Kern will unsolidarischen Ländern EU-Mittel kürzen

Kanzler Christian Kern im Kuppelsaal der TU Wien.
SPÖ-Kanzler nennt in seiner Rede in der TU Wien sieben Punkte für die Neuordnung der EU.

Der Brexit und die bevorstehenden Budgetverhandlungen würden die EU auf eine harte Probe stellen, in Hinblick darauf präsentierte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) am Montag bei einer Diskussionsveranstaltung mit Ex-Kanzler Franz Vranitzky in Wien sieben Punkte für eine "Neuordnung Europas". Zu dem Doppelinterview hatte die Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) geladen.

Kern nannte dabei die Koordinierung der Steuerpolitik, aber auch die Verteidigung der EU als Wertegemeinschaft (siehe 7 Punkte unten).

Kern kritisierte, dass einzelne Mitgliedsländer die gemeinsame Basis immer wieder angreifen würden, indem sie Bürgerrechte und Pressefreiheit einschränken. "Es kann nicht sein, dass man europäische Solidarität einzufordert, wenn man Geld beziehen möchte, dieses Wort aber nicht mehr buchstabieren kann, wenn es um die Einhaltung von Grundprinzipien geht", betonte Kern. Konkret meint er damit den gemeinsamen Kampf gegen Lohndumping und die Verteilung von Flüchtlingen.

In Hinblick auf das neue, knappere EU-Budget müsse man überlegen, "solche Regelverstöße mit finanziellen Konsequenzen zu versehen".

7 Punkte

Die sieben Punkte, die der Bundeskanzler in seiner Rede zur die Neuordnung der Europäischen Union nannte, waren:

1. die Wirtschafts- und Währungsunion - vor allem durch Koordinierung der Steuerpolitik unter den EU-Staaten - vollenden,

2. für Steuergerechtigkeit - und gegen Steueroasen sowie Sonderbegünstigungen für Großkonzerne - kämpfen,

3. Lohn- und Sozialdumping bekämpfen (Stichwort: Entsende-Richtlinie),

4. ein ähnliches Wohlstandsniveau in den EU-Staaten fördern - etwa durch Zukunftsinvestitionen,

5. auf eine faire Handelspolitik pochen - etwa auf Trennung von Handel und Investorenschutz in Freihandelsabkommen,

6. die europäische Wertegemeinschaft verteidigen, wobei "Liberalität und Demokratie untrennbar" seien und

7. bei der Migration die Lasten aufteilen.

Als "kurzfristige" Maßnahmen nannte Kern zum letzten Punkt auch "einen soliden Schutz der Außengrenzen, eine Kontrolle der Fluchtrouten".

Würdigung

Kern hat zudem ein Zurück zur Form der Debatte über die Europäische Union gefordert, wie sie rund um Österreichs Beitritt 1995 geherrscht habe. "In der jüngeren Vergangenheit haben wir in Österreich einen übergroßen Schluck aus der Populismusflasche genommen. Die Schlagzeile am heimischen Boulevard wog schwerer als der Versuch eine ernst zu nehmende Rolle am europäischen Parkett zu spielen. (...) Zu dieser Form der Debatte müssen wir wieder zurück", mahnte Kern.

Er würdigte vor diesem Hintergrund den anwesenden Altkanzler Franz Vranitzky (SPÖ) - und auch den kürzlich verstorbenen Ex-Außenminister Alois Mock (ÖVP) - dafür, Österreich in die EU geführt zu haben - und nannte beide in einem Atemzug mit dem am Wochenende zu Grabe getragenen, deutschen Ex-Kanzler Helmut Kohl, einer der wenigen Ehrenbürger Europas, für den es erstmals in der Geschichte einen europäischen Trauerakt gab, an dem auch Kern teilnahm. "Er hat es geschafft, das Richtige populär zu machen, die Österreicherinnen und Österreicher wurden mit einer Botschaft des Miteinanders in einem größeren Ganzen gewonnen", sagte Kern laut Redetext über seinen Vorgänger als Regierungs- und SPÖ-Parteichef, Vranitzky.

Kommentare