Faymann: "Ich denke nicht an Neuwahlen"

Rote Doppelstrategie: SPÖ-Kanzler Faymann verliert kein böses Wort über die ÖVP, dafür schießen Ministerin Bures und Landeshauptmann Niessl (re.) verbal scharf
Koalitionspoker: Rote Minister werfen der ÖVP „Erpressung“ vor. Der Kanzler kalmiert: „Alles lösbar“.

Michael Spindelegger sollte weniger Zeit mit dem Bundespräsidenten verbringen, er sollte mehr am Verhandlungstisch sitzen“, befindet Hans Niessl im KURIER-Gespräch. Der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann grollt, weil der ÖVP-Chef beim Staatsoberhaupt war – um Reformresistenz der SPÖ zu beklagen. „Ich habe dargelegt, wo es hakt, wo die Schwierigkeiten sind“, sagte Spindelegger nach dem gestrigen Termin in der Hofburg.

Anders als Niessl tadelt ihn SP-Kanzler Werner Faymann nicht ob dieser Aktion. Er richtet Spindelegger via KURIER aus: „Ich denke nicht an Neuwahlen (siehe unten).“ Und er bleibt dabei: „Wenn wir ernsthaft verhandeln, haben wir bis Weihnachten eine Regierung. Es gibt keine offenen Fragen, die nicht lösbar wären.“

Die Roten fahren eine Doppelstrategie. Hier der Parteichef, der kalmiert („Einen Appell an die ÖVP möchte ich nicht richten. Dort weiß man schon, was zu tun ist“), da SPÖ-Granden, die zürnen.

Es müsse Schluss sein „mit diesen Spielchen und Erpressungsversuchen“, sagte Infrastrukturministerin Doris Bures im ORF-Radio. „Sozialabbau ist keine Reform.“

Niessl greift an

Für Niessl dient die „ÖVP-Inszenierung vom Budgetloch und der leeren Staatskasse“ nur einem: „Gewisse Dinge durchzubringen.“ Stimmt es also nicht, dass die SPÖ jede substanzielle Neuerung ablehnt? Niessl: „Die Strategie, uns Reformverweigerung vorzuwerfen, zum Bundespräsidenten zu rennen, und sich gegen die wichtigste Reform zu verwahren, ist ungeheuerlich.“ Welche Reform meint er? „Man kann nicht über Massensteuern reden, darüber, den Staatsbediensteten ein Biennium zu streichen, das Frauenpensionsalter zu erhöhen – und eine Reichensteuer nicht einmal andenken.“ Ein Prozent der Österreicher habe ein Vermögen von 460 Milliarden Euro: „Jene, die so viel Geld teils in Stiftungen im In- und Ausland parken, müssen einen höheren Beitrag leisten.“

Niessl, selbst Koalitionsverhandler, drängt auch weiter auf eine Steuer auf Erbschaften über einer Million Euro netto. Mit den Erlösen aus Vermögens- und Erbschaftssteuer, mit „ökologischen Steuern“ und einer LKW-Maut für Ausländer auf Bundesstraßen sei eine Steuerentlastung zu finanzieren: „Die brauchen wir jetzt – für den Mittelstand mit einem Einkommen bis zu 5000 Euro monatlich.“ Die ÖVP habe Anderes im Sinn: „Sie will Millionäre schützen, den Mittelstand benützen.“

Er fordere „Gerechtigkeit“ ein – auch bei den Agrarsubventionen, sagt Niessl: „Die Großen bekommen zu viel, die Kleinen zu wenig.“ Und so möchte er die Förderungen, die sich an der Größe der Betriebe orientieren, deckeln: „Die Grenze soll bei 400 oder 500 Hektar liegen. Die eingesparten Mittel sollten vor allem in die Bio-Landwirtschaft fließen.“

Fürchtet Niessl, dass sich die ÖVP – wegen der als „dramatisch“ geschilderten Lage – letztlich verweigert? Und sich andere Bündnispartner, etwa FPÖ und Neos, sucht? „In der Politik fürchte ich nichts. Ich glaube aber, dass sie einen Grund sucht, sich andere Partner zu suchen – indem sie uns als unbeweglich darstellt. Und damit als Schuldigen daran, dass es mit der Koalition nichts wird.“

Mikl-Leitner kontert

Was sagt man in der ÖVP zu all den Vorwürfen? Geht es tatsächlich nur darum, den Preis nach oben zu treiben? „Nein, es geht darum, 2016 ein Nulldefizit zu erreichen. Wir brauchen ordentliche Reformen. Es reichen keine Überschriften. Man darf jetzt keine Realitätsverweigerung betreiben“, sagt ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zum KURIER.
Was ist, wenn sich die SPÖ nicht bewegt? „Wir werden kein Stillstandsabkommen unterzeichnen, nur um weiterregieren und in unseren Ämtern bleiben zu können.“

Was würde passieren, wenn SPÖ und ÖVP nicht handelseins werden? „Die Konsequenz wäre, dass die ÖVP natürlich nicht in die Koalition geht. Dann wäre der Herr Bundespräsident wieder am Zug“, sagt die ÖVP-Verhandlerin. Ist die Opposition eine Option ihre Partei? Mikl-Leitner: „Ich denke nicht in Alternativen.“

Der KURIER sprach mit Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann ...

über die zähen Koalitionsgespräche: „Ich denke nicht an Neuwahlen. Wenn wir ernsthaft verhandeln, haben wir bis Weihnachten eine Regierung. Es gibt keine offenen Fragen, die nicht lösbar wären.“

über das von der ÖVP gewünschte Doppelbudget: „Ich habe bis jetzt nicht gehört, dass die ÖVP unbedingt ein Doppelbudget als Bedingung genannt hätte. Jetzt geht es um das Budget 2014, das ist dringend. Dann müssen wir bis April eine Vorschau bis 2018 nach Brüssel melden.“

über Botschaften an die ÖVP: „Ich richte der ÖVP sicher nichts aus. Wir reden über alle Themen intern. Es geht ja nicht nur um die Regierungsbildung, sondern um fünf Jahre Zusammenarbeit mit einem ordentlichen Grundvertrauen. Einen Appell an die ÖVP möchte ich nicht richten, dort weiß man schon, was zu tun ist.“

über Privatisierungen: „Privatisierungen bringen uns nichts, weder beim Maastricht-Defizit noch strukturell. Es hat doch keinen Sinn, alte ideologische Auseinandersetzungen zu führen.“

über die wichtigsten Bereiche: „Fünf Bereiche sind mir wichtig: Bildungsreform, stabile Finanzen, späteres Pensionseintrittsalter, kein sozialer Kahlschlag, Sparen im öffentlichen Bereich. Bei den Beamten ist klar, dass es eine moderate Gehaltsrunde geben wird, einen Streik würde niemand verstehen.“

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