Karmasin bleibt in U-Haft: Warum das eine umstrittene Entscheidung ist
Ex-Familienministerin und Meinungsforscherin Sophie Karmasin ist seit 4. März in Untersuchungshaft – und dort bleibt sie vorerst auch. Das Wiener Landesgericht für Strafsachen hat einen Enthaftungsantrag ihrer Anwälte am Montag abgewiesen. Bei Karmasin bestehe „Tatbegehungsgefahr“, so die Begründung: Sie könnte auf freiem Fuß eine „strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen“. Ist dieser Verdacht gerechtfertigt?
Viele Vorschläge
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen Karmasin wegen Untreue, Bestechlichkeit, Geldwäsche und des Vergehens der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen. Die WKStA vermutet, dass über das Finanzministerium Umfragen abgewickelt und finanziert wurden, von denen der spätere Bundeskanzler Sebastian Kurz profitiert haben soll – und Karmasin sei Urheberin dieses Modells gewesen. Zudem soll Karmasin zwei Kolleginnen gebeten haben, teurere Angebote für Studien des Sportministeriums zu legen, damit sie den Zuschlag bekomme. Bei sämtlichen Vorwürfen gilt die Unschuldsvermutung.
Um die U-Haft für seine Klientin zu beenden, machte Karmasins Anwalt Norbert Wess im Vorfeld der Haftprüfung mehrere Vorschläge. Erstens würde die Ex-Politikerin ein Gelöbnis ablegen, dass sie keine Aufträge mehr als Meinungsforscherin annehmen werde, sie lasse sich seit Oktober zur Psychotherapeutin umschulen. Wess schlug zudem vor, eine Dokumentation über Karmasins Kommunikation mit eMails, Chats und Telefonaten anzulegen. Zudem hat Karmasin ihren Gewerbeschein zurückgelegt und gelobt, jeden Kontakt mit Zeugen und Mitbeschuldigten zu unterlassen. Weiters sei Karmasin auch mit einer „vorläufigen Bewährungshilfe“ einverstanden. Auch eine Fortsetzung der U-Haft im überwachten Hausarrest – also mit Fußfessel – hat das Gericht abgelehnt.
Aber könnte die Beschuldigte tatsächlich jene Straftaten, die ihr vorgeworfen werden, wiederholen?
"Im Zweifelsfall gelindere Mittel"
„Die bloße Möglichkeit einer Tatbegehungsgefahr reicht nicht für eine U-Haft aus. Es braucht eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit, dass die Beschuldigte die Tat wiederholt“, sagt Strafrechtsexperte Alois Birklbauer zum KURIER. Im Zweifelsfall müsste das Gericht gelindere Mittel anwenden und eine U-Haft aufheben. Müsste es für eine Enthaftung nicht ausreichen, wenn Karmasin schlüssig darlegen kann, dass sie keine Aufträge als Meinungsforscherin annimmt?
Nicht zwingend, meint Birklbauer, aber das Gericht muss die U-Haft jedenfalls mit „besonderen Fakten“ begründen können. Wirft es Karmasin etwa „schwerwiegende Wirtschaftskriminalität über einen längeren Zeitraum“ vor, könnte das Gericht die U-Haft damit begründen, dass die Angeklagte allgemein weitere Vermögensstraftaten begehen könnte. „Das Vermögensstrafrecht ist ein sehr weites Rechtsgut und die U-Haft bezieht sich auf das gesamte Rechtsgut, das ein Beschuldigter verletzt hat“, sagt Birklbauer.
Der nächste Haftprüfungstermin wäre am 14. April, vorher können Karmasins Anwälte gegen die Entscheidung des Landesgerichts Beschwerde einlegen. Dann müsste sich das Oberlandesgericht (OLG) Wien mit der Causa auseinandersetzen.
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