Krebshilfe-Präsident Sevelda: "Verbrechen an Bevölkerung"
Müsste Sebastian Kurz etwas Charmantes über den Bundeskanzler in spe Sebastian Kurz sagen, dann würden ihm vermutlich Wörter wie "verantwortungsbewusst" oder "zukunftsorientiert" einfallen.
Insofern ist es für den Chef der ÖVP jedenfalls wenig schmeichelhaft, wenn ihm – noch dazu als Nichtraucher – ausgerechnet beim Schutz von Jugend und Gesundheit von Fachleuten genau das abgesprochen wird, nämlich: Verantwortungsbewusstsein und Zukunftsorientierung.
Was ist passiert? Am Montag sickerte die Einigung zwischen ÖVP und FPÖ beim Thema Rauchen durch. Und wider Erwarten haben die Freiheitlichen erreicht, dass das bereits 2015 beschlossene und für den 1. Mai 2018 geplante absolute Rauchverbot in öffentlichen Lokalen nun doch nicht kommt.
Berliner Modell
Zwar soll Rauchen generell bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sowie in Autos, in denen Unter-18-Jährige mitfahren, verboten werden. Doch anstatt eines generellen Verbots in öffentlichen Lokalen soll unter dem Schlagwort "Berliner Modell" künftig folgende Regelung gelten: Geraucht werden darf, wenn das Lokal kleiner als 75 Quadratmeter ist, wenn keine Personen unter 18 Zutritt haben und wenn es "getränkegeprägt" ist, wenn also keine selbst gemachten Speisen zubereitet werden.
Das ist vorerst keine wesentliche Änderung zum bisherigen Status quo – in Räumen bis zu 50 Quadratmetern durfte schon bisher ohne Einschränkung geraucht werden; in Lokalen bis zu 80 Quadratmetern entschied der Betreiber, wenn keine Abtrennung möglich war.
In Berlin hat das Modell freilich wenige Freunde – vor allem deshalb, weil es viele Schlupflöcher zulässt und kaum kontrolliert wird.
Es wird also weiter fröhlich geraucht – und Experten sind darob erschüttert.
"Eine verantwortungsbewusste Bundesregierung, die auf Sicherheit setzt, muss auch auf die Sicherheit bei der Gesundheit setzen", sagt der renommierte Krebs-Arzt Christoph Zielinski (AKH Wien) zum KURIER. Dass nun einzelnen Gastwirten überlassen werde, die Gesundheitspolitik zu bestimmen, und dass die Selbstvernachlässigung der Raucher und die Fremdgefährdung der Nichtraucher fortgesetzt werde, sei "einfach katastrophal".
"Die Gesundheit egal"
Laut Zielinski fällt Österreich damit endgültig in die 1960er Jahre zurück: "90 Prozent aller Krebserkrankungen sind Nikotin-assoziiert, das heißt sie haben eine Verbindung zu Nikotin oder werden dadurch mitverursacht. Diese Tatsache kennen wir seit dem Jahr 1973 – und dennoch handeln wir nun nicht entsprechend."
Das Rauchverbot in Lokalen nun wieder zur Disposition zu stellen ist für Zielinski so, "als würde man plötzlich wieder behaupten, wer alkoholisiert ist, der kann selbstverständlich auch sicher mit dem Auto fahren". "Wir waren schon jetzt beim Nichtraucherschutz Schlusslicht in Europa und es ist davon auszugehen, dass die nun geplanten Maßnahmen unserem internationalen Ansehen schaden."
Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe, ist nachhaltig empört. Für ihn ist der Schritt "in Wahrheit ein Verbrechen", wie er sagt. "Das ist die erste Bundesregierung in Österreich, der die Gesundheit der Bevölkerung egal ist."
Problematisch ist für Sevelda vor allem, dass gerade für Jugendliche zu wenig getan werde. Daran kann auch das ins Spiel gebrachte Rauchverbot in privaten Pkw nichts ändern. "Junge Menschen beginnen vor allem in Discos, Nachtklubs oder auf Zeltfesten zu rauchen", sagt Sevelda. Für ihn ist die Rücknahme des Verbots daher auch nicht mehr als ein "politisches Kleingeld, das auf Kosten der Mehrheit" gewechselt wird.
Wider den Trend
Erwartungsgemäß ablehnend reagierte auf den geplanten Schritt von ÖVP und FPÖ die scheidende SPÖ-Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner. "13.000 Österreicher sterben laut Gesundheitsministerium jährlich an den Folgen des Tabakkonsums. ÖVP und FPÖ entziehen sich mit der neuen Regelung jeder faktenbasierten Gesundheitspolitik."
Doch auch in den Reihen der Volkspartei regte sich bereits zarte Kritik. So sagt etwa der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer zum profil, er wolle lieber am Rauchverbot festhalten.
Warum? Eine Lockerung des für 2018 beschlossenen Rauchverbotes durch die nächste Regierung würde "dem internationalen Trend zum Nichtrauchen widersprechen".
Eine Reihe führender Fachärzte gründeten unter dem Schirm der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO) im September 2014 die ExpertInnen-Initiative DON’T SMOKE. Hier geht es zur Petition.
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