Gasversorgung: Auch am heutigen Montag wird weniger geliefert
Knalleffekt in der heimischen Energiepolitik: Der Verbund wird das Kraftwerk Mellach wieder für Kohlenutzung umrüsten. Das ist eine der Maßnahmen, die am Abend im Rahmen des Krisenkabinetts beschlossen wurden. Gemeinsam mit Klimaministerin Leonore Gewessler und Wirtschaftsminister Martin Kocher beriet Kanzler Karl Nehammer über mögliche Reaktionen auf die eingeschränkten Gaslieferungen aus Russland.
Die Bundesregierung und der Energiekonzern Verbund haben laut Information des Bundeskanzleramts vereinbart, das derzeit stillgelegte Fernheizkraftwerk Mellach in der Steiermark erneut so umzurüsten, dass im Notfall wieder Strom und aus Kohle und nicht aus Gas produziert werden kann. Österreich geht damit einen ähnlichen Weg wie Deutschland (siehe Artikel unten).
Denn wieder lieferte die russische Gazprom am Sonntag nur die Hälfte der vereinbarten Liefermenge an Gas nach Österreich. Die OMV teilte am Sonntag mit, dass die Nachfrage an Gas derzeit eher gering sei und fehlende Mengen gut durch Zukäufe auf dem Spotmarkt ersetzt werden können.
„Am wichtigsten ist, dass der akute Gasbedarf gedeckt werden kann und wir zugleich Gasvorräte für den Winter anlegen können“, sagte Nehammer vor dem Treffen. Gewessler erklärte, dass man sich „auf allen Ebenen auf den kommenden Winter vorbereiten“ müsse. „Für Russland sind Energielieferungen ein Werkzeug in dieser Auseinandersetzung.“ Und auch Kocher betonte, dass Österreich es schaffen müsse, unabhängig vom russischen Gas zu werden.
Auch Montag weniger Gas
Wie das Klimaministerium mitteilte, hat Russland auch für heute angekündigt, die Gaslieferungen zu drosseln. Bereits am Sonntag war nur etwa die Hälfte der ursprünglich angekündigten Menge nach Österreich gekommen. Trotzdem seien auch die heimischen Speicher befüllt worden. Der Speicherstand betrage nun 41,32 Prozent oder 39,46 Terawattstunden. Die aktuelle Gasversorgung sei laut OMV und E-Control für heute sichergestellt, genaue Zahlen gibt es am Abend.
Betroffen sind die Lieferungen über Nordstream: "Trotz der reduzierten Gasflüsse über die Nordstream sind die Importe in Baumgarten in das Marktgebiet Ost stabil. Die Speicher werden heute wieder signifikant befüllt", heißt es bei der AGGM, dem heimischen Gasnetz-Management. Die Versorgung der Endkunden könne zur Gänze aus Importen gedeckt werden. Der Preis liege bei über 120 Euro je MWh.
"Verzweiflungsakt"
Die SPÖ sieht in der Reaktivierung des Kraftwerks einen Verzweiflungsakt der Umweltministerin. "Gewessler hat letztlich nichts auf den Boden gebracht und setzt jetzt offenkundig einen Akt der Verzweiflung", erklärte der SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll am Montag.
Auch bei der Umweltschutzorganisation Global 2000 stoßen die Sonntagabend bekannt gegebenen Regierungspläne für Unbehagen, weil bei Kohlestrom rund doppelt so viel CO2 in die Atmosphäre gepumpt wird wie bei Erdgas, was die Klimakrise anheizt. Der Kauf der Kohle dürfe keine Vorentscheidung für den Einsatz sein. "Kohle ist die klimaschädlichste Energie und führt zu gesundheitsschädlichen Quecksilberemissionen und Feinstaub", sagte der Klima- und Energiesprecher von Global 2000, Johannes Wahlmüller am Montag. "Wenn jetzt über einen möglichen Einsatz des Kohlekraftwerks in Mellach diskutiert wird, dann sollte klar sein, dass es sich nur um zeitlich eng begrenzte, akute Notfälle handeln darf", so Wahlmüller.
Die Umweltschutzorganisation drängt auf viel mehr Tempo bei der Energiewende in Österreich. Energiepolitik müsse mehr sein als Notfallmaßnahmen zu erlassen. Greenpeace rief am Montag nach einem nationalem Schulterschluss. "Gerade die Bundesländer müssen ihre Verweigerungshaltung ablegen und müssen so schnell wie möglich konkrete Pläne vorlegen, wie sie massiv erneuerbare Energien ausbauen", sagte Greenpeace-Expertin Jasmin Duregger. Kohle zu reaktivieren sei "inakzeptabel".
In Österreich sind die Gasspeicher mit Stand 15. Juni zu 39 Prozent des Jahresbedarfs gefüllt. Es fehlt noch so einiges, denn zu Beginn der Heizsaison, die von Oktober bis März dauert, braucht es einen Speicherfüllstand von 80 Prozent. Um dieses von der Regierung festgelegte Ziel erreichen zu können, wurden zuletzt schon einige Maßnahmen ergriffen.
Strategische Gasreserven sollen in der Größenordnung von 20 Terawattstunden angekauft werden – dafür stehen laut Regierung 6,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Mit dem Gasdiversifizierungsgesetz werden Unternehmen, die auf nicht-russisches Gas umsteigen. 100 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Die heimische Industrie kann selbst Gasvorräte anlegen und im Krisenfall auch selbst darüber verfügen – oder vom Staat entsprechend entschädigt werden.
Gemäß einer Use-it-or-lose-it-Regelung werden Speicherbetreiber dazu verpflichtet, ihre Speicher zu füllen. Andernfalls müssen sie den Speicher zurückgeben oder anderen zur Verfügung stellen.
Zudem wurde die Grundlage dafür geschaffen, dass sich der Staat bei verschiedenen Anbietern – sogenannte „Market Maker“ – für eine Gebühr Gasmengen reservieren kann. Der Staat kann die Mengen im Krisenfall sofort abrufen. Voraussetzung dafür ist, dass sich das Gas physisch in Österreich befindet.
Österreich verfügt über ein Speichervolumen von 95,5 Terawattstunden (TWh), das ist etwas mehr als ein Jahresbedarf. Es gibt fünf Speicherbetreiber, wobei die OMV die größten Kapazitäten hat, gefolgt von RAG und Uniper. Die OMV-Speicher sind zu 64 Prozent voll.
80 Prozent ist das Speicherziel bis zum Winter.
39 Prozent beträgt der aktuelle Füllstand.
Kommentare