Ein Jahr Indien
Die letzte Frage ist am einfachsten zu beantworten: Was die formale Ausbildung angeht, ist Gstöttner mit fast allen Wassern gewaschen: Er hat einen Master an der London School of Economics, war sechs Jahre „Associate Partner“ in einer Londoner Unternehmensberatung, er hat ein Jahr in Indien gearbeitet, sechs Monate in Pakistan, und, und, und.
„Bei seinem Lebenslauf denkt man an genagelte Schuhe und ,upper class’“, erzählt ein Ex-Arbeitskollege. Stimmt schon, da gibt’s „einschlägige“ Ingredienzen: Matura am alt-ehrwürdigen Schottenstift, der Vater ein hoch dekorierter Primar, der – auch das passt ins Bild – anfangs nicht rasend begeistert war, dass sich der Sohnemann die Politik antut. All die Intrigen und Packeleien?
Warum Gstöttner tut, was er tut, kann er schnell erklären: „Die Politik ist ein, wenn nicht der Hebel, um eine friedliche Gesellschaft zu erhalten. Es gibt kein größeres Ziel.“
Wenn der 34-Jährige sagt, er könne „von allem ein bisserl was“, ist das natürlich auch Koketterie. Aber der Mann verstellt sich nicht. Freund wie Feind sagen: Gstöttner hat keine Lust auf Intrigen; er arbeitet hart, aber nie verbissen; und er glaubt, dass sich soziales Engagement nicht nur fein im Lebenslauf macht, sondern selbstverständlich ist – damit geht man nicht hausieren.
Bemerkenswert ist, dass Gstöttner von allen Mitarbeitern, auf die der Kanzler derzeit hört, als jener gilt, bei dem sich der ÖVP-Chef am längsten Zeit ließ mit dem Vertrauen. „Der Chef hat Markus sechs Monate lang zappeln lassen“, erzählt man sich in der ÖVP. Das liegt wohl daran, dass der Wiener nie Teil des Kernteams der jungen ÖVP und 2011 nicht dabei war, als Kurz ziemlich hart im Staatssekretariat aufschlug. 2013 schrieb Gstöttner einen Brief – er wollte für Kurz arbeiten. Und dazu kam es.
Bleibt die schwierigste Frage: Wie legt er sie an, die Öffnung des Landes? Was genau tut er?
Wer mit Markus Gstöttner über das Aufwecken der Wirtschaft redet, hört zunächst von „Axiomen“.
Da sind Sätze wie „Chaos und Leid vermeiden“ oder „den wirtschaftlichen Schaden minimieren“. An diesen Grundsätzen bemesse sich jede Maßnahme. „Es gibt keine Blackbox, die ausspuckt, wie wir hochfahren“, sagt Gstöttner. „Alle Länder kämpfen ähnlich mit dem Virus. Was wir tun können ist, daraus zu lernen – möglichst schnell möglichst viel.“
Dazu spricht Gstöttner mit CEOs, Virologen, Spitzen von Krisenstäben und Experten in Österreich und der Welt; von Australien bis Norwegen. Am Ende bereite er Papiere vor, die zu Entscheidungen führen. Aber: Über sich habe er einen Kabinettschef und darüber den Kanzler als Entscheider. „Ich bin Teil eines Teams, ein kleines Rad.“ Das ist untertrieben, natürlich. Aber so ist er halt.
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