Ist Energieministerin Gewessler eine geeignete Krisenmanagerin?

Gewessler testete am Dienstag die großzügige Fahrrad-Infrastruktur von Amsterdam
Sie kam, um gegen den Klimawandel zu kämpfen, jetzt muss sie das Land durch die Energiekrise bringen. Hat die grüne „Super-Ministerin“ das Zeug dazu?

Es ist Donnerstag am frühen Nachmittag, als in Österreich Unternehmer und Bevölkerung leicht aufatmen. 40 Terawattstunden zusätzliche Gas-Transportkapazitäten sind gesichert. Das ist eine Menge, zeigt der Vergleich: Vergangenen Juli wurden in Österreich 3,7 Terawattstunden Gas verbraucht, im Dezember waren es 10,9.

Aber Jubel über zusätzliches Erdgas mitten in der Klimakrise? Und das unter einer grünen Klimaministerin? „Warum so retro, warum nicht mehr erneuerbare Energie?“, hätte man Leonore Gewessler noch vor einem Jahr empört in jedem Interview gefragt.

Wladimir Putins Einmarsch in der Ukraine hat alles verändert. Die Energiekrise hat Vorrang gegenüber der Klimakrise bekommen – bei Gewesslers Zuständigkeiten haben sich die Prioritäten geändert. Die Klimaministerin ist nun einmal auch Hauptverantwortliche für Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, kurz dafür, dass es die Bevölkerung auch im Winter noch warm haben wird und die Unternehmen produzieren können.

Viel Verantwortung auf den Schultern der 44-Jährigen. Ist sie all dem gewachsen? Wird Gewessler am Ende als die Krisenministerin dastehen? Oder überfordern Krieg und Krise die Frau, die kam, um Klima und Umwelt zu retten?

Die Bevölkerung dürfte nicht gänzlich überzeugt sein. Im OGM-Vertrauensindex ist Gewessler auf Minus 25 Prozent abgestürzt. Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer attestiert der Ministerin „das Potenzial, die Rolle des Krisenmanagers einzunehmen“, denn: „Gewessler hat das Profil, das man dafür braucht.“

Wie dieses Profil aussieht, hat die gebürtige Steirerin in den vergangenen zwei Jahren in Sachen Klimaschutz gezeigt, etwa beim Aufreger-Thema Lobau-Tunnel, bei der Einführung des Plastikpfandes , dem Klimaticket oder dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Während in anderen Ressorts – auch Covid-bedingt – die Umsetzung des Regierungsprogramms nur langsam vorangeht, hat das Klimaministerium große Teile bereits umgesetzt.

Das liegt freilich nicht nur an der Ministerin. Seit den Sondierungsgesprächen war klar: Beim Klimaschutz werden die Grünen auf ihrer Position beharren, dafür sind sie in der Regierung.

Für diesen Plan hat sich Gewessler, die sich aus anderen Politikfeldern größtenteils heraushält, für viele als richtige Person an der richtigen Stelle erwiesen. In Sympathisanten-Kreisen sagt man ihr „extremen Gestaltungswillen“ nach. Gegner nennen das „kompromisslos“ und „zu sehr ideologisch getrieben“. Sie verhalte sich „noch immer wie die Global 2000-Geschäftsführerin, die sie war“.

Vor allem in Wirtschaft und Industrie gibt es aus eben diesen Gründen einige, die es Gewessler nicht zutrauen, das Land gut durch die Energiekrise zu bringen.

„Kein Gespür“

Leonore Gewessler könnte und müsste wie Robert Habeck die Dinge endlich beim Namen nennen, Pläne vorlegen und nicht bei nächstbester Gelegenheit, wenn es unpopulär wird, die Verantwortung den anderen zuschieben, heißt es. Zudem fehle ihr, zumindest derzeit, ein „Gespür für Timing“. Bei Antworten auf drängende Versorgungsfragen hinke Österreich hinter vielen Ländern hinterher. Warum? Weil die Ministerin den Kontakt zu Industrie, Energieversorgern und der Wirtschaft zu wenig suche, meinen Vertreter der angesprochenen Branchen. Was nicht auf „ihr Konto oder das der Grünen einzahlt, das macht sie einfach nicht. Aber das wird sich nicht mehr ausgehen“, heißt es zum KURIER.

In grünen Kreisen begegnet man solchen Vorwürfen mit Kopfschütteln – und dem Gefühl, der vernünftigere Part zu sein. Gewessler, das hat sich schon in Klimafragen gezeigt, wird darauf ohnehin kaum eingehen. „Dass die Ministerin in der Krise offen mit der Wirtschaft streitet, geht sich einfach nicht aus. Und das weiß sie“, sagt eine Person aus ihrem Umfeld. „Sie würde sicher gerne öfters etwas öffentlich entgegnen, aber ihr ist klar, dass für das Erreichen des Ziels ein anderer Weg der bessere ist“.

Kompromissbereit sei Gewessler nämlich durchaus, das erkenne man an den beschlossenen Gesetzen. „Das wäre aus grüner Sicht sicher an mancher Stelle radikaler gegangen“, heißt es.

Nicht eitel

Und auch jetzt muss die Grüne, die es tunlichst vermeidet zu fliegen und in Wien nur mit dem Rad fährt, oft über ihren Schatten springen, etwa wenn es darum geht, Kohlekraft wieder als Alternative heranzuziehen.

Worauf sich Freunde wie Feinde der Ministerin einigen: Sie arbeitet akribisch, besitzt enormes Fachwissen, hat einen starken Zug zum Tor und: Gewessler ist nicht eitel. Dass ihr Handeln von weiteren Karriereaussichten in der Partei oder der nächsten Regierung gelenkt ist, will ihr niemand unterstellen. Oder, wie einer sagt: „Sie hat es sich sicher noch nie mit jemandem nicht verscherzt, weil sie irgendwo hinwill“.

Kommentare