Energie-Sicherheit statt Klimaschutz

Die Gewinnung von Strom aus Kohle muss stark gesenkt werden
Um eine Blackout-Katastrophe zu verhindern, muss uns kurzfristig alles lieber sein. Sogar die dreckigste Form der Stromerzeugung.
Bernhard Gaul

Bernhard Gaul

Österreich setzt im Jahr 2022 auf ein neues Kohlekraftwerk, das Gaskraftwerk in Mellach bei Graz soll für die Kohleverstromung umgerüstet werden. Eine enorme Niederlage für Österreichs Klimaschutz-Ambitionen. Keine Form der Energieerzeugung ist so dreckig, ineffizient, klima- und gesundheitsschädlich, wie Kohlekraft. Der Weltklimarat der UNO hat immer und immer wieder klargemacht, dass wir nur eine Chance gegen die Klimakrise haben, wenn keine neuen fossilen Projekte mehr gebaut werden. Auch Mellach wird ja, wenn einmal auf Kohle umgerüstet, nicht nur ein paar Wochen laufen, sondern Jahre bis Jahrzehnte.

Und das alles am Ende eines Wochenendes, an dem auf der Nordhalbkugel zahlreiche Temperaturrekorde purzelten. Dabei hat der Sommer noch gar nicht begonnen.

Temperaturen rund um 40 Grad: Das neue Normal? 

Die Forschung geht schon davon aus, dass wir bereits das neue Normal erleben, Temperaturen rund um die 40°C. Da will sich niemand vorstellen, wie künftig Hitzewellen aussehen, wenn Temperaturen wie an diesem Wochenende bald „normal“ sind.

Die Österreicher können sich bei der Entscheidung einmal mehr hinter den Deutschen verstecken, nachdem der grüne deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck erklärte, dass man aus Pragmatismus tatsächlich die funktionierenden Atomkraftwerke abschaltet und Kohlestrom beibehält.

Fossile Stromerzeugung in Österreich macht nur mehr weniger als 20 Prozent des heimischen Strommix aus, vergangenen Samstag waren es weniger als vier Prozent, die Wasserkraft leistete an diesem Tag fast neunzig Prozent der Stromerzeugung, weil wenig Wind wehte und erst wenig PV-Anlagen aufgestellt sind.

Pragmatismus gewinnt gegen Ideologie

Aber vorerst bringt`s das alles nicht, keine Häme über das Versagen beim Ökostromausbau in den vergangenen beiden Jahrzehnten, keine Schelte für die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler, das ausgerechnet sie wieder ein Kohlekraftwerk in Österreich ans Netz bringt. Denn einmal mehr, und für viele sicher schon zu oft, hat bei der grünen Regierungsmannschaft der Pragmatismus gegen die Ideologie gewonnen.

Denn eigentlich sollte die Gaskraft in Österreich das Sicherheitsnetz in der Stromproduktion sein, wenn zu wenig Wasserkraft, Windkraft und Sonnenstrom vorhanden sind, sollten die Gaskraftwerke einspringen. Doch Putins Fuß auf der Gaspipeline nach Österreich hat das verunmöglicht. Gaskraft ist nicht mehr verlässlich. Wie das Damoklesschwert hängt die Gefahr der mangelnden Stromproduktion nun über uns. Nur: Wenn es zu wenig Stromproduktion gibt, dann haben wir nicht einfach zu wenig Strom, sondern einen Zusammenbruch des Netzes, einen Blackout, und damit Chaos. Insofern war die Entscheidung von Gewessler gar nicht so schwer.

Es bleibt aber die Frage: Haben wir wirklich alles unternommen, um die Reanimation der dreckigsten Form der Energieerzeugung zu verhindern (erst 2020 wurde das letzte Kohlekraftwerk mit viel PR geschlossen). Denn eine alte Tugend der Energiepolitik vermissen viele schmerzlich: wo bleiben die Initiativen zum Strom- und Energiesparen? Dazu kommt aus dem grünen Energieministerium bisher herzlich wenig.

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