Kickl: "Das sind autoritäre Anwandlungen"
KURIER: Herr Klubobmann, Schulterschluss war gestern, oder?
Herbert Kickl: Mein Verständnis von Schulterschluss wäre, dass jeder seinen Beitrag leistet, um möglichst gut aus dieser Krise herauszukommen. Derzeit habe ich aber den Eindruck, dass jedem, der sich der Generallinie der Regierung widersetzt, entweder der Sachverstand oder die gute Absicht abgesprochen wird. Das aber ist für mich kein Schulterschluss.
Kann man sagen, dass Sie zunächst die Maßnahmen der Regierung mitgetragen haben, Ihnen jetzt aber manches überschießend scheint bzw. zu langsam geht?
Sie werden sich daran erinnern, dass wir die Ersten waren, die konsequente Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus gefordert haben. Damals sind wir noch belächelt worden. Wir waren in einer ersten Phase, als es darum ging, Dinge legistisch möglichst schnell auf den Weg zu bringen, bereit, das parlamentarisch zu ermöglichen. Wir waren aber immer ein Gegner der Sammelgesetzgebung, wo alles zusammengepfercht wird und man dann gezwungen ist, entweder zu allem ja oder zu allem nein zu sagen. Das haben wir scharf kritisiert. Beim letzten Mal hätte die Opposition die Gelegenheit gehabt, der Regierung eine Lektion zu erteilen – aber leider ist die SPÖ umgefallen.
Was stört Sie inhaltlich?
Ich sehe vieles äußerst kritisch. Die dollfußartigen Anwandlungen des Bundeskanzlers bereiten mir wirklich Sorge. Und auch das dröhnende Schweigen all jener, die sich sonst immer zu Wort melden und überall Verfassungsverletzungen wittern. Jetzt aber gibt es wirklich Bereiche, wo die Verfassung mit Füßen getreten wird, und alle schauen zu unter dem Motto „Na, wann’s der G’sundheit dient …“. Es kann aber nicht um Verfassung oder Gesundheit gehen, sondern nur um Verfassung und Gesundheit. Alles andere wäre eine Bankrotterklärung der Demokratie. Manches, was man von Kurz und seinen Leuten hört – allen voran dem Elefanten im Corona-Porzellanladen, dem Herrn Nehammer – erinnert mich eher an die Vaterländische Front als an einen Schulterschluss von demokratischen Parteien.
Das ist der „flapsige Umgang mit dem Rechtsstaat“, den Sie dem Bundeskanzler vor ein paar Tagen vorgeworfen haben …
„Flapsig“ ist eh noch untertrieben …
Ein bisschen verwundert das, weil Sie in Ihrer Zeit als Innenminister gesagt haben, das Recht müsse der Politik folgen – wofür Sie von allen Seiten scharf kritisiert worden sind.
Ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen: Wo sind jetzt die, die mich damals kritisiert haben, warum fallen die jetzt nicht über den Bundeskanzler her? Aber so einfach will ich es mir ja gar nicht machen. Sondern: Was ich damals gesagt habe, war, dass man bestimmte Dinge entsprechend adaptieren muss; das heißt aber: rechtlich solide arbeiten, eine rechtliche Grundlage schaffen, auf der man auf ein bestehendes Problem reagieren kann. Was wir aber derzeit erleben, ist, dass man sich über die Verfassung in bestimmten Bereichen hinwegsetzt. Beispielsweise das rechtsstaatliche Prinzip, welches besagt, dass die Regierung nur auf Basis von entsprechenden Gesetzen tätig werden kann. Derzeit aber wurschtelt die Regierung mit Verordnungen und Erlässen herum – das ist ein klarer Verfassungsbruch.
Dafür, dass in der gebotenen Schnelligkeit juristisch nicht alles ganz so sauber abläuft, haben Sie kein Verständnis?
Nein, denn das hieße beide Augen zuzudrücken – und mit zwei zugedrückten Augen rennt man bald gegen die Wand. Gerade in einer solchen Situation muss man auf Punkt und Beistrich genau sein. Sich dann, wenn man draufkommt, dass das eine oder andere schiefgegangen ist, hinzustellen und nicht einmal bereit zu sein, über eine Reparatur zu reden, sind autoritäre Anwandlungen.
Dennoch klingt Ihre Kritik sehr ähnlich jener, mit der Sie und Ihre Partei immer wieder konfrontiert waren …
Da muss ich lachen. Wenn Sie das so parallel setzen, dann vergleichen Sie einmal die Dimensionen: was bei uns kritisiert wurde und worum es jetzt geht. Wir haben es mit einem totalen Umbau des Staates zu tun, wir haben noch nie dagewesene Volumina von Geldern, die die Regierung freihändig und ohne parlamentarische Kontrolle vergeben will.
Sie kritisieren hauptsächlich die ÖVP. Sind Ihnen die Grünen näher?
Nein, aber die Grünen sind in dieser Koalition ja nur Passagier. Die Köpfe, die sich da autoritär und freiheitsfeindlich austoben, die sitzen in der ÖVP. Die Grünen haben noch gar nicht verstanden, was ihnen da passiert. Die hängen mit drinnen – schlimm genug für sie, denn das wird ihnen noch auf den Kopf fallen, dass sie sich mit dem Tag des Regierungseintritts kastrieren haben lassen. In ihrem Elektorat gibt es viele, die damit überhaupt nicht einverstanden sind. Aber das ist eine andere Geschichte. Die Architekten dieser „Verordnungsdemokratur“, die sitzen freilich allesamt in der Volkspartei.
In den sozialen Medien haben Sie gepostet, sie wollen keine „neue Normalität“, sondern die „alte“ …
Mit „neuer Normalität“ meine ich den gegenwärtigen Ausnahmezustand im Zeichen der „Volksgesundheit“. Und um das der Bevölkerung zu kommunizieren, schickt man dann den netten Opa vom Roten Kreuz vor, der sagt, dass das vielleicht noch Jahre dauern wird …
Aber dass der Shutdown nur schrittweise aufgehoben wird, finden Sie richtig?
Da gehen die Meinungen auseinander. Wir haben noch immer keine validen Zahlen. Aber alleine zu fragen, ob wir die richtige Strategie fahren, bedeutet in der Diktion der Regierung ja schon ein Aufkündigen des Schulterschlusses, da wird man dann gleich zum „Lebensgefährder“. Das stört mich ja am allermeisten: diese geistige Gleichschaltung, wo man Opposition mit destruktivem Verhalten gleichsetzt, wo man versucht, die Medien gleichzuschalten mit Befehlsausgaben, die im erlauchten Kreis in Hinterzimmern stattfinden. Eigentlich müsste jetzt eine Sternstunde des unabhängigen und kritischen Journalismus sein – aber das Gegenteil ist der Fall. Und es gibt auch keine offene wissenschaftliche Diskussion, sondern die Dinge werden zu Glaubensfragen stilisiert – ganz ähnlich übrigens wie in der Klimadiskussion.
Es müsste aber auch eine Sternstunde der Opposition sein – und zumindest den Umfragen zufolge ist das Gegenteil der Fall …
Die kommt schon noch, keine Sorge! Aber man muss sagen: Die Regierung ist unglaublich geschickt darin, Angst und Schrecken zu verbreiten. Da war die Rede von möglichen Hunderttausenden Toten, von zusammenbrechenden Intensivstationen, man hat ständig Italien und Spanien strapaziert – die Länder mit dem nachweislich miesesten Gesundheitssystem in Europa etc. Das hat gewirkt, und es wir eine Zeit lang dauern, bis es wieder gelingt, die Dinge nüchtern zu betrachten. Da wird man dann auch nicht nur den gesundheitlichen sondern auch den ökonomischen Aspekt entsprechend zu gewichten haben. Das wird die Aufgabe der Opposition und insbesondere der FPÖ sein. Das derzeitige Umfragenhoch vor allem für die ÖVP halte ich übrigens für ein Strohfeuer, das ist nicht nachhaltig.
Könnte es sein, dass die FPÖ noch immer zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, dass die Frage ihrer Positionierung nicht wirklich geklärt ist?
Das glaube ich überhaupt nicht. Es ist Kurz und seinen Leuten einfach hervorragend gelungen, ein Angstszenario aufzubauen, welches von der realen Bedrohung sehr weit weg ist. Man produziert damit auch Hunderttausende Arbeitslose, die man in eine türkis-grüne Abhängigkeitsmaschinerie hineintreibt. Unsere Aufgabe wird es sein, der Vernunft wieder zum Durchbruch zu verhelfen. Und Sie werden sehen, das wird sich alles drehen, denn der Herr Kurz wird irgendwann erklären müssen, warum er das alles so gemacht hat.
Wird sich das bis zur Wien-Wahl noch ausgehen, das in Ihrem Sinne zu drehen?
Wir wissen ja gar nicht, wann in Wien gewählt wird. Wenn der Ausnahmezustand noch sechs Jahre dauert, wird vielleicht überhaupt nicht mehr gewählt …
… es gibt einen Termin, den 11. Oktober …
Ja, eh – es sind schon viele Termine genannt und auch wieder verschoben worden; schauen wir einmal, wann die Wahl ausgeschrieben wird. Ich mache mir da keine Sorgen. Es wird manches sehr rasch an die Oberfläche kommen, das Leiden der Wirtschaft ist enorm, die Maßnahmen dagegen sind halbherzig – das wird riesige soziale Verwerfungen nach sich ziehen. Dafür gibt es Verantwortliche, und die sitzen in der Bundesregierung.
Fürchten Sie die Konkurrenz von Heinz-Christian Strache?
Ich kenne niemanden, der sich vor Strache fürchtet – außer vielleicht er selber.
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