Wir sind also nicht weiter als seinerzeit Alois Alzheimer?
Nein, wir sind schon viel weiter. Wir können vieles ausschließen, und es gibt bereits vielversprechende Ansätze.
Haben Sie denn selbst noch Zeit zu forschen?
Ja, ich habe einige erfahrene Leute aus den USA mitgenommen. Wir suchen im Blutplasma von Alzheimer-Kranken nach Faktoren, die die Blut-Hirn-Schranke schädigen und Entzündungen verursachen. Wir hoffen, die schädigenden Faktoren mit Antikörpern blockieren zu können.
Was sind die zentralen Themenfelder am ISTA?
Das ist enorm breit – beginnend mit der reinen Mathematik, über Quantenphysik, Chemie und Materialwissenschaften bis hin zu biologischen Systemen und zur Astrophysik. Das Interdisziplinäre ist Teil unserer DNA, wir geben Forschenden freien Raum.
Wie oft müssen Sie erklären, was ISTA ist?
Ich bin immer wieder überrascht, wie wenig die Leute von ISTA wissen. Natürlich will ich, dass wir in der ganzen Welt bekannt sind für Spitzenforschung.
Erfolg bemisst sich in diesem Fall an wissenschaftlichen Durchbrüchen. Gab’s die denn überhaupt schon?
Kaum ein Institut in Europa hat unsere Erfolgsrate im Aufstellen von Drittmittel, also Forschungsförderungen. Betrachtet man unseren wissenschaftlichen Output im Verhältnis zu unserer Größe, waren wir zuletzt weltweit Platz drei.
Wie viele wissenschaftliche Erkenntnisse gab es wirklich?
Genug. ISTA-Forschungsgruppen haben wesentliche Entdeckungen für die Grundlagen von Quantencomputern gemacht. Die großen Player wie Google und Microsoft sind alle dahinter her. Wir beschäftigen uns auch mit Energiespeicherung. Ein Kollege hat tolle Erfolge mit organischen Materialien für Batterien. In den Neurowissenschaften gibt es Durchbrüche bei Autismus bei Kindern.
Ich nehme an, künstliche Intelligenz ist auch ein Thema?
Ja, gerade erst kürzlich gab es eine bahnbrechende Publikation von uns, wie man ChatGPT viel energieeffizienter gestalten könnte.
Wie geht’s mit solchen Entdeckungen weiter in die Realwirtschaft?
Um Entdeckungen anwendbar zu machen, haben wir die Tochterfirma xista gegründet, die bei Patentierung und Firmengründung unterstützt.
Fehlt in Österreich dafür das Risikokapital?
Wir haben sogar einen eigenen Investmentfonds xista ventures für die Frühphase von Firmen und wollen Vorreiter sein.
Was spricht aus der Sicht eines jungen Forschers für Österreich? ISTA ist enorm attraktiv. Wir sind eingebettet in ein extrem erfolgreiches europäisches Forschungsnetzwerk. Wir haben Kandidatinnen und Kandidaten aus aller Herren Länder. Die Institutssprache ist Englisch. Die Lebenskosten hierzulande sind auch vergleichsweise attraktiv, die Lebensqualität ist hoch.
Sie waren über 25 Jahre im Ausland. Wie gehts Ihnen zurück in der Heimat?
Es ist so, wie wenn man Vertrautes nach langer Zeit wiederentdeckt. Ich erlebe jedenfalls, wie toll Wien und die Umgebung ist. Bis jetzt habe ich noch nichts Schlechtes entdeckt. Und am Institut habe ich die Offenheit gefunden, die mich sofort wie zu Hause fühlen ließ.
Es heißt immer, dass Österreich wissenschafts- und technikfeindlich ist.
Das höre ich immer wieder, finde aber, dass die meisten Leute interessiert sind, die ich treffe. Sie wollen wissen, wie es mit der Umwelt weitergeht, sind interessiert an Gesundheitsthemen und wie das Universum entstanden ist. Die Menschen müssen einfach sehen, wie Wissenschaft mit ihrem Leben verbunden ist.
Das hat Ihnen die Pandemie gezeigt, und es war nicht nur erfreulich.
Klar. Ich habe am Salk Institute in Kalifornien gearbeitet. Gegründet wurde es von Jonas Salk, der in den frühen Fünfzigerjahren den Polio-Impfstoff entwickelt hat: das erste wirksame Vakzin, das Kinderlähmung so gut wie ausgerottet hat. Wenn man sich die Zeitungsartikel von damals anschaut, so haben die Gegner damals fast wortgleich argumentiert.
Die Lehre daraus?
Eine Lehre ist schon, dass viele Menschen keine richtige Vorstellung von Wissenschaft haben. Ich finde, Wissenschaft ist genauso cool und interessant wie Kunst. Ich habe tolle Menschen kennengelernt, wo niemand aus der Familie jemals in der Nähe einer Universität war. Da gibt es so spannende Geschichten! Es ist auch ein Irrglaube, dass Wissenschaft nur aus Zahlen besteht. Da ist auch sehr viel Intuition dabei – eine Überschneidung mit der Kunst. Man könnte Wissenschaft ähnlich kommunizieren. Österreicher haben einen leichteren Zugang zur Kunst als zur Wissenschaft, kommt mir vor.
Sehr lange galt in Österreich aber derjenige als der beste Wissenschafter, der besonders kompliziert redet und nicht mit Medien spricht.
Diese Leute gibt es in den USA auch, die sich hinter Fachworten verstecken. Professor Zeilinger hingegen ist zum Beispiel ein Super-Kommunikator. Um klar zu sein, muss man tief über die Dinge nachgedacht haben.
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