Johanna Mikl-Leitner: "Das geht sich für mich als Frau nicht aus"

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) über die Performance der Bundesregierung und die eigene Halbzeit-Bilanz zweieinhalb Jahre nach der Wahl.
KURIER: Zum Zeitpunkt Ihres letzten KURIER-Interviews, Anfang Februar, liefen gerade im Bund Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP. Sind Sie erleichtert, dass letztlich doch eine andere Regierung zustande gekommen ist?
Johanna Mikl-Leitner: Das Wichtigste ist, dass sich die drei Partner nach langen Verhandlungen auf eine Koalition geeinigt haben und ein Regierungsprogramm zustande gebracht haben, bei dem die Themen im Fokus stehen, auf die auch ich immer Wert gelegt habe: Wettbewerbsfähigkeit, Leistung, Energie und vor allem der Kampf gegen die illegale Zuwanderung.
Viele Maßnahmen, die die Regierung zuletzt zur Bekämpfung der Teuerung präsentiert hat, wirken erst mittelfristig. Was muss geschehen, damit sich kurzfristig etwas tut?
Zentral sind die Netzkosten. Wir in Niederösterreich sind Vorreiter, wenn es um das Thema erneuerbare Energie geht. Österreichweit 40 Prozent davon werden bei uns produziert. Das erhöht die Kosten für den Netzausbau, die eins zu eins auf die Niederösterreicher in den Netzkosten übertragen werden. Ich habe überhaupt kein Verständnis mehr dafür, dass wir dafür bestraft werden, Vorreiter zu sein. Hier ist eine faire Verteilung der Kosten nötig.
Die Länder müssen ebenfalls sparen. Wo wird hier Niederösterreich ansetzen?
Auch für uns haben sich die Kosten massiv gesteigert: Im Gesundheitsbereich seit 2020 um 50 Prozent, bei der Kinderbetreuung um 40 Prozent. Natürlich sind wir angehalten, dort zu sparen, wo es möglich ist. Umso wichtiger ist es, dass die Inflation tatsächlich auf zwei Prozent gesenkt wird und vor allem die Energiepreise sinken.
Ihr Amtskollege Hans-Peter Doskozil hat zur Performance der SPÖ in der Koalition gesagt: Sie sei gut im Kuscheln, viele wichtige Fragen ließe sie aber unbeantwortet. Wird in dieser Koalition zu viel gekuschelt?
In einer Zusammenarbeit spielt das Miteinander eine ganz wesentliche Rolle, vor allem wenn es um Reformmaßnahmen geht.
Gegen die Gesundheitsreform in Niederösterreich gibt es aber teils großen Widerstand der Bevölkerung. Zehntausende Unterschriften wurden gegen die Streichung von Notarzt-Stellen und die Sperre von Spitälern gesammelt. Wird dieses Paket trotzdem wie geplant durchgezogen?
Im Jahr 2040 wird jeder dritte Niederösterreicher über 65 Jahre sein, und die Anzahl der über 85-Jährigen wird sich bis dorthin verdoppeln. Schon heute liegt die Geburtenrate in etwa bei der Hälfte von damals, als ich geboren worden bin. Wir müssen auf diese Entwicklungen reagieren. Deswegen setzen wir den Schwerpunkt auf die Altersmedizin und führen die Strukturen bei der Geburtshilfe zusammen.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) mit den KURIER-Redakteuren Johannes Weichhart (li.) und Josef Gebhard.
Mit seinem Ziel, die Pensionen deutlich unter dem Anpassungsfaktor von 2,7 Prozent zu erhöhen, erntete Stocker harsche Kritik auch aus den eigenen Reihen, etwa von ÖVP-Pensionistenvertreterin Ingrid Korosec. Können Sie sein Vorhaben mittragen?
Bei den Verhandlungen darf man nicht vergessen, dass es sich um jene Generation handelt, die diese Republik aufgebaut hat. Ich bin zuversichtlich, dass es eine Lösung geben wird, die den Pensionisten, aber auch dem Spardruck gerecht wird.
Stehen Sie auf der Seite von Stocker oder von Korosec?
Das Wichtigste ist Fairness gegenüber allen Beteiligten.
Zu Jahresbeginn haben Sie SPÖ-Chef Andreas Babler als Retro-Sozialisten bezeichnet. Hat sich Ihre Einschätzung in den vergangenen sechs Monaten geändert?
Mir geht es jetzt darum, dass diese Koalition die Wettbewerbsfähigkeit stärkt und die Inflation reduziert.
Sein Vorhaben, die freien Mieten zu deckeln, empfinden Sie nicht als retro?
Wenn das funktioniert, soll mir das recht sein. Wenn dadurch negative Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt entstehen, weniger Wohnungen gebaut werden oder Vermieter einfach ihre Wohnung nicht mehr vermieten, dann hat Herr Babler mit seinen Zweifeln gegenüber der freien Marktwirtschaft weit über die Stränge geschlagen.
Sie haben Menschen kritisiert, die sich in „Lifestyle-Teilzeit“ befinden. Die für dieses Thema zuständigen Ministerien sind seit vielen Jahren in ÖVP-Hand. Hätte da Ihre Partei nicht schon längst eingreifen können?
Es müssen Anreize geschaffen werden, um Menschen dazu zu motivieren, Vollzeit zu arbeiten. Nur durch Leistung und eine funktionierende Wirtschaft werden wir den Wohlstand in unserem Land erhalten können.
Welche Anreize wären konkret erforderlich?
Kein Mensch, der seine Arbeitszeit aufdoppelt, versteht, dass er nicht das Doppelte sondern nur 70 Prozent verdient. 40-Stunden-Arbeit muss sich lohnen.
Sie betonen, dass Ihnen die Bereiche Migration und Sicherheit ein besonderes Anliegen sind. Wie zufrieden sind Sie mit den Maßnahmen der Regierung? Es gibt Kritik, dass hier Symbolpolitik betrieben werde. Zum Beispiel beim Stopp des Familiennachzugs.
Vielen Bürgern bereitet es zu Recht Sorge, dass zu viele Menschen aus fremden Ländern gekommen sind, die integrationsunwillig sind. Das kann es nicht sein. Es muss für jeden, der bei uns ist, klar sein: Unser Land, unsere Regeln. Der Stopp des Familiennachzugs, eine Maßnahme, die Innenminister Gerhard Karner gesetzt hat, ist deshalb richtig und wichtig. Es kann auch nicht sein, dass Kinder gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen. Das geht sich für mich als Frau nicht aus.
Wenn es um die Schule geht, fordern Sie schon lange Strafen für integrationsunwillige Eltern. Durchsetzen konnten Sie sich aber noch nicht.
Wir haben in NÖ die Mitwirkungspflicht im Kindergarten eingeführt, der Strafrahmen liegt bei 2.500 Euro. Und wir dürfen auch in den Schulen nicht länger dabei zuschauen, was sich dort abspielt. Die Forderung von mir wurde ins Regierungspaket aufgenommen. Ich werde darauf pochen, dass sie auch umgesetzt wird. Jetzt ist der Bildungsminister gefordert.
Seit 2023 gibt es in Niederösterreich ein Arbeitsübereinkommen mit der FPÖ. Welche Halbzeit-Bilanz ziehen Sie – insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen?
Zwei von drei Landsleuten sagen, dass sie mit der Arbeit der Landesregierung zufrieden sind. Vor einem Jahr lag die Zufriedenheit noch bei 55 Prozent. Trotz der massiven Reformen, die wir umsetzen müssen, ist das Vertrauen also gestiegen.
Heißt also, die FPÖ ist ein guter Reformpartner?
Mir ist das Miteinander mit allen politischen Parteien wichtig. 97 Prozent der Regierungsbeschlüsse fielen einstimmig.
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