Starkregen sind in Südostasien wahrlich keine Seltenheit. Aber auf der Arabischen Halbinsel? Und noch dazu im Juli?
Normal gibt es da in den Sommermonaten null Millimeter Niederschlag. Doch am 27. Juli des Vorjahres, während einer Hitzewelle mit Temperaturen jenseits von 45 °C, erlebte Dubai ein Unwetter, das die Straßen des Wüstenemirates völlig unerwartet unter Wasser setzte.
➤ Mehr lesen: Zu trocken, zu warm - und der Grundwasserspiegel sinkt dramatisch
Das Nationale Zentrum für Meteorologie der Vereinten Arabischen Emirate verlautbarte dazu, dass der Regen durch Wolkenimpfprogramme verstärkt worden ist.
Aber kann das stimmen? Haben die Emiratis den Code des uralten Menschheitstraums geknackt, wie man Wolken und damit das Wetter beherrschen kann?
Hagelkanonen
Versucht haben das im Laufe der Geschichte schon viele: Bereits in der Antike gab es eigene Hagelbeauftragte, die bei Anrücken gefährlich aussehender Wolken die Bauern aufriefen, den Göttern Blutopfer darzubringen, um verschont zu werden. Es existieren Aufzeichnungen aus dem Mittelalter über Bogenschützen-Kompanien, die auf bedrohliche Wolken schossen.
In Österreich wurden sogar Hagelkanonen eingesetzt, die Schallwellen oder Ruß auf Wolken schossen. Um 1900 soll es mehr als 15.000 solcher Installationen zum Wetterschießen in Mitteleuropa gegeben haben. Heute wissen wir, dass all das keinen Effekt haben konnte.
Das änderte sich erst 1946, als US-Ingenieure Trockeneis aus einem Flugzeug in Wolken bröselten und vermeintlich Schneefall auslösten. Das chemische Impfen von Wolken – englisch cloud seeding – war geboren.
➤ Lesen Sie auch: Wer darf die Sonne verdunkeln? Warum Geoengineering so gefährlich ist
"Regenmachen als Waffe"
Die Skepsis ob der tatsächlichen Wirksamkeit ließ das Thema aber rasch wieder einschlafen. Bis zum Juli 1972: da schockierte ein Artikel von Seymour Hersh in der New York Times die Öffentlichkeit: „Regenmachen wird von den USA als Waffe eingesetzt“, titelte die Zeitung.
Unter dem Codenamen Pop-Eye führte das US-Militär jahrelang geheime Wolkenimpf-Aktionen im Vietnamkrieg durch – mit dem Ziel, den Monsunregen zu verstärken, um die Versorgungswege des feindlichen Vietcongs so weit wie möglich unter Wasser zu setzen, um dessen Vormarsch zu verlangsamen.
Die Aufregung war weltweit groß, 1978 wurde als Folge das Umweltkriegsübereinkommen ENMOD zum „Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindseligen Nutzung umweltverändernder Techniken“ getroffen.
Viele Staaten haben seither zivile Wolkenimpf-Programme gestartet, von den Vereinigten Staaten bis zu den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das Emirat Abu Dhabi stellt seit 2015 gut dotierte Forschungsförderung in Aussicht für Wissenschafter aus aller Welt, die neue Ansätze haben, künstlichen Regen im Wüstenstaat zu erzeugen.
Wolken impfen
Das Prinzip ist seit 1946 unverändert: „Beim Konzept des Cloudseedings geht es darum, in vorhandene Wolken zusätzliche Kondensations- oder Gefrierkeime in Form von Salzteilchen einzubringen, um die Niederschlagsausbeute zu erhöhen, um Hagelabwehr zu betreiben oder um Nebelbildung zu reduzieren“, erklärt der Meteorologe Rainer Kaltenberger.
„Ohne diese Salzteilchen, die von Natur aus in großen Mengen in der Atmosphäre vorhanden sind, würde es Niederschläge nicht geben. Denn chemisch reiner Wasserdampf müsste mehrere hundert Prozent übersättigt sein, dass eine spontane Kondensation und Bildung von Wassertröpfchen stattfinden würde.“
Die zentrale Frage ist aber: Klappt das auch wirklich? Meteorologe Kaltenberger sagt: „Je nach Studie werden Niederschlagszuwächse von etwa 5 bis 15 Prozent beschrieben, wobei die höheren Raten nur in einzelnen Untersuchungen unter speziellen Rahmenbedingungen festgestellt wurden.“
Die Emiratis sind da nicht so skeptisch: „Im Peer-Review-Bericht der WMO (UNO-Meteorologie) über globale Aktivitäten zur Niederschlagsverbesserung wurde durch verschiedene Programme ein Anstieg des durchschnittlichen saisonalen Niederschlags um 5 bis 25 Prozent festgestellt“, heißt es seitens der UAEREP, des „Rain Enhancement Programms“ der Emirate, zum KURIER.
Salz-Artilleriegranaten
Stolz wird zudem berichtet, dass zum Impfen der Wolken Flugzeuge und Drohnen eingesetzt werden, aber auch bodengestützte Generatoren, Raketen und sogar Artilleriegranaten.
Neu war beim Regenguss vom Juli 2022, dass unbemannte Drohnen in die Wolken geflogen wurden, die Regen nicht wie üblich durch Salze, sondern durch elektrische Spannungen ausgelöst haben sollen.
Cloud seeding geht natürlich leichter in Regionen, wo nur der natürliche Regen verstärkt werden soll. Im Westen der USA, im Wyoming, läuft noch bis 2026 ein „Impf“-Programm mit dem Ziel, die Schneemengen zu erhöhen, um Wasserspeicher zu füllen.
In Österreich ist das übrigens kein Thema, bestätigt dem KURIER Franz Hörl vom Tiroler Wirtschaftsbund. Dazu gebe es „weder Überlegungen, noch ist das Verfahren bekannt“.
➤ Lesen Sie auch: Brüsseler Einigung: Ein Feiertag für Bäume, Blumen und Bienen
Hagelflieger
Tatsächlich betreibt auch Österreich Geoengineering – in Form der Hagelflieger. Das Prinzip des Wolken-Impfens ist das gleiche, der Effekt ebenso umstritten. Der Meteorologe Kaltenberger zitiert Studien, wonach Hagelflieger sowohl die Anzahl der Hageltage als auch die Hagelgröße verringert haben sollen. Die Hagelversicherung ist da skeptischer und führt gegenüber dem KURIER aus, dass bezüglich der Wirksamkeit kein wissenschaftlicher Konsens bestehe, die Wirkung mit den derzeitigen Methoden für die Landwirtschaft nicht ausreichend sei und Bauern vielmehr befürchten, „dass durch Hagelflieger Gewitterregen verhindert wird und daher in sehr trockenen Jahren sich der Dürreschaden vergrößert“.
In Abu Dhabi werden heuer bereits zum fünften Mal neue Forschergruppen gesucht. Die meteorologischen Daten seit 1930 zeigen übrigens keine Zunahme beim Niederschlag. Was auch damit zu tun haben dürfte, dass ein Teil des künstlich erzeugten Regens wegen der Hitze kurz vor dem Boden wieder verdunstet.
Kommentare