Die Bundesländer machen jetzt Druck auf das Verteidigungsministerium. Nach Oberösterreich will auch Niederösterreich im Landtag eine Resolution beschließen, damit die Regierung beim Wehrdienst die Kategorie "Teiltauglichkeit" einführt. Das Ziel: Die Zahl der untauglichen Wehrpflichtigen drastisch zu senken. Und Lücken beim Zivildienst zu schließen. Im Verteidigungsministerium reagiert man eher skeptisch.
Klubobmann Klaus Schneeberger (ÖVP) hatte die Forderung nach einer Klubklausur in Wiener Neustadt auf den Tisch gelegt, weil etwa in NÖ bereits jeder vierte stellungspflichtige Mann untauglich und somit vom Wehr- oder Wehrersatzdienst befreit ist. Das habe Auswirkungen auf den Zivildienst und gefährde das Sozial-, Gesundheits- und Sicherheitssystem massiv. Schneeberger: „Ist ein junger Mann untauglich für den körperlich anstrengenden Dienst an der Waffe, so ist er derzeit auch für jede andere körperlich noch so einfache Tätigkeit untauglich und somit befreit. Das gehört geändert.“
Bereits Arbeitsgruppe
Doch wie ist es möglich, Untaugliche in ein System zu bringen, in dem aus berechtigten Gründen eine gewisse Gesundheit vorausgesetzt werden muss? „Im Verteidigungsministerium beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe – bestehend aus Spezialisten wie Juristen oder Ärzten – mit genau dieser Frage“, sagt Bundesheersprecher Oberst Michael Bauer zum KURIER.
Bereits die vorherige Regierung setzte diese Gruppe ein, infolge der Wirren der Ibiza-Affäre wurde das Projekt aber auf Eis gelegt.
Der derzeitige Verteidigungsminister Thomas Starlinger rief die Arbeitsgruppe mit Herbstbeginn wieder ins Leben und stellte sie breiter auf. Mitte November sollen konkrete Ergebnisse vorliegen. Diese zu erarbeiten, ist ein heikles Thema: „Wenn jemand volltauglich ist, dann gehört er zur Truppe und eher nicht in eine Bekleidungskammer. Allerdings ist es wichtig, dass alles rechtlich seine Ordnung hat. Der Mediziner, der dem Rekruten die Teiltauglichkeit attestiert hat, trägt eine hohe Verantwortung“, erklärt Bauer.
Keine Verschlechterung
Grundsätzlich dürfen sich etwaige Vorerkrankungen nicht durch den Dienstbetrieb verschlechtern. „Wenn jemand zum Beispiel Hörprobleme hat und diese beim Scharfschießen schlimmer werden könnten, ist er mit hoher Sicherheit untauglich. Die Arbeitsgruppe setzt sich damit auseinander, wo und wie der Rekrut trotzdem eingesetzt werden könnte, ohne dass sich sein Leiden verschlechtert.“
Bauer hält fest, dass es das Modell der eingeschränkt Tauglichen schon seit den 90ern gibt – in Form von Sport-, Marsch-, Gefechtsdienstbefreiung.
Die jüngsten Zahlen zur Wehrpflicht: Von den 46.519 jungen Männern, die im vergangenen Jahr stellungspflichtig waren, waren 11.155 untauglich. 17.262 rückten bei Bundesheer ein, 13.466 gingen zum Zivildienst.
Rotes Kreuz erfreut
Beim Roten Kreuz sieht man die Vorschläge zur Teiltauglichkeit „sehr positiv“, wie Peter Kaiser, stellvertretender Generalsekretär des Roten Kreuzes in Österreich, erklärt: „Wir erleben das bei unserer täglichen Arbeit: Die Untersuchungen bei der Stellung beziehen sich nur auf den Dienst an der Waffe, bei uns arbeiten viele als Ehrenamtliche, die dann als untauglich eingestuft werden.“
Rund 70 Prozent der jungen Männer, die bei der Stellung als nicht-tauglich eingestuft werden, sind laut Kaiser übergewichtig oder hätten in der Vergangenheit Verletzungen erlitten. Beim Roten Kreuz brauchen Sanitäter eine medizinische Eignung, diese würden diese Personen aber oft bestehen. In den kommenden Jahren erwartet Kaiser einen Mangel an Zivildienern: „Jetzt kommen geburtenschwache Jahrgänge, zudem scheint das Bundesheer an Attraktivität zu gewinnen.“
Das könne zu längeren Wartezeiten bei Krankentransporten (nicht bei Einsätzen, Anm.) führen. Deswegen begrüßt Kaiser die geplante Teiltauglichkeit. Diese Personen würden beim Roten Kreuz „ohne Einschränkungen“ eingesetzt werden.
Im österreichischen Bundesheer gibt es neun Tauglichkeitsstufen – wer 8 oder 9 erzielt, darf sich auch zur Fliegertauglichkeitstestung melden.
Welche Tauglichkeitsziffer man erreicht, ist spezifisch – es gibt keinen allgemeingültigen Katalog. Ab Ziffer 4 ist es etwa möglich, sich für die „Kaderanwärterausbildung“ zu melden – das frühere „Einjährig Freiwillig“.
Erste Gesundenuntersuchung
Neben der Tauglichkeitsfeststellung ist die Musterung für viele die erste vollständige Gesundenuntersuchung.
Häufigster Grund für die Untauglichkeit sind psychische Störungen – rund jeder Dritte aller Untauglichen bekommt diese attestiert.
18 Prozent leiden unter Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems, etwa an Haltungsfehlern oder Wirbelsäulen-Verkrümmungen.
Acht Prozent aller Untauglichen leiden unter Über- oder Untergewicht.
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