Mikl-Leitner über Gewessler: "Für eine Heldentat war das etwas billig"
Das umstrittene Ja zum EU-Renaturierungsgesetz von Ministerin Leonore Gewessler war wegen einer Uneinigkeit der Landeshauptleute möglich. Johanna Mikl-Leitner reagiert so darauf:
KURIER: Frau Landeshauptfrau, Sie haben diese Woche den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz abgegeben. Wie sehen Sie derzeit diese Einrichtung? Ist sie nicht durch den Streit rund um das Renaturierungsgesetz und den Alleingang von Ministerin Gewessler gegen den Willen der Bundesländer sehr geschwächt?
Johanna Mikl-Leitner: Die Landeshauptleutekonferenz macht aus, dass man über Länder- und Parteigrenzen hinweg zusammenarbeitet. Daran sollten gerade in schwierigen Zeiten alle Interesse haben. Weil es eben nicht um „Jeder-gegen-jeden“ oder „Alle-gegen-den-Bund“ geht, sondern darum, zu wissen, was die Menschen wirklich bewegt. Und da sind die Länder ganz einfach näher dran, als es eine Bundesregierung jemals sein wird – und kann. Und da ist natürlich die Einigkeit unter den Ländern entscheidend. Die ist keine Selbstverständlichkeit und muss immer aufs Neue gestärkt werden.
Der Beschluss über ein Nein zur Renaturierung hat also weiter Gültigkeit? Trotz gegenteiliger Stellungnahmen aus Wien und Kärnten?
Klar ist, dass einstimmige Beschlüsse ihre Gültigkeit nicht verlieren, wenn Einzelne im Nachhinein ihre Meinung ändern. Das haben sowohl der Verfassungsdienst des Bundes als auch das Verbindungsbüro der Länder festgestellt. Und damit ist auch klar, dass sich Ministerin Leonore Gewessler auf EU-Ebene über einen gültigen Beschluss der Länder hinweggesetzt hat. Sie hat auf EU-Ebene etwas gegen den Willen der Länder unterzeichnet, das die Länder und Gemeinden gegenüber den Landsleuten dann aber verantworten müssen. Sie trägt selbst kein Risiko und keine Verantwortung. Das scheint mir etwas billig zu sein, für eine Heldentat. Jede Bürgerin und jeder Bürger muss sich an Recht und Gesetze halten. Das sollte erst recht für eine Ministerin gelten.
Aber es war das Umschwenken des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig und des Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaiser, welches Gewessler als Argumentation für sich verwendet hat.
Wie gesagt, das ändert nichts an der Gültigkeit des einstimmigen Beschlusses.
Es wird also nicht gang und gäbe, dass in Zukunft einzelne Landeshauptleute ausscheren?
Das hoffe ich im Sinne der Landsleute.
Nach dem Ja von Ministerin Leonore Gewessler zum Renaturierungsgesetz gegen den Willen des Kanzlers, hätten Sie sich da nicht ein härteres Vorgehen von Karl Nehammer erwartet? Vielleicht sogar eine Aufkündigung der Koalition mit den Grünen?
Der Bundeskanzler hätte die Ministerin natürlich rauswerfen und damit billige Punkte sammeln können. Er ist aber den schwierigeren Weg gegangen – aus Staatsräson. Er hat Verantwortung übernommen, damit ein freies Spiel der Kräfte im Parlament nicht zu Beschlüssen führt, die den Steuerzahlern Milliarden kosten. Ihm geht es nicht um Parteitaktik, sondern um Verantwortung für das Land. Das ist ihm wirklich hoch anzurechnen.
Sie haben zuletzt sehr vehement auf fehlende Integrationsmaßnahmen in den Schulen verwiesen. Verbunden mit der Forderung nach Strafen, wenn Schüler integrationsunwillig sind. Ist das so ein großes Problem?
Wir merken in den Schulen in ganz Österreich, aber natürlich auch in Niederösterreich, dass die Respektlosigkeit – teilweise auch die Gewalt – gegenüber Frauen und Mädchen zugenommen hat. Deswegen müssen wir genauer auf unsere Schulen schauen, weil das der Ort ist, wo wir lernen, wie wir zusammenleben, was unsere Gemeinschaft ausmacht. Ich bin fest davon überzeugt, dass es nach den vielen Jahren des Zuschauens und der Sesselkreise auch härtere Geldstrafen geben muss, wenn Familien integrationsunwillig sind. Anders wird es nicht gehen. Es muss beigebracht werden, dass bei uns nicht die Scharia oder das Faustrecht gelten und dass Frauen und Mädchen gleichgestellt sind. Es ist eine Minderheit, die damit ein Problem hat. Und die normaldenkende Mehrheit darf sich nicht weiter von dieser Minderheit tyrannisieren lassen.
Und das soll mit Strafen geahndet werden?
Das steht ja auch im Regierungsprogramm und ist bis jetzt nur noch nicht umgesetzt worden. Es braucht mehr Möglichkeiten für die Lehrerinnen und Lehrer für ein härteres Durchgreifen, vor allem bei der Mitwirkungspflicht der Eltern. Wird die reichende Hand nicht angenommen, dann wird es ohne hohe Geldstrafen nicht gehen.
Wenn es im Regierungsprogramm steht, dann ist es ein Versäumnis der ÖVP-geführten Regierung, dass hier noch nichts passiert ist.
Es braucht aber auch einen Regierungspartner, mit dem das umgesetzt werden kann. Die Grünen müssen verstehen lernen, dass Integrationsunwillige mit Sesselkreisen nicht erreichbar sind. Für die zukünftige Regierung sind härtere Strafen daher eine Pflichtaufgabe. Und wenn man von Sozialleistungen lebt, müssen diese dann eben solange gekürzt werden, bis verstanden wird, dass wir in einem Land leben, in dem nicht Sittenwächter, sondern unsere Gesetze die Regeln vorgeben, in dem wir aufeinander Rücksicht nehmen, und in dem das Leben einer Frau genau so viel wert ist wie das Leben eines Mannes.
Wenn es um die Schulen geht, war zuletzt auch der Familiennachzug im Flüchtlingsbereich ein großes Thema. Vor allem in Wien stöhnen die Schulen unter dem Andrang. Wie sieht es da in Niederösterreich aus?
Natürlich gibt es überall Herausforderungen, auch in Niederösterreich. Aber wir können das bewerkstelligen. In Wiener Neustadt werden wir etwa im Herbst an die 16 Kindergartengruppen neu unterbringen. Wien hat aufgrund seines Sozialsystems und der Mehrleistungen, die es für Asylberechtigte gibt, eine Sondersituation. Deswegen ist Wien auch ein Anziehungspunkt für Migranten.
Wien wünscht sich als Lösung, dass eine Residenzpflicht für Asylberechtigte in den Bundesländern eingeführt wird, damit diese nicht in die Bundeshauptstadt ziehen. Mehrere Länder haben dem schon eine Absage erteilt, wie stehen Sie dazu?
Die Residenzpflicht werden wir nicht einführen. Da muss Wien jetzt einmal seine Hausaufgaben machen und die Sozialleistungen anpassen. Die sind ein Magnet.
Alles schaut auf die Nationalratswahl im September. Hat die EU-Wahl trotz des Minus die Motivation der ÖVP-Funktionäre gesteigert?
Natürlich. Über Wochen hinweg war man in den Meinungsumfragen abgeschlagen auf dem 3. Platz zu finden. Letztendlich war es dann bei der EU-Wahl aber ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Platz. Jetzt ist es amtlich, dass es ein Duell zwischen Karl Nehammer und Hebert Kickl geben wird.
Kanzler Nehammer hat schon Ansagen in Richtung Koalitionsverhandlungen nach der Wahl gemacht. Zuletzt, dass er eine weitere Koalition mit den Grünen nicht ausschließe. Bedingung ist aber, dass Leonore Gewessler nicht dabei ist. Sehen Sie das auch so?
Selbstverständlich. Er sagt damit, dass er keine Lust hat, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der Recht bricht, der sich nicht an die Verfassung hält. Das kann ich menschlich sehr gut verstehen.
Damit sind wir bei Herbert Kickl. Auch ihn schließt Karl Nehammer aus. Der FPÖ-Parteiobmann hat allerdings in einer Radiosendung erklärt, dass nach der Wahl nicht mehr so heiß gegessen als gekocht wird. Als Beweis hat er dafür die schwarz-blaue Koalition in Niederösterreich ins Treffen geführt.
Da würde ich einmal empfehlen, die Nachrichten nachzulesen. Ich hab vor der letzten Landtagswahl in allen Interviews eine Zusammenarbeit mit der FPÖ explizit nicht ausgeschlossen. Und, ja, die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Aber auf Bundesebene hat der Kanzler klargemacht, dass es keine Zusammenarbeit mit Herbert Kickl geben wird.
Sie haben bei einem Talk in Wien angekündigt, dass Sie 2028 bei der Landtagswahl noch einmal antreten werden. Bleibt es dabei?
Ich bin gerne Landeshauptfrau und würde es auch gerne bleiben.
Das heißt, Sie werden antreten?
Ich will den Entscheidungen nicht vorgreifen, aber, ja, ich würde mich gerne der Wahl meiner Landsleute stellen.
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