahr, aber in den Werten spiegelt sich die Defensive, in die Kurz und seine Regierung geraten sind, nicht wider. Auch deshalb scheint die ÖVP sicher, dass sie das Katz-und-Maus Spiel gewinnen kann. Auf Kosten der demokratischen Institutionen."

Bild-Zeitung (online)

Ermittlungen gegen Ösi-Kanzler Kurz“, titelt die auflagenstarke Bild-Zeitung, und schreibt von einem „Paukenschlag in unserem Nachbarland: Österreich-Kanzler Sebastian Kurz (34, ÖVP) ist ins Visier der Justiz geraten!“. "Wegen mutmaßlicher Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss des Parlaments ermittelt jetzt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Kurz. Das gab der Regierungschef am Mittwoch bekannt, ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte das Ermittlungsverfahren. Auch gegen seinen Kabinettschef Bernhard Bonelli (38) wird ermittelt. Einen Rücktritt schloss Kurz schon im Vorfeld aus: Er gehe davon aus, dass sich die Vorwürfe auflösen werden."

Washington Post (online)

Austrian chancellor under investigation for corruption”, titelt etwa die Washington Post fälschlich, dass gegen Kurz “wegen Korruption“ ermittelt würde. Im Text der Associated Press wird allerdings gleich am Anfang klargestellt, dass die Ermittlungen nur wegen Falschaussagen geführt werden. "Austrian Chancellor Sebastian Kurz confirmed Wednesday that he is under investigation by anti-corruption authorities on suspicion he made false statements to a parliamentary commission — allegations he denied. Kurz told lawmakers that the investigation by the Economic and Corruption Prosecutor’s Office is centered on statements he gave during a parliamentary probe focused on his coalition partner party’s leader, which triggered the collapse of his previous government in 2019."

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