Wer Fragen wie diese beantworten will, muss mit Menschen wie Günther Tengel sprechen. Der Headhunter beobachtet seit Jahrzehnten das Wechselspiel zwischen Politik und Wirtschaft. Und was die Bezahlung angeht, ortet er schon da ein Dilemma: „In der öffentlichen Wahrnehmung sind die Compensation-Packages bei Top-Politikern im Vergleich zu durchschnittlichen Verdienern sehr gut. Im Verhältnis zur Verantwortung, die Politiker haben, und im Vergleich zu Top-Managern in der Privatwirtschaft sind sie bemerkenswert niedrig. Dieser Unterschied ist Teil des Problems.“ Anders gesagt: Im Vergleich zu Top-Managern sind Spitzenpolitiker schlecht bezahlt. Niemand weiß das besser als frühere Bundeskanzler.
Alfred Gusenbauer zum Beispiel: Der Ex-Kanzler begann als One-Man-Show in einem Zimmer seines Anwalts. Mittlerweile hat er mit internationalen Beratungen wirtschaftlich großen Erfolg: 2020 betrug der Jahresbilanzgewinn seiner Firma 17,7 Millionen Euro (davon sind 13,4 Mio. ein Gewinnvortrag aus den Vorjahren).
Oder Werner Faymann: Mit seinem ehemaligen Pressesprecher Matthias Euler-Rolle hat er 2016 eine Firma gegründet, und auch sie floriert: Das Eigenkapital beträgt laut Firmenbuch rund 2,5 Millionen Euro, davon sind 1,6 Millionen Gewinnrücklagen.
Abgesehen von Regierungschefs, die – wie später auch ein Christian Kern – als One-Man-Show Erfolg haben, gibt es auch den eingangs erwähnten Fall: Ein Spitzenpolitiker wird von einem Großkonzern angeheuert. Passiert das nun, weil man sich Werbung oder neue Kunden erwartet?
Julia Zdrahal-Urbanek, ebenfalls Headhunterin, mahnt im KURIER-Gespräch zur Vorsicht: „Wenn man sein Berufsleben ausschließlich in der Politik verbracht hat, hat man mitunter falsche Vorstellungen von Margen- oder Umsatzdruck.“ Gerade große Unternehmen hätten klare Ziele und Vorgaben. „Sie wollen Geld verdienen. Und das bedeutet im Umkehrschluss: Kein Konzern kann oder will es sich leisten, irgendjemanden um viel Geld zu beschäftigen, wenn er oder sie nicht dazu beiträgt, die Unternehmensziele zu erreichen.“
Das sieht auch Tengel so. Der Personalberater will zwar nicht ausschließen, dass es Unternehmen gibt, die aus PR-Gründen Spitzenpolitiker engagieren. Generell sei das aber eine „sehr kurzsichtige Strategie“: „Wenn jemand glaubt, dass er wegen eines Politikers einen Key Account (Schlüsselkunde; Anm.) bekommt, dann hält diese Verbindung ein, vielleicht zwei Jahre – der added value ist dann aber auch überschaubar.“
Bleibt die Frage: Was können Politiker, was für Unternehmen spannend ist?
„Eines der wichtigsten Themen ist in einer komplexen Welt das Stakeholder Management, also das Erkennen des Möglichen und Umsetzbaren“, sagt Tengel. Kein Konzern suche Fachexperten, die nicht erkennen, wie man Dinge auf den Boden bringt. „Und in der Politik geht es ja auch sehr oft darum, das Machbare umzusetzen.“ Für Zdrahal-Urbanek sind es die Nummern im Handy. Ein Politiker habe im Idealfall ein gutes Netzwerk. „Und das kann ein Regierungsmitglied eine Zeit lang nutzen.“
Für Unternehmen sei das insofern spannend, als man Business-Ideen entwickeln könne, für die man neue Partner braucht. „Nur die Kontakte machen einen Sebastian Kurz oder einen Gernot Blümel für ein Unternehmen aber auch nicht interessant. Es geht darum, dass man den Ex-Politiker in der Branche schätzt und dass Gesprächspartner das Telefon abheben, wenn er oder sie anruft.“
Die größte Herausforderung sei ohnehin, dass jemand zur Kultur und den Werten eines Unternehmens passt. „Denn ich hole mir nur jemanden ins Boot, wenn er oder sie mein Team besser macht.“
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