Eine brandneue Studie von 15.000 Pflanzen- und Tierarten in Europa (das sind zehn Prozent aller Arten des Kontinents, also Vögel, Fische, Säugetiere, Reptilien, Insekten, Spinnen, Bäume, Farne, Moose und Wasserpflanzen), die sich Ende 2020 auf der Roten Liste gefährdeter Arten befanden, ergab, dass 27 Prozent dieser Pflanzenarten, 24 Prozent der wirbellosen Tiere und 18 Prozent der Wirbeltiere vom Aussterben bedroht sind. Insgesamt sind das knapp 3.000 Arten. 125 Tier- und Pflanzenarten gelten bereits als ausgestorben, regional ausgestorben oder möglicherweise ausgestorben.
Das Tauziehen in Brüssel um eine Einigung dauerte Monate, denn unerwarteterweise hatte die EVP, die größte Fraktion im EU-Parlament, bitteren Widerstand angekündigt. Verhindern konnte sie den Beschluss auf eine gemeinsame Position des Parlaments dennoch nicht.
Österreichs Umweltminister Leonore Gewessler stimmte übrigens im EU-Rat nicht für den Vorschlag der Kommission – das wurde ihr durch einen einstimmigen Beschluss der neun Umweltlandesräte, damit auch jener der SPÖ, verboten. Dennoch kam grünes Licht vom Rat.
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Amore für die Moore
In der Nacht auf Freitag einigten sich im „Trilog“ die Vertreter von EU-Parlament, EU-Rat und EU-Kommission dann auf einen finalen Text, das war der lang erhoffte Durchbruch (Details siehe Infokasten). Im Kern geht es darum, zerstörte Natur in Europa schrittweise wieder in einen guten ökologischen Zustand zu bringen. Der Text muss noch von EU-Parlament und EU-Rat gebilligt werden. Erwartet wird weiter Widerstand von der EVP und den rechtsextremen Gruppen im EU-Parlament.
Die Kritik ist auch aus Österreich groß: Die FPÖ lehnt die Einigung in der vorliegenden Form ab. ÖVP-Landwirtschaftskammer-Boss Josef Moosbrugger bezeichnet den EU-Beschluss gar als „ideologieübersättigten Schnellschuss“ und warnt „vor weiteren Verschärfungen für die Bäuerinnen und Bauern“. Gewessler selbst begrüßte das Ergebnis: „Die destruktiven Kräfte in der Politik haben sich nicht durchgesetzt“, freute sie sich.
Für Franz Essl – der Ökologe war Österreichs Wissenschafter des Jahres 2022 – ist das Ergebnis in Brüssel grundsätzlich positiv: „Ein guter und wichtiger Beschluss“, sagt er im KURIER-Gespräch. Ist es die versprochene Versöhnung mit dem Planeten? „Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, zu einer Trendwende zu Natur und Landschaft, und eine Anerkennung, dass eine langfristige landwirtschaftliche Nutzung nur dann Erfolg versprechend ist, wenn das auf einer intakten natürlichen Basis erfolgt.“
Die große Frage sei nun, wie das die einzelnen Staaten und damit auch Österreich umsetzen werden. Das sei zur Stunde schon allein deshalb nicht klar, weil noch nicht alle schriftlichen Texte vorliegen.
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Lebensmittelproduktion
Dass als Gegenargument vor allem die Gefahr einer eingeschränkten Lebensmittelproduktion gebracht wird, lässt Essl nicht gelten: „Was die Wissenschaft eindeutig belegen kann, ist, dass die Lebensmittelproduktion langfristig am meisten durch den Klimawandel, die Erosion der Böden und eine Übernutzung der Natur bedroht wird. Das sind die akuten Bedrohungen. Bei uns kommt noch der ungebremste Flächenverbrauch dazu.“
Was aber klar sein müsse: Die Umsetzung werde Geld kosten. Und das werde man den Bauern abgelten müssen.
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