Korinna Schumann: "Wir sind bei den Einsparungen am Plafond“
Viele wesentliche Themen der Bundesregierung laufen bei Sozial- und Arbeitsministerin Korinna Schumann zusammen. Und das geht auch 2026 so weiter: Die 59-Jährige übers Sparen, politische Schwerpunkte und die Situation der SPÖ.
KURIER: Der Staat wird heuer sein Budgetziel verfehlen. Befürchten Sie, mit Blick auf 2026, weitere Einsparungen im Sozialbereich?
Schumann: Gerade in meinen Bereichen haben wir schon sehr große Sparschritte gesetzt. Und jeder Sparschritt im Sozialen oder bei den Pensionen trifft die Menschen ganz unmittelbar. Ich glaube, da sind wir bereits ziemlich am Plafond der Einsparmöglichkeiten.
Die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ werden in Umfragen abgestraft. Glauben Sie, dass an der falschen Stelle gespart wurde – eben bei Ihnen?
Wir haben eine schwere, budgetäre Last übernommen, die am Beginn der Regierungskoalition noch einmal schwerer wurde. Die Menschen spüren die Einsparungen. Gleichzeitig hat zumindest mein Haus geschaut, wie man die Belastungen abfedern kann. Hier sind viele positive Dinge auf den Weg gebracht worden – die wir noch besser erklären müssen.
Was zum Beispiel?
Vor allem arbeitsrechtlich haben wir einiges erreicht. Sei es die Hitzeschutzverordnung, die Meldung der Arbeitszeit bei der Erstanmeldung, Kollektivverträge für freie Dienstnehmer oder das Teilpensionsmodell.
Zuletzt sorgte der Tod einer Patientin mit Aortenriss in Oberösterreich für Aufregung, für die kein Platz in einem spezialisierten Spital gefunden werden konnte. Ein medizinischer Notfall ist nie gut – aber ist die Notversorgung derzeit besonders schlecht aufgestellt?
Das ist ein tragischer Fall. Klar ist: Wir haben ein gutes Notfallsystem, die Abläufe sind aber noch nicht ideal. Wir schauen uns deshalb die klinische Notfallversorgung im Rahmen der Bund-Länder-Reformpartnerschaft genauer an. Expertinnen und Experten erarbeiten Vorschläge, wie man die Koordinierung und die Abläufe noch einmal verbessern kann. Erste Lösungsansätze, vor allem auch im digitalen Bereich, wollen wir Ende Jänner präsentieren.
In der Pandemie war Datenmangel ein massives Problem. Wissen Sie, wie viele Intensivbetten oder auch Schockräume – hier sollen die Daten besonders dürftig sein – es momentan in den Spitälern gibt?
Es geht ja nicht nur um die Daten allein, sondern um ein Gesamtkonzept für klinische Notfälle. Operationsteam, freier Operationssaal und das richtige Bett: All das muss zusammenspielen, und zwar über die Bundesländergrenzen hinweg. Und hier werden wir nachjustieren.
Schumann im Interview mit Josef Gebhard (links) und Michael Hammerl (rechts).
Aber kennen Sie die Summe an Intensivbetten und Schockräumen?
Die Summe schon, derzeit gibt es 2.553 Intensivbetten, vor acht Jahren waren es noch 2.469. Aber die freien Betten werden im Zusammenwirken der Spitäler koordiniert.
Bei der Reformpartnerschaft sollen Zuständigkeiten neu geregelt werden. Fiskalratschef Christoph Badelt kritisiert, dass man nicht vorab ein Ziel definiert hat, sondern ergebnisoffen verhandelt. Warum zäumt man das Pferd von der falschen Seite auf?
Bei der Gesundheit zäumen wir es von der richtigen Seite auf. Zuerst brauchen wir eine Analyse der Versorgungsstruktur, die liegt bis Ende April vor. Dieses Gesamtbild – das etwa die Patientenlenkung und Medikamentenversorgung umfasst – schauen wir uns dann an und leiten Handlungsschritte ab. Wir wollen die Strukturen verbessern, ohne Schnellschussmentalität.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig fordert eine Ostregion mit Wien, Niederösterreich und dem Burgenland zur besseren Lenkung von Gastpatienten. Ist das sinnvoll?
Das kann nach der Analyse auch eine der guten Lösungen sein, keine Frage. Aber es geht nicht nur um die Ostregion, sondern um alle Landesgrenzen.
Österreich hat ein sehr spitalslastiges und damit teures System. Sehen Sie die Notwendigkeit zur Schließung von Spitalsstandorten?
Wir sehen, dass viele Bundesländer bereits ihre Spitalstrukturen reformieren. Die Tendenz, den Spitälern Erstversorgungsambulanzen vorzuschalten, ist eine sehr gute. Deshalb bin ich froh über den Gesundheitsreformfonds, über den wir mit 500 Millionen Euro jährlich unter anderem die Primärversorgungseinheiten weiter ausbauen. Das ist ein Erfolgsmodell.
Wie wollen Sie das Missverhältnis zwischen Wahl- und Kassenärzten in den Griff bekommen?
Das Wahlärztesystem ein bisschen aufzubrechen, also Wahlärzte ins Kassensystem zurückzuholen, muss das Ziel sein. Wir führen da sehr viele Gespräche, auch mit der Ärztekammer und den Sozialversicherungsträgern. Im Regierungsprogramm steht, dass wir auch Wahlärzte für die Notfallversorgung heranziehen werden.
Wien hat zuletzt massive Kürzungen bei der Sozialhilfe vorgenommen. Etwa bei Familien, Arbeitsunfähigen oder subsidiär Schutzberechtigten. Unterstützen Sie dieses Vorgehen?
Wir wollen im Rahmen der Sozialhilfe Neu das System bundesweit vereinheitlichen, arbeitsfähige in Beschäftigung bringen und vor allem Kinder aus der Sozialhilfe holen. Ich weiß, dass verschiedene Bundesländer jetzt verschiedene Schritte gesetzt haben – auch die Steiermark, Ober- und Niederösterreich. Unser Ziel als Bundesregierung ist ein einheitlicher, gemeinsamer Weg.
Aber tut es Ihnen weh, dass die SPÖ-Hochburg Wien genau bei den genannten Personengruppen so scharf kürzt?
Es ist klar, dass jetzt in allen Bundesländern gekürzt wird und es in Teilen schmerzhaft ist. Bei allen Spargedanken geht es aber immer noch um Menschen, die in einem Land wie Österreich abgesichert sein sollen. Wir brauchen den Gesamtblick, die Menschen dürfen nicht endgültig abrutschen.
Wenn ohnehin alle Länder den Zugang zur Sozialhilfe verschärfen, ist eine bundeseinheitliche Regelung ab 2027 dann nicht hinfällig?
Wenn eine Verschärfung das einzige Ziel wäre, dann ja – aber das ist es ja nicht. Es geht darum, ein flexibles Auffangnetz als Grundlage zu knüpfen, aus dem die Menschen auch wieder herauskommen können.
Dann so: Welche Mindeststandards sollen in Österreich gelten, damit niemand endgültig abrutscht? Haben Sie einen Wert im Kopf?
Wir sind mitten im Reformprozess, deshalb nenne ich keinen Wert. Wenn ich jetzt medial etwas ausrichte, brauche ich nicht mehr verhandeln.
Ruhig geworden ist es um das SPÖ-Prestige-Projekt der Kindergrundsicherung. Wie ist hier der aktuelle Stand?
Für uns ist wichtig, dass wir für Kinder aus armutsbetroffenen Familien die Sachleistungen stärken –zum Beispiel bei der Kinderbetreuung oder Nachhilfe. Ob ich gut durch dieses Schulsystem komme, darf nicht davon abhängen, ob meine Eltern Geld haben oder nicht. Ein ganz wichtiger Schritt: In Wien haben alle Kinder, die in der Sozialhilfe sind, ab 2027 bessere Rechte auf einen Kinderbetreuungsplatz.
Schon im Frühsommer hat die Regierung ein Modell für eine Integrationsphase präsentiert. Asylberechtigte sollen erst nach drei Jahren volle Sozialleistungen erhalten. Ist das jetzt verfassungskonform möglich oder nicht?
Das hat der Verfassungsdienst ja klar dargelegt: Eine Kürzung der Sozialhilfe müsste auch Österreicherinnen und Österreicher treffen, um rechtskonform zu sein. Unser Schwerpunkt liegt jetzt bei der Zusammenarbeit der Länder mit dem AMS, auch das kann noch besser funktionieren. Wir sind da im Austausch mit Bundesministerin Claudia Plakolm.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Integrationsministerin Plakolm (ÖVP), die ja gerne auch kantig und nicht den sozialdemokratischen Grundsätzen entsprechend auftritt?
Schauen Sie, ich komme aus der Gewerkschaft. Ich kenne kantiges Auftreten aus den verschiedensten Arten. Über das sehe ich hinweg. Wir sind in einem guten Austausch, wir sind per Du und können Dinge gut ausreden. Für mich zählt das Ergebnis. Wir müssen gemeinsam liefern und haben das bisher, glaube ich, ganz gut geschafft.
Die Umfragen zeigen eher, dass die Menschen mit den Lösungen der Regierung unzufrieden sind.
Die Umfragen sind sicher der Situation geschuldet, dass wir eine Vielzahl von Krisen und gleichzeitig die Einsparungsmaßnahmen haben, die gesetzt werden mussten. Ich glaube, wir haben ein Stimmungsproblem. Nichts ist schädlicher für eine Gesellschaft.
Wie kann man eine positive Stimmung verordnen?
Gar nicht. Man kann nur mit positiven Handlungen Vertrauen erzeugen. Darum sind wir auf allen Ebenen der Bundesregierung sehr bemüht.
Über die Teilpension wollen Sie bis 2029 mehr als 1,3 Milliarden Euro einsparen. Dafür müssen 10.000 Personen pro Jahr diese in Anspruch nehmen. Haben Sie da schon erste Signale, ob sich das 2026 ausgeht?
Ich glaube, wir müssen noch stärker daran arbeiten, dieses Modell und die positiven Möglichkeiten für Beschäftigte darzulegen. Wir werden eine weitere Bewerbung starten und ersuchen auch die Unternehmen darum, die ja oft um Fachkräfte kämpfen.
Aber das heißt, der Ansturm ist derzeit noch nicht groß genug?
Wir brauchen jetzt noch einmal die Bewerbung und die Erzählung dazu.
Beruflich
Die Polit-Karriere der 59-jährigen Korinna Schumann beginnt 1989 im Sozialministerium. Von 2004 bis 2018 sitzt sie dem Dienststellenausschuss vor. Schumann wird 2018 Bundesfrauenvorsitzende des ÖGB, Vizepräsidentin des Gewerkschaftsbunds und Bundesrätin. In der zweiten Jahreshälfte 2022 ist sie Bundesratspräsidentin. Seit 3. März ist Schumann als Bundesministerin für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz verantwortlich. Sie galt als Wunschkandidatin des ÖGB für das Ministerium, das sie kennt wie ihre Westentasche.
Privat
Die Wienerin ist verheiratet und Mutter eines Sohns.
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