Was hat die Politik mit Banken, Medien und der katholischen Kirche gemein? Die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung misstraut ihr. Korruptionsermittlungen und vier Jahre im Krisenmodus haben Spuren hinterlassen. Politiker bekommen das wiederum zu spüren: etwa durch Anfeindungen auf Social Media oder anonyme Anzeigen. Es stellt sich die Frage: Warum zieht es junge, talentierte Menschen vor diesem Hintergrund heute überhaupt noch in die Politik?
Der KURIER hat die jeweils jüngsten Mandatare der fünf Parlamentsparteien über ihre persönlichen Beweggründe befragt. Darunter drei 30-Jährige: SPÖ-Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner, ÖVP-Behindertensprecherin Kira Grünberg sowie Grünen-Digitalisierungssprecher Süleyman Zorba. Neos-Jugendsprecher Yannick Shetty (28) und FPÖ-Europasprecherin Petra Steger (36) komplettieren das Quintett.
Eva-Maria Holzleitner (SPÖ)
Ich bin in die Politik gegangen, weil …
… mir der Einsatz für eine gerechte Gesellschaft sehr wichtig war und ist. Erlebnisse, insbesondere in der Schulzeit, wo ersichtlich wurde, dass Sexismus, Ungerechtigkeiten und ungleiche Chancen existieren, haben mich bestärkt, politisch aktiv zu werden.
Diese Eigenschaft muss man als Politiker haben, um bestehen zu können:
Leidenschaft – die nicht abklingen darf, trotz vieler Hochs und Tiefs in der Tagespolitik.
Die wichtigste positive und negative Erfahrung, die ich als Mandatar bzw. Mandatarin gemacht habe:
Positiv: Dass man auch aus der Opposition (kleine) Dinge vorantreiben kann, wie die Weiterführung des Ernst-Mach-Stipendiums für ukrainische Studierende. Negativ: Es gibt nach wie vor (männliche) Abgeordnete, die besonders aggressiv gegenüber Frauen als Rednerinnen auftreten.
Ich glaube, das Image der Politik in der Bevölkerung ist deshalb so schlecht, weil …
… es leider immer wieder mutmaßliche Vorwürfe gibt, die das Vertrauen in Akteur*innen nicht gerade stärken. Und weil die Kommunikation der Politik oft nicht genug aufklärt.
Ich würde der Politik den Rücken kehren, wenn …
… ich die oben angesprochene Leidenschaft nicht mehr verspüre. Und ich hoffe, dass mich Kolleg*innen und Freund*innen auch ehrlich darauf hinweisen, sollte ich Scheuklappen entwickeln. ;-)
Süleyman Zorba (Grüne)
Ich bin in die Politik gegangen, weil …
… meine Familiengeschichte von Tschernobyl geprägt ist und für mich klar war, dass ich Veränderungen mitgestalten und der kommenden Generation einen lebenswerten Planeten übergeben will. Dafür braucht es Klimaschutz und technologischen Fortschritt.
Diese Eigenschaft muss man als Politiker haben, um bestehen zu können:
Neben den klassischen Antworten wie „Geduld“ oder „Hartnäckigkeit“ ist Kreativität gefragt. Oft ist der ausgetretene Pfad nicht der richtige und man stößt an. Dann muss man einen anderen Weg finden, um das zu erreichen, was man will.
Die wichtigste positive und negative Erfahrung, die ich als Mandatar bzw. Mandatarin gemacht habe:
Positives: Wenn man gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen anderer Fraktionen gut zusammenarbeiten kann. Negatives: Wie lange Dinge oft brauchen – von der Idee zur Umsetzung.
Ich glaube, das Image der Politik in der Bevölkerung ist deshalb so schlecht, weil …
… wir zu oft schlecht übereinander reden und wir oft komplizierte Dinge noch komplizierter erklären. Dann kommt natürlich noch dazu, dass einige Kolleg*innen auf der Anklagebank enden. Das ist auch nicht gerade vertrauensstiftend.
Ich würde der Politik den Rücken kehren, wenn …
… ich das Gefühl hätte, nichts Positives oder Veränderndes mehr beitragen zu können.
Kira Grünberg (ÖVP)
Ich bin in die Politik gegangen, weil …
… ich überzeugt bin, dass positive Veränderungen in der Gesellschaft nur durch aktive Beteiligung und politische Gestaltung möglich werden. In meinem Kernbereich ist das die Verbesserung der Situation für Menschen mit Behinderungen.
Diese Eigenschaft muss man als Politiker haben, um bestehen zu können:
Empathie. Es braucht ehrliche Hinwendung und Einfühlungsvermögen, um die Anliegen, Bedürfnisse und Sorgen des Gegenübers aufnehmen, verstehen und entsprechend ver- und bearbeiten zu können.
Die wichtigste positive und negative Erfahrung, die ich als Mandatar bzw. Mandatarin gemacht habe:
Positiv sind die zahlreichen intensiven und prägenden Begegnungen. Negativ: Sich trotz Untergriffen, Anschuldigungen, Vorverurteilungen und negativer Berichterstattung nicht beirren zu lassen.
Ich glaube, das Image der Politik in der Bevölkerung ist deshalb so schlecht, weil …
… wir ständig hören, sagen, lesen, dass es so schlecht ist. ;-)
Ich würde der Politik den Rücken kehren, wenn …
… ich das Gefühl hätte, nichts mehr weiterbringen zu können.
Yannick Shetty (Neos)
Ich bin in die Politik gegangen, weil …
… Matthias Strolz mit engagierten Mitstreitern vor zehn Jahren ein Projekt gestartet hat, das darauf abzielte, Österreich grundlegend zu erneuern. Das hat mich als damals 18-Jähriger angesprochen: Neos war die einzige Partei, die sich an die Jungen gewandt hat.
Diese Eigenschaft muss man als Politiker haben, um bestehen zu können:
Im Zentrum unserer Tätigkeit stehen die Menschen dieses Landes. Es geht darum, ihnen zuzuhören, empathisch zu sein und für jene Werte einzutreten, für die man gewählt wurde. Einen guten Politiker zeichnet aus, dass er nicht das Populäre tut, sondern das Richtige.
Die wichtigste positive und negative Erfahrung, die ich als Mandatar bzw. Mandatarin gemacht habe:
Die Zusammenarbeit mit anderen Parteien bietet die Gelegenheit, unterschiedliche Perspektiven kennenzulernen. Enttäuschend war für mich, dass vor allem Politikerinnen und Politiker aus der ÖVP-Fraktion Meinungen allein aufgrund des Alters ihres Gegenübers abwerten.
Ich glaube, das Image der Politik in der Bevölkerung ist deshalb so schlecht, weil …
… saubere Politik nicht nur ein Schlagwort auf Wahlplakaten sein darf, sondern aktiv gelebt werden muss. Gelebte Transparenz ist das effektivste Mittel gegen Korruption und den schlechten Ruf der Politik. Bei uns Neos setzen wir dieses Prinzip konsequent um.
Ich würde der Politik den Rücken kehren, wenn …
… ich kein Feuer mehr in mir verspüre. Es gibt bereits genügend Politikerinnen und Politiker ohne Leidenschaft. Nur solange ich einen positiven Beitrag für unser Land leisten kann, möchte ich Politik machen. Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Sesselkleber.
Petra Steger (FPÖ)
Ich bin in die Politik gegangen, weil …
… ich schon immer einen großen Drang nach Mitgestaltung und Veränderung, hin zu einer gerechteren Gesellschaft, verspürt habe. Politik ist mein Mittel zum Zweck, durch das ich mich für essenzielle Werte wie Heimat, Freiheit und Gerechtigkeit einsetzen kann.
Diese Eigenschaft muss man als Politiker haben, um bestehen zu können:
Bei mir war es schon immer ein stark ausgeprägter Gerechtigkeitsfanatismus. Auch Leidenschaft, Willensstärke, Zuhörvermögen, fachliche Kompetenz und Redegewandtheit spielen eine wichtige Rolle. Als FPÖ-Politiker braucht man außerdem eine dicke Haut.
Die wichtigste positive und negative Erfahrung, die ich als Mandatar bzw. Mandatarin gemacht habe:
Ich bin unglaublich stolz, gemeinsam mit der Bevölkerung gegen die totalitären Corona-Maßnahmen der Bundesregierung aufgestanden zu sein. Als Pendant sind Schmutzkübelkampagnen zu nennen, durch die eine perfide Wahlbeeinflussung betrieben wird.
Ich glaube, das Image der Politik in der Bevölkerung ist deshalb so schlecht, weil …
… die politischen Verantwortungsträger über weite Strecken gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung agieren. Bestes Beispiel ist die bewusste Verschiebung von nationalen Kompetenzen nach Brüssel samt der Abschaffung des Veto-Rechts in der EU.
Ich würde der Politik den Rücken kehren, wenn …
Niemand sollte der Politik jemals komplett den Rücken kehren. Politik ist ein anderes Wort für Mitbestimmung und Demokratie. Beruflich würde ich die Politik nur verlassen, wenn diese Motivation, etwas bewegen zu wollen, der Glaube etwas beitragen zu können, nachlassen sollte.
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