Kongress der Konservativen: Von der Leyen ist jetzt EVP-Spitzenkandidatin

Kongress der Konservativen: Von der Leyen ist jetzt EVP-Spitzenkandidatin
Europas Konservative sind für Atomkraft, gegen das Einstimmigkeitsprinzip – und wollen das Verbrenner-Aus nicht zurücknehmen. Doch für die ÖVP sind das „rote Linien“.

Die EVP – das ist der Zusammenschluss der Europäischen Volksparteien – ist seit über dreißig Jahren die stimmenstärkste Fraktion im EU-Parlament. Aktuell haben die Konservativen 177 von 705 Sitzen, deutlich vor den europäischen Sozialdemokraten (139 Sitze) und den Liberalen (102 Sitze).

Am 9. Juni 2024, in rund 90 Tagen, finden in allen EU-Staaten die Wahlen zum EU-Parlament statt. Und die EVP will natürlich auch diesmal als Sieger aus der Wahl hervorgehen.

In der rumänischen Hauptstadt Bukarest findet noch bis Donnerstagnachmittag der EVP-Kongress statt. Die ÖVP ist durch Generalsekretär Christian Stocker vertreten.

Am Mittwoch wurde das Wahlprogramm der EVP verabschiedet, nur Österreichs ÖVP-Delegierte stimmten diesem nicht zu, als einzige Partei enthielten sich die Österreicher.

Am Donnerstag wurde gegen Mittag die amtierende Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen offiziell zur Kandidatin der europäischen Parteienfamilie EVP für eine zweite Amtszeit als Präsidentin nominiert. Der Posten des EU-Kommissionspräsidenten muss nach den Europawahlen im Juni neu besetzt werden. Ernannt wird in der Regel ein Kandidat oder eine Kandidatin der europäischen Parteienfamilie, die bei der Europawahl am besten abschneidet. In Umfragen liegt die christlich-konservative EVP bislang klar vorn. Die Chancen sind deswegen groß, dass von der Leyen im Amt bleiben kann.

In ihrer Rede auf dem Kongress nannte von der Leyen den Kampf für Frieden, Sicherheit, Freiheit und Wohlstand als einen Schwerpunkt für ihre Wahlkampagne. „Das Signal von Bukarest heute ist, dass die EVP für Europa steht, für ein starkes, sicheres, friedliches, wohlhabendes, demokratisches und geeintes Europa“, sagte die 65-Jährige. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine betonte sie, Ziel sei es, Kiew weiterzuhelfen - und zwar „so lange wie notwendig“. Moskau habe „versucht, die Ukraine aus der Welt hinwegzufegen“. Sie bekräftigte, dass die EVP den Plan unterstütze, in der künftigen Kommission einen neuen Posten eines Kommissars für Verteidigung zu schaffen.

Skeptisch gegenüber von der Leyen sind bis heute vor allem Europaabgeordnete. Ein Grund dafür ist, dass die Deutsche 2019 von den Staats- und Regierungschefs für das Amt nominiert worden war, obwohl sie zuvor nicht Spitzenkandidatin einer Parteienfamilie für den Posten war. Der Europäische Rat verletzte damit aus Sicht von Parlamentariern das sogenannte Spitzenkandidaten-System, das vorsieht, dass nur Spitzenkandidaten der Parteien bei der Europawahl als Präsidenten der EU-Kommission in Frage kommen sollen. Denn für die Christdemokraten war das damals der CSU-Politiker Manfred Weber. Ihm gelang es letztlich aber nicht, bei den Staatschefs im Europäischen Rat eine Mehrheit für seine Wahl hinter sich zu vereinen.

Beim EVP-Kongress scherten aber vor allem die Österreich aus. Glücklich schien Generalsekretär Stocker mit der Veranstaltung jedenfalls nicht zu sein. Denn das am Mittwoch verabschiedete „Manifesto“, also das Wahlprogramm der EU-Konservativen, hat für die Volkspartei gleich „mehrere rote Linien“, weshalb sich die ÖVP bei der Abstimmung enthalten hat.

Als „rote Linien“ nennt Stocker insbesondere vier Punkte:

  • „Wir können in Österreich der Kernenergie nicht zustimmen. Wir sind und bleiben gegen Atomkraft.“
  • „Wir sind klar gegen die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik. Wir haben als Österreich eine klare Haltung und Stimme in der EU und die wollen wir auch behalten.“
  • „Das Schengen-System ist kaputt. Wir müssen das System reparieren und dürfen es nicht schön reden. Es braucht daher zuerst einen funktionierenden Außengrenzschutz und danach können erst die Grenzen nach innen geöffnet werden. Einer Schengen-Erweiterung um Rumänien und Bulgarien können wir daher derzeit nicht zustimmen.“
  • „Wir sprechen uns klar gegen ein Verbot des Verbrenner-Motors aus. Diese klare Haltung ist eine der wesentlichen Positionen für uns in der europäischen Politik und fehlt im EVP-Manifesto. Wir sind für Technologieoffenheit und gegen Verbote.“

Freilich sei nicht alles schlecht, heißt es aus Bukarest: Die ÖVP begrüßt den im Wahlprogramm festgehaltenen Fokus auf die Wettbewerbspolitik, den Abbau von Bürokratie und ganz besonders den Kampf gegen illegale Migration, insbesondere mit dem Konzept des sicheren Drittstaates.

In Wien kommentierte Kanzler und ÖVP-Parteichef Karl Nehammer Österreichs Haltung so: „Es gibt im Programm einige Unschärfen, wo wir uns klarere Positionierungen gewünscht hätten. Diese sind nicht erfolgt, das nehmen wir zur Kenntnis.“

Die Österreicher hatten aber Von der Leyen gewählt und werden sie unterstützen. 

Spannend blieb die Frage, ob einige Landesparteien der aktuellen Kommissionspräsidentin die Gefolgschaft verweigern. Das hätte nicht sonderlich überrascht, war doch die Fraktion der EVP jene, die (abgesehen von der FPÖ-Fraktion "Identität und Demokratie") am öftesten gegen neue Vorhaben dieser EU-Kommission, etwa beim Bodenschutz oder bei der Pestizid-Reduktion, die Stimme erhob und die Zustimmung verweigerte.

Bisher ist aus Bukarest aber kein besonderer Widerstand gegen Von der Leyen bekannt geworden.

Ein ÖVP-Insider merkte zur Kür von der Leyens an, dass  der Spitzenkandidat von 2019 ohnehin nicht Kommissionspräsident wurde. 2019 war der EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber, der wurde schließlich "nur" Fraktionsführer der EVP. Kommissionspräsidentin wurde bekanntlich von der Leyen.

Klar ist auch: Es wird auch diesmal keine echten europäischen Wahllisten geben. Von der Leyen kann nur in Deutschland kandidieren, auch wenn sie zur europäischen Spitzenkandidatin ausgerufen wird.  

Aus für Verbrenner-Aus?

Dabei hatte die EVP nach Medienberichten ursprünglich sehr wohl eine Rücknahme des geplanten Aus für fossilbetriebene Verbrennerfahrzeuge ab 2035 im „Manifesto“: „Wir lehnen eine Verbotspolitik – wie das Verbot von Verbrennungsmotoren – ab und werden sie so schnell wie möglich revidieren“, soll laut Informationen von euractiv.de im Ursprungstext vermerkt gewesen sein. 

Nun bleibt nur der Satz übrig: „Wir werden die beste Lösung nur dann erreichen, wenn wir alle technologischen Möglichkeiten vorurteilsfrei und ideologiefrei nutzen.“

Somit werden nur ÖVP und FPÖ mit dem Wahlversprechen, das Verbrenner-Aus zurückzunehmen, in den EU-Wahlkampf ziehen.

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