Koalition: Zerreißprobe in der Nacht zum Freitag

Reinhold Mitterlehner und Christian Kern
Rund um das erste Treffen nach dem Kanzler-Ultimatum waren versöhnlichere Töne von SPÖ und ÖVP zu hören. Das ist aber kein verlässliches Indiz dafür, dass die Regierung doch noch hält.

Gelingt es der Regierung noch ein letztes Mal, das Ruder herumzureißen? Oder erleiden SPÖ und ÖVP demnächst Schiffbruch? Diese Frage lässt sich auch nach den ersten Sitzungen am Mittwoch im Bundeskanzleramt nicht mit Gewissheit beantworten, die man angesichts der Stimmung in der Koalition getrost als Krisensitzungen titulieren kann. Inhaltlich ging es darum, zu erörtern, wie das Regierungsprogramm runderneuert werden kann.

Bemerkbar war vorerst nur, dass beide Seiten etwas versöhnlichere und leisere Töne anschlugen und in Abrede stellten, Neuwahl-Gelüste zu haben. "Nein, es gibt keine Neuwahlen, es gibt jetzt einen intensiven Dialog und einen Verhandlungsprozess", erklärte dann auch Kanzler Christian Kern (SPÖ) kurz nach Mitternacht. Am Ende müsse ein Programm stehen, dass Österreich verändere. Über Details wollte sich der Regierungschef genausowenig äußern wie sein Vize, ÖVP-Chef und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner: "Es macht keinen Sinn, Zwischenschritte zu kommentieren. Entweder es gibt eine gemeinsame Einigung, dann gilt das, oder es gibt keine Einigung. Wir arbeiten daran, dass es so etwas gibt und ich bin relativ optimistisch, dass wir das zustandebringen." Das ist freilich noch lange kein verlässliches Indiz dafür, dass das rot-schwarze Bündnis noch lange hält.

Regierung verhandelt über Zusammenarbeit

Seitenhiebe

Ohne Seitenhiebe ging es auch gestern nicht ab. So sagte etwa SPÖ-Klubchef Andreas Schieder vor dem ersten Treffen der "Sechser-Runde", es sei "alles lösbar", allerdings sollte der Koalitionspartner "nicht wieder nur schöne Papierln produzieren. Wenn, dann braucht es einen Arbeitsplan, der einen konkreten Fahrplan einschließt". Die Sechser-Runde, das sind Kanzler Christian Kern, Kanzleramtsminister Thomas Drozda und SPÖ-Klubchef Andreas Schieder auf der einen Seite sowie Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Staatssekretär Harald Mahrer und Finanzminister Hans Jörg Schelling auf der anderen Seite.

Ehe sich die Gruppe zusammensetzte, fand um die Mittagszeit ein etwa halbstündiges Vier-Augen-Gespräch zwischen Kern und Mitterlehner statt. Erst danach wurden die übrigen vier Teilnehmer dazugeholt.

Sehr lange wurde allerdings nicht geredet. Schon kurz nach 13 Uhr wurde die Sitzung unterbrochen. Am Abend, nach dem Radio-Duell von Mitterlehner mit FPÖ-Chef Strache, kam die Sechser-Runde erneut zusammen. Bis Freitag hat Kanzler Kern sich und der ÖVP Zeit gegeben, um Ergebnisse zu liefern.

Freitagvormittag soll zunächst die Sechserrunde die Ergebnisse aus den Verhandlungen am Donnerstag zusammenfassen, danach ist für Mittag ein finales Gespräch zwischen Kern und Mitterlehner geplant.

Und wie verlief das Treffen am Mittwoch? "Das Klima war relativ vernünftig und sachlich", hörte man aus schwarzen Kreisen. Am Abend sei die Atmosphäre in der Sechserrunde gut gewesen und es seien auch erste Ergebnisse erzielt worden.

Ausgangspunkt war ein 15-Seiten-Papier der SPÖ mit großteils bekannten Vorschlägen (Arbeitszeitflexibilisierung samt Zeitausgleich, Integrationsjahr, Gratis-Tablets und Laptops für Schüler etc.). Diese Unterlage wurde um schwarze Positionen (Abschaffung der kalten Progression, höhere Forschungsprämie, Integrationsgesetz etc.) auf 30 Seiten erweitert. Konsenspunkte seien darin durchaus zu finden, hieß es.

In ÖVP-Zirkeln wurde angesichts der etwas versöhnlicheren Signale der Roten gemunkelt: "Vielleicht hat die SPÖ doch kalte Füße bekommen. Vielleicht ist ihnen doch bewusst geworden, wie die Wiener SPÖ beisammen ist." Gemeint sind die Lagerkämpfe rund um Michael Häupl.

Auf roter Seite hieß es, das erste koalitionäre Aufeinandertreffen nach dem Kanzler-Ultimatum sei "ganz gut gelaufen, aber die Sprengmeister waren ja nicht dabei". Dazu zählt man in der SPÖ ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka und Klubchef Reinhold Lopatka.

Zerreißprobe

Gesprengt wird also unmittelbar nichts. Heute steht zunächst die Angelobung von Alexander Van der Bellen zum Präsidenten samt Begleitprogramm auf dem Regierungsplan. Am Abend will die "Sechser-Runde weiterverhandeln – mit Unterstützung zusätzlicher Minister. Diese Gespräche sollen bis in die Nachtstunden dauern – und dürften zu einer Nerven- und Zerreißprobe für Rot-Schwarz werden.

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