Blau-gelbe Koalitionsspiele trotz Proporz
Nur mehr in Niederösterreich, Oberösterreich und in Wien wird die Regierung nach dem Proporzsystem besetzt – soll heißen: (fast) alle im Landtag vertretenen Parteien stellen nach ihrer Mandatsstärke Landesräte.
Das Wahlergebnis vom Sonntag bedeutet, dass die ÖVP-NÖ von neun Sitzen in der Landesregierung (die Anzahl ist durch die Landesverfassung, Art. 34, 3 vorgegeben) nur mehr vier besetzen kann, die Freiheitlichen drei und die Sozialdemokraten zwei.
Die ÖVP hat also keine Mehrheit mehr in der Landesregierung. Jetzt hängt es also von dem Regierungsabkommen ab, das die Volkspartei verhandeln muss.
Zwei Optionen
Da gibt es eine wahrscheinliche Variante und eine theoretische. Nachdem die Freiheitlichen vor als auch nach der Wahl kategorisch ausgeschlossen haben, Landeshauptfrau und ÖVP-NÖ-Chefin Johanna Mikl-Leitner zu wählen, bleibt dieser nur mehr eine Koalition mit den Sozialdemokraten. Die Roten sind, obwohl ebenfalls Wahlverlierer, also in einer komfortablen Position und können durchaus harte Bedingungen formulieren.
Die theoretische Koalitionsvariante wäre ein Regierungsübereinkommen der Volkspartei mit den Grünen und Neos: 56 Sitze gibt es im niederösterreichischen Landtag, 29 Sitze braucht man für eine Mehrheit. Schwarz-Grün-Pink hätte demnach 23 (ÖVP) plus 4 (Grüne) plus 3 (Neos), also 30 Mandate, und somit eine klare Mehrheit.
Aber, wie eingangs erwähnt, haben aufgrund der Proporzregelung weder Grüne noch Neos einen Regierungssitz. So eine schwarz-grün-pinke Regierung hätte also im Landtag eine Mehrheit, nicht aber in der Landesregierung.
Der KURIER hat mit Verfassungsexperten erörtert, vor welchen Problemen die Landespolitik jetzt steht.
Was wäre die einfachste Variante für eine neue Landesregierung?
Am einfachsten wäre wohl eine schwarz-rote Koalition. Diese hätte zwar die Punze, die eigentlichen Verlierer am Wahltag zu sein (ÖVP minus 9,69 Prozentpunkte, SPÖ minus 3,27 Prozentpunkte). Schwarz-Rote hätte aber sowohl im Landtag als auch in der Landesregierung eine komfortable Mehrheit.
Ist ein Regierungsabkommen der ÖVP mit Grünen und Neos nur eine theoretische Variante, oder wäre das tatsächlich möglich?
Der ÖVP-Klubchef schließt das gegenüber dem KURIER aus. Ein Experte der niederösterreichischen Landesverfassung, der namentlich nicht genannt werden will, erklärt dazu, dass es grundsätzlich machbar wäre, nur über eine Mehrheit im Landtag, nicht aber in der Landregierung zu verfügen. „Aber in der politischen Praxis stelle ich mir das schwer vor. Solche politischen Planspiele sind jedenfalls schwierig, ausschließen würde ich das aber nicht“, sagt der Experte.
Nötig sei jedenfalls eine Mehrheit im Landtag. „Aber klar ist auch, dass die Landesregierung alle möglichen Beschlüsse verabschiedet, da geht es um Geschäftseinteilungen, Verordnungen werden erlassen, auch der Budgetvorschlag kommt von der Landesregierung an den Landtag.“ Regieren heiße mehr, als im Landtag eine Mehrheit zu haben, es brauche ein Zusammenwirken von Landtag und Landesregierung, heißt es dazu gegenüber dem KURIER. „Und es entstehen viele Gesetze aus Regierungsvorlagen. Da brauche ich also eine Mehrheit in der Regierung.“
Klar sei auch, dass eine Regierung ohne Mehrheit in der Landesregierung schon „etwas ganz Neues“ wäre. „Bisher hat sich die Frage ja nicht gestellt. Ich glaube aber, dass es in den kommenden Verhandlungen vor allem darum geht, stabile politische Verhältnisse zu schaffen. Das wird jetzt ausgelotet werden, und da vermute ich schon stark, dass es da Ergebnisse geben wird, man hat ja doch jetzt acht Wochen Zeit bis zur konstituierenden Landtagssitzung.
In Niederösterreich gilt das Proporzsystem, was hat es damit auf sich?
Historisch galt ab 1945 im Bund und in den Bundesländern die Proporzregelung. Idee war, dass man auch die Minderheit in die Regierungsgeschäfte einbindet. Das hat aber dazu geführt, dass die Landtage weniger Kontrollrechte hatten, weil ohnehin alle Parteien Teil der Regierung waren.
In den Jahrzehnten danach hat sich das dann immer öfter als schwierig erwiesen, gleichzeitig Opposition und Teil der Regierung zu sein. Deswegen gab es Initiativen in vielen Bundesländern, Regierung und Opposition zu trennen. Nur Niederösterreich und Oberösterreich haben das nicht gemacht, obschon auch in Niederösterreich ÖVP und Grüne anno 2012 den Proporz abschaffen wollten. Doch damals wollten das FPÖ und SPÖ nicht.
Wie könnte Niederösterreich das Proporzsystem abschaffen?
Das geht mit einer 2/3-Mehrheit im Landtag.
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