Ist Österreich wirklich korrupter als andere Länder?
Als „ernüchterndes Zeugnis für die Republik“ bezeichnet Alexander Picker, Chef der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International (TI), Österreichs Abschneiden bei dem von TI erstellten Korruptionsindex (CPI). Unter 180 Nationen schafft Österreich weltweit den 20. Platz. Das wäre – global gesehen – nicht einmal schlecht, lägen Nachbarn wie die Schweiz oder Deutschland nicht deutlich besser, nämlich unter den Top Ten.
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Jedes Jahr, wenn der CPI veröffentlicht wird, folgt Kritik am Index und der dahinterliegenden Methode.
Einer der gängigsten Vorwürfe: In dem Ranking werde ja „nur“ die wahrgenommene Korruption von Geschäftsleuten und Unternehmern abgefragt; das seien keine harten, keine belastbaren Fakten. Zudem sei es in sich widersprüchlich, dass eines der wichtigsten Werkzeuge für die Korruptionsbekämpfung, nämlich frei über Korruptionsfälle berichtende Medien, de facto ja mit dazu beitragen, dass die wahrgenommene Korruption steigt.
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Dazu ist zu sagen: Es gibt nach wie vor einfach keinen besseren Index bzw. keine bessere Methodik als den CPI. Das Wesen der Korruption besteht darin, dass sie im Verborgenen bleiben möchte, sich natur- oder sozialwissenschaftlichen Erhebungen also entzieht. Insofern ist die Aussage von Unternehmern, ob sie in einem Land gerne investieren, weil sie dort den Behörden und der Justiz vertrauen, korrekt behandelt werden, kein Schmiergeld bezahlen, etc. keine perfekte, aber immer noch die beste Möglichkeit, valide Aussagen über den Korruptionsgrad zu treffen.
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Selbst wenn die Erhebungen des CPI in ihrer Methodik Luft nach oben aufweisen sollte, wäre es ein jedenfalls seltsamer Zufall, dass ausgerechnet Staaten wie Dänemark, Finnland, Neuseeland oder Norwegen, die den Rechtsstaat hochhalten, die Zivilgesellschaft pflegen und Transparenz in allen gesellschaftlichen Bereichen (vor-)leben, seit Jahrzehnten auch beim CPI weit vorne liegen.
Bleibt die Frage, ob intensive Korruptionsberichterstattung die Wahrnehmung der Korruption nicht vergrößert. Fakt ist: In Österreich waren in der jüngeren Vergangenheit mehrfach Spitzenpolitiker in Wirtschaftsstrafverfahren involviert, die mit ihrer Amtsführung zu tun hatten. All diese Ermittlungen und vor allem Prozesse lassen einen Rückschluss auf die politische Kultur in einem Land zu. „Die Vorbildfunktion fehlt“, befunden Experten von Transparency International. Und damit ist ganz konkret gemeint, dass finanziell potente Parteisympathisanten und -spender im Einzelfall privilegierte Zugänge zur (Finanz-)Verwaltung genießen. Für das Ansehen von Politik und Verwaltung ist derlei Gift.
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Was also ist zu tun?
Zunächst einmal wäre es hilfreich, ohnehin in Aussicht gestellte Verbesserungsmaßnahmen umzusetzen.
Die von der Regierung versprochene Bundesstaatsanwaltschaft gibt es bis heute ebenso wenig wie die nötigen Anpassungen im Lobbyinggesetz.
Eine in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzende Maßnahme ist das Ende des Amtsgeheimnisses. Seit kurzem politisch beschlossen, ist dieser Paradigmenwechsel in der öffentlichen Verwaltung sicher dazu geeignet, die wahrgenommene Korruption zu reduzieren und Österreichs Rang im CPI zu verbessern.
Da das Amtsgeheimnis aber erst mit 2025 wirklich abgeschafft wird sind alle Effekte, die im Positiven damit verbunden sein könnten oder werden, auch im nächsten, das aktuelle Kalenderjahr betreffenden Korruptionsindex – noch – nicht enthalten. Österreich muss sich demnach gedulden, ehe man die Chance hat, zur Weltspitze der „sauberen Staaten“ aufzuschließen.
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