Als das Gas noch aus der Stadt und nicht aus Russland kam

Eine historische Darstellung eines großen Gebäudekomplexes mit rauchenden Schornsteinen und Menschen im Vordergrund.
Wie überall in Europa wurde auch in Wien bis in die 1970er Stadtgas produziert: Es war umweltschädlich und oft auch tödlich

Damit hatten die Lebensmüden nicht gerechnet. Den  Gashahn aufzudrehen oder sogar den Kopf in den Gasherd zu stecken, das war über Jahrzehnte  in vielen europäischen Städten eine der häufigsten Methoden für Selbstmord gewesen. Doch auf einmal stellte sich nicht der erwartete tödliche Dämmerschlaf ein, sondern heftiger Husten- und Brechreiz.
 

Ein Mann in Uniform bedient eine historische Gaslaterne in Wien.

Tödliche Gasgebrechen

Die Umstellung auf Erdgas veränderte also auch die Situation für Selbstmörder grundlegend.  Der Weg in den Tod,   der sogar in die Literatur und natürlich in den schwarzen Wiener Humor Einzug gehalten hatte, war nicht mehr möglich. „Einige Lebensmüde, die in den vergangenen Wochen ihre Türen abdichteten und den Gashahn aufdrehten, erfreuen sich noch immer ihrer Gesundheit“, schrieb mit etwas fragwürdigen Humor das deutsche Magazin Der Spiegel über die Folgen der Erdgas-Umstellung.

Das Stadtgas aber hatte nicht nur jenen den Tod gebracht, die ihn selbst anstrebten, sondern  auch all denen, die unfreiwillig Opfer des  giftigen Gemischs wurden, das in  den Gaswerken hergestellt wurde. Die Wiener Lokalberichterstattung hatte ständig mit solchen tödlichen Gasgebrechen zu tun.

Eine Chronologie der Gasversorgung in Wien, von 1828 bis zur Erdgasumstellung 1978, mit Werbung für Küppersbusch-Gasherde.

Tödliche Falle

Wenn das Ganze dann noch mit der chronischen Schleißigkeit und  den technischen Mängeln  kommunistischer Systeme wie in der DDR zusammenkam, wurde das Gas zu einer fast alltäglichen tödlichen Falle. Mehr als 1.500 Tote pro Jahr wurden in Deutschlands Osten allein dem falschen Gebrauch oder der Fehlfunktion von Gasgeräten zugeschrieben.  

Platzende Leitungen im Osten

Gerade im Winter wurden die längst maroden Rohre aus  Grauguss zwischen Dresden und Leipzig brüchig und aus denen strömte das Gas in die Wohnungen vieler Bürger. Dazu kam, dass  der chronische Mangel an Heizgeräten viele DDR-Bürger dazu brachte, dafür völlig ungeeignete Mini-Durchlauferhitzer einzusetzen, die nicht einmal an den Kamin angeschlossen waren.

Das Stadtgas, das meist aus den in der DDR häufig vorkommenden Braunkohle gewonnen wurde, war wegen seines hohen Kohlenmonoxid-Gehaltes so giftig, dass es oft genügte, wenn eine Leitung außen an der Hausmauer platzte und das Gas in die Innenräume eindrang. 

Wie überall in den westlichen Großstädten versuchte man auch in der DDR, die Gefahr eines tödlichen Gasunfalls durch die Beimischung stark riechender Substanzen zu reduzieren. Allerdings, so erinnern sich viele DDR-Bürger, half auch dieses Warnsystem nicht. Die Auspuffabgase der Trabis und der Gestank der Braunkohleheizungen hätten den Gasgeruch einfach übertönt.

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