Das Wort „Killervirus“ will der Prognoserechner Peter Klimek vom Complexity Science Hub in Wien zwar nicht in den Mund nehmen. Anzeichen dafür, dass das Virus wieder gefährlicher werden könnte, gebe es aber in der Tat. „Weil das Virus so stark zirkuliert, ist es möglich, dass sich viele Menschen gleichzeitig mit zwei Varianten anstecken und Abschnitte des Virusgenoms dann rekombinieren“, sagt Klimek. Das klingt kompliziert, heißt aber im Prinzip, dass Mischvarianten wie „Deltakron“ wahrscheinlicher werden.
„In einem pessimistischen Szenario kommt es so zu einer Variante, die so stark oder stärker ansteckend ist als Omikron, aber – so wie Delta – schwerere Verläufe und höhere Hospitalisierungsraten mit sich bringt“, erklärt Klimek. Für diesen Fall sollten laut ihm fertige Pläne auf dem Tisch liegen. „Es muss klar sein, wer für deren Umsetzung zuständig ist, damit es nicht zuerst wieder ein Match zwischen Bund und Ländern gibt.“
Und: Zu denken, wir haben Zeit bis zum Herbst, sei wohl zu optimistisch. Immerhin hat sich auch die Delta-Variante im Juli auszubreiten begonnen. „Ich würde nicht sagen, die nächste Welle steht jetzt unmittelbar bevor, aber davon auszugehen, dass wir uns jetzt drei bis vier Monate entspannen können, wäre wahrscheinlich falsch“, sagt der Wissenschafter.
Eine Welle schon im Sommer inklusive möglicher schwerer Verläufe? Klingt nach ganz schlechten Nachrichten.
Immerhin: Ein bisschen zuversichtlicher ist Virologin Dorothee von Laer. „Die Zahlen werden im Sommer niedriger sein als im Jänner und Februar“, sagt sie, aber: „Es wird wohl nicht so ruhig wie in den letzten beiden Jahren.“ Weil das Virus gegenwärtig ansteckender sei als damals, werde es sich auch unter besseren Wetterbedingungen (wie höheren Temperaturen) stärker ausbreiten. „Noch haben wir es mit Omikron zu tun, das kann sich aber innerhalb von vier Wochen ändern“, sagt die Virologin. Und dann? In welche Richtung das Virus mutiert – „von noch harmloser bis Killervariante“ –, das könnten weder Lauterbach noch die besten Virologen vorhersehen. „Dieses Virus ist für Überraschungen gut“, sagt von Laer.
Mischvarianten, wie von Klimek beschrieben, seien bisher „kleine Strohfeuer“ gewesen und hätten sich immer totgelaufen. Wahrscheinlich sei aber, dass eine neue Variante ansteckender ist (bzw. eine kürzere Inkubationszeit hat) und das Immunsystem besser umgehen kann als bisherige Varianten. Heißt: Menschen, die von Omikron oder Delta genesen sind, wären nicht automatisch davor geschützt.
Von Laers Vorschlag, um bestmöglich für die Überraschungen des Virus vorbereitet zu sein: sofort eine Impfkampagne für ungeimpfte über 60-Jährige zu starten, ein verpflichtendes Beratungsgespräch beim Hausarzt inklusive. Denn obwohl der Schutz vor einer Infektion nachlasse, je länger die Impfung her sei, bestehe der Schutz vor schweren Verläufen weit über sechs Monate nach der dritten Impfung hinaus, sagt von Laer. Immerhin das ist eine gute Nachricht. Und dann ist da noch die Beteuerung von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). „Wir bereiten uns JETZT auf den Herbst vor“, schrieb er auf Twitter.
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