Von einem „neuen Level des Protests“ sprach die Staatsanwaltschaft Wien, als sich Klimaaktivisten am 20. und 21. November mit einer Mischung aus Quarzsand und Superkleber an der Südautobahn nicht mehr „nur“ festgeklebt, sondern festbetoniert hatten. Und sie wollte dementsprechend durchgreifen.
Gegen mehrere Mitglieder der „Letzten Generation“ wird nun wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt – das hat die Staatsanwaltschaft Wien in Eigenregie entschieden (der KURIER berichtete).
Der Versuch, gegen die Enthaftung einer Aktivistin vorzugehen, wurde allerdings per Weisung vom Justizministerium abgedreht, wie am Montagabend bekannt wurde.
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Und das hat prompt einen Koalitionskrach ausgelöst: ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker wirft der grünen Justizministerin Alma Zadić vor, sie habe die Causa „daschlogn“ und fordert „Aufklärung über die mutmaßlich ideologisch motivierte Intervention“.
Die grüne Justizsprecherin im Klub, Agnes Prammer, kontert, es gehe Stocker bei dem „unwürdigen Schauspiel“ nur darum, der Ministerin eine politische Weisung „unterzujubeln“ und daraus politisch Kapital zu schlagen.
Neues Phänomen
Was also hat es mit dieser Weisung auf sich?
Nachdem die deutsche Aktivistin Anja Windl an jenem Tag von der Fahrbahn freigeflext war, wurde sie in die Justizanstalt Josefstadt gebracht – aber gleich wieder entlassen, weil das Straflandesgericht keinen Grund für eine U-Haft sah.
Die Staatsanwaltschaft Wien, die bei Windl eine neuerliche Tat befürchtet, wollte dagegen Beschwerde einlegen, brauchte vorher aber den Sanktus der Fachaufsicht. Das ist nicht nur bei prominenten (so genannten „clamorosen“) Fällen Pflicht, sondern auch, wenn bei „neuen Phänomenen“ die Rechtslage nicht ganz klar ist. Der Vorhabensbericht wanderte also über die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) ins Justizministerium.
Die Oberstaatsanwaltschaft hatte keine Einwände. Heißt: Ginge es nach ihr, dann hätte die Staatsanwaltschaft ihr Vorhaben weiterverfolgen dürfen. Allerdings, heißt es aus dem Justizministerium auf KURIER-Nachfrage, habe die OStA darauf verzichtet, sich inhaltlich zu äußern.
Weisung aus Sektion
Im Ministerium sei dann die Sektion für Einzelstrafsachen zu der „rechtlichen Facheinschätzung“ gekommen, dass die Beschwerde „nicht erfolgversprechend ist“, heißt es.
Von wem aber kam die Weisung, die Beschwerde abzudrehen? Als Ressortchefin ist Zadić ja letztverantwortlich. Aus dem Ressort heißt es, dass „das Weisungsrecht im Rahmen der Fachaufsicht von der zuständigen Sektion ausgeübt“ worden und das Kabinett der Ministerin „unmittelbar vor der Abfertigung“ informiert worden sei.
„Informiert“ wurde auch der Weisungsrat, dieser befasst sich aber erst in der nächsten Sitzung mit der Causa. Warum wurde das Beratergremium der Ministerin nicht vorab konsultiert? Die Beschwerdefrist sei einzuhalten gewesen, heißt es.
In Justizkreisen ist man über die Weisung enttäuscht. Die Beschwerde hätte den Mehrwert gehabt, dass sich die zweite Instanz – das Oberlandesgericht – der Sache annimmt. Die Entscheidung hätte als „Leitlinie“ dienen können, wie mit dem Phänomen Klimabetonierer umzugehen ist. Jetzt hat eben das Ministerium Fakten geschaffen.
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