Spindelegger hat Heinz Fischer zu Hilfe gerufen
Ein Schwarzer ist Mittwochfrüh hinter der roten Tapetentür verschwunden. ÖVP-Chef Michael Spindelegger hatte einen Termin beim Bundespräsidenten. Nicht Heinz Fischer hat den Vizekanzler in die Hofburg gebeten. Dieser hat um die Zusammenkunft ersucht. Die stockenden Koalitionsverhandlungen haben ihn dazu bewogen. Die ÖVP beklagt ja, dass die SPÖ zu tief greifenden Reformen nicht bereit sei.
Spindelegger reagiert damit auf die Mahnung des Staatsoberhaupts. Fischer hat die Koalitionäre vergangenen Sonntag zu mehr Tempo bei den Verhandlungen gedrängt; die neue Regierung solle vor Weihnachten stehen. Spindelegger drehte den Spieß nun um. Er möchte, dass der Bundespräsident nicht nur moderiert und mahnt, er solle auch etwas tun: Faymann verdeutlichen, dass grundlegende Reformen nötig seien.
Spindelegger hat Fischer geschildert, wo es hakt. Etwa: Die ÖVP wolle ein Budget für die nächsten zwei Jahre, die SPÖ lediglich eines für 2014; die Bundesländer sollten die Kompetenz für alle Lehrer bekommen (siehe rechts bzw. unten). Das wolle die SPÖ nicht. Was Fischer zu seinem Bericht gesagt habe, wollte Spindelegger nach dem Treffen nicht wiedergeben.
Auch andere Spitzen-Schwarze lamentieren, dass mit den Roten nichts weitergehe. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner: „Es läuft langsam und beschwerlich.“ „Zäh“ sei’s, befindet Umweltminister Nikolaus Berlakovich. Der Kärntner ÖVP-Chef Gabriel Obernosterer sagt zum KURIER: „Verkaufen wird sich die ÖVP nicht. Davon bin ich überzeugt.“ Ein weiterer ÖVP-Grande urteilt gar: „Es steht auf Messers Schneide.“
Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl nervt das Wehklagen der VPler. Diese sollten „mit den Spielen aufhören“. Ein rot-schwarzer Bund sei alternativlos. Im Übrigen sei möglich, vor Weihnachten handelseins zu werden. Das sagen vom Bundeskanzler abwärts alle roten Regierungsverhandler.
Mitterlehner schert aus
Bemerkenswert: Das tut erstmals auch ein prominenter Schwarzer öffentlich kund. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist dagegen, die Gespräche über die Feiertage zu schleppen: „Das wäre de facto ein Neuanfang. Da müsste neu angehoben werden. Das ist schwierig.“ Er konterkariert damit (nicht zum ersten Mal) die Parteilinie. Nach Fischers Ermahnung hat ÖVP-Staatssekretär Reinhold Lopatka im KURIER erklärt: „Das Ergebnis ist wichtiger als das Datum.“
Die SPÖler verwahren sich gegen den Vorhalt, reformresistent zu sein. Faymann gesteht ein, dass etwa in Sachen Pensionen „gewaltige Anstrengungen“ nötig seien, um das Antrittsalter im Schnitt auf 60 Jahre zu heben. Zudem sei die Verwaltung zu entschlacken, bei Förderungen müsse gespart werden. Dass die Roten die Staatskassa mit Vermögenssteuern füllen wollen, stimme nicht. Die Einnahmen sollten dazu dienen, eine Steuerreform zu finanzieren. Dafür fehlt im Haushalt das Geld.
Opposition greift an
Im Parlament mussten Rot und Schwarz am Dienstag aber zusammenstehen. Bei einer Sondersitzung wurden sie von der Opposition wegen des großen Budgetlochs gescholten. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache warf Faymann einmal mehr vor, „die Bevölkerung wissentlich hinter das Licht geführt“ zu haben. Grünen-Chefin Eva Glawischnig zieh die Regierung, falsch dargestellt zu haben, wie viel Geld tatsächlich für die notverstaatlichte Hypo nötig ist. „Jeder wusste, dass sie noch Milliarden braucht.“ Ihre Partei brauchte einen Antrag auf Ministeranklage gegen Finanzministerin Maria Fekter ein. Der Kanzler konterte, von Staatskonkurs und Katastrophen-Budget könne keine Rede sein. „Unsere Staatsfinanzen sind stabil. Und die, die unsere Staatsanleihen kaufen, orientieren sich zum Glück nicht an der FPÖ.“
Sie trafen einander Dienstagfrüh bei der Ministerratssitzung. Danach saßen sie sich im Plenarsaal Auge in Auge gegenüber – Kanzler Werner Faymann auf der Regierungsbank, Michael Spindelegger als Interims-Klubobmann der ÖVP in der ersten Abgeordnetenreihe. Nach der Sondersitzung saßen sie wieder zusammen – diesmal als Verhandler für die neue Koalition. Trotz der ständigen Tuchfühlung stocken die Koalitionsverhandlungen.
Michael Spindelegger schildert dem KURIER, warum: „Weil wir uns in den großen Fragen nicht einig sind. Da können hundert Details in Untergruppen abgearbeitet sein – wenn man die großen Herausforderungen nicht miteinander meistert, kann man keine Koalition bilden.“
Was will die ÖVP unbedingt im Koalitionspakt stehen haben? Spindelegger: „Wir haben im Zuge des Sparpakets 2012 alles aus den Ressorts rausgequetscht, was ging. Das reicht aber nicht für das Nulldefizit. Daher müssen wir jetzt in die Strukturen gehen. Mit dem Klein-Klein kommen wir nicht ans Ziel.“
Für Spindelegger ist ein „klares Übereinkommen“ für die Budgets 2014 und 2015 nötig, „denn das sind die entscheidenden Budgets für das Erreichen des Nulldefizits 2016“. Die Einsparungen im Pensionsbereich werden erst nach 2016 wirksam, was bedeutet, dass die Regierung für das Nulldefizit in anderen Bereichen das Geld auftreiben muss.
Spindelegger will analog zur Gesundheitsreform den Zuwachs bei den Verwaltungskosten eindämmen. „Es soll eine Kostenbremse bei den Verwaltungsausgaben eingeführt werden.“ In einer Abmachung zwischen Bund und Ländern soll der jährliche Zuwachs bei den Verwaltungskosten geringer steigen als wenn man nichts tut.
Weiters muss mit den Ländern jene Förderpyramide finalisiert werden, die sich die Regierung beim Sparpaket 2012 bereits vorgenommen hat. Spindelegger: „Wir müssen die Förderpyramide mit den Ländern und Gemeinden fertig verhandeln.“ Man könne bei den 17 Milliarden Förderungen nicht einfach mit dem Rasenmäher drüberfahren, wie manche Experten vorschlagen. „In dieser Summe sind auch alle Familienförderungen enthalten. Es wird wohl niemand wollen, dass wir hier undifferenziert hineinschneiden.“ Das Sparpotenzial bei den Förderungen müsse durch bessere Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gehoben werden, wozu man eben die Förderpyramide und die Transparenzdatenbank brauche.
Um das Wirtschaftswachstum zu stärken, solle es Investitionsanreize durch vorzeitige Abschreibungen geben und eine Mittelstandsfinanzierung aus privatem Kapital.
Zur Finanzierung von Offensivmaßnahmen will Spindelegger Anteile an Staatsbetrieben (z. b. Verbund) privatisieren und mit dem Erlös die Forschung fördern.
Sparen in der Verwaltung, bei den Förderungen, durch die Anhebung des faktischen Pensionsalters – diese Schlagwörter der ÖVP unterscheiden sich in nichts von denen Faymanns. Worum wird da überhaupt gestritten? Spindelegger: „Um die Größenordnungen. Die SPÖ glaubt, es wird schon alles irgendwie gehen. Ich bin intensiv dran, die SPÖ zu überzeugen, dass wir die großen Fragen meistern müssen.“
Die Chemie zwischen Kanzler und Vizekanzler war zwar schon einmal besser; in einem Punkt sind sich beide aber einig: Bei Verwaltung, Förderungen und Pensionen hoffen beide auf Sparideen ihrer Verhandler.
Die Gruppe Staatsreform etwa hat bereits am Samstag die Idee präsentiert, alle Lehrer künftig bei den Ländern anzusiedeln. „Das würde 1400 Dienstposten einsparen“, heißt es zum KURIER. Das Sparpotenzial für den Bund wird auf rund 70 Millionen Euro jährlich beziffert.
Zahlen soll diese 40.000 Lehrer weiter der Bund. Dafür soll eine „Kopf-Quote“ definiert werden – also ein Subventionsbetrag pro Schüler. Im Gegenzug sollen die Vorgabe von Bildungszielen, die Qualitätskontrolle, Fortbildung und Dienstrecht beim Bund landen. Allerdings: SP-Chef Faymann steht dem Wunsch skeptisch gegenüber.
Ein anderer Sparvorschlag betrifft das Thema Förderungen. Beim ersten Vorschlag für ein Agrarbudget 2014 bis 2018 fehlt laut Fachmagazin DLZ Agrar rund eine Milliarde. Möglich macht die Einsparung der Verzicht auf EU-Förderungen für ländliche Entwicklung. Das spart 567 Millionen Euro Co-Förderung des Bundes.
Teilpension kommt
Auch die Hebung des faktischen Pensionsantrittsalters soll das Budget entlasten. Geeinigt haben sich die Verhandler etwa auf eine neue Teilpension: Der schrittweise Pensionsantritt könnte schon ab 2014 kommen. Bisher dürfen Frühpensionisten maximal bis zur Geringfügigkeitsgrenze (386,80 Euro) dazuverdienen.
Beim umstrittenen Bonus-Malus-System hat man sich indes auf einen Kompromiss geeinigt: Der von der Wirtschaft bekämpfte Malus für Unternehmer kommt, wenn sie Mitarbeiter vorzeitig kündigen. Er soll aber die 2012 eingeführte Auflösungsabgabe bei Kündigungen (derzeit 113 Euro) ersetzen.
Kommentare