Was die Kürzung der Sozialhilfe bringt und für Betroffene bedeutet

Was die Kürzung der Sozialhilfe bringt und für Betroffene bedeutet
Können die maroden Länder-Budgets mit Verschärfungen bei der Sozialhilfe wirklich saniert werden?

Frau Blum ist 67 und alleinstehend. Sie hat eine Behinderung und bekommt 1209 Euro Sozialhilfe, davon gehen für Miete, Strom und Fernwärme 595 Euro im Monat fix weg. Weil Wien die Sozialhilfe nun umstellt, wird Blum anstatt der 317 Euro „Mietbeihilfe“ bald nur noch 178 Euro bekommen. Und auch die jährliche Sonderzahlung von 1209 Euro – ihre eiserne Reserve für eine kaputte Waschmaschine und Ähnliches – wird gestrichen.

Anfang der Woche prangerte das „VertretungsNetz“ den Fall Blum exemplarisch an. Der Verein arbeitet für das Justizministerium und unterstützt Menschen mit mentalen Beeinträchtigungen. Die Situation dieser Menschen, die de facto auf Sozialhilfe angewiesen sind, wird sich laut Gerlinde Heim vom „VertretungsNetz“ bald „dramatisch“ verschärfen.

Kürzungen

Das ist freilich kein Wiener Phänomen: Fast täglich warnen Hilfsorganisationen im gesamten Bundesgebiet – von der Caritas bis zur Volkshilfe – vor drastischen Sparmaßnahmen im Sozialbereich. Sie alle haben dieselbe Botschaft: Im Sozialbereich wird gekürzt wie seit Jahrzehnten nicht; die negativen Konsequenzen sind unabsehbar.

Dass Bund, Länder und Gemeinden sparen müssen, ist ein Faktum. 

Aber können Kürzungen im Sozialbereich die Budgets wirklich sanieren? Und welche Konsequenzen hat das? Die erste Frage ist vergleichsweise einfach zu beantworten.

Exemplarisch kann man das an der Stadt Wien zeigen: Die Bundeshauptstadt verwendet 983 Millionen Euro im Jahr (2024) für 149.188 Sozialhilfe-Empfänger. Ihr jährliches Budget-Defizit liegt derweil bei knapp 3,2 Milliarden Euro, was im Umkehrschluss bedeutet: Selbst wenn die Bundeshauptstadt alle Sozialleistungen in der Sekunde einstellen würde, wäre damit nicht einmal ein Drittel des Defizits abgedeckt.

Was die öffentliche Hand massiv in die Bredouille bringt, sind – allgemein gesagt – die Teuerung und die schwächelnde Konjunktur, es fehlen Steuer-Einnahmen.

Im Gegenzug muss die öffentliche Hand deutlich höhere Kosten stemmen. Weil die im öffentlichen Dienst Beschäftigten aufgrund der Inflation auch höhere Löhne bekommen; weil Bau- und andere Projekte teurer geworden sind, etc.

Besonders deutlich zeigt sich der Einfluss der Wirtschaftsleistung auf die öffentlichen Budgets an den „Ertragsanteilen“, also am Geld, das die Länder aus den Steuer-Einnahmen des Bundes überwiesen bekommen.

Dazu nur eine exemplarische Zahl: Die schwache Konjunktur bedeutet, dass Wien aus den Ertragsanteilen 300 Millionen Euro weniger bekommt. Und das wiederum ist um satte 100 Millionen Euro mehr, als man für das gesamte System des Wiener Gratis-Kindergartens ausgibt.

Mit Kürzungen bei der Sozialhilfe, soweit sind sich selbst wirtschaftsliberale Budget-Experten einig, lassen sich öffentliche Budgets nicht nachhaltig sanieren.

Und das führt zur zweiten wesentlichen Frage, nämlich: Welche gesellschaftlichen Kosten sind damit verbunden, wenn Hilfsleistungen gestrichen werden?

Die Armutskonferenz vertritt diesbezüglich eine scharfe These: Zwischen den Ländern sei „ein gefährlicher Wettlauf“ entstanden, wer zu den Ärmsten am widerlichsten sei und Menschen „am effizientesten ausschließe“.

Bemühungspflicht

Als Beleg gelten Armutsexperte Martin Schenk Verschärfungen wie die oberösterreichische „Bemühungspflicht“: Wer sich nicht ausreichend um Vorstellungsgespräche bemüht, dem sollen die Bezüge um bis zu 50 Prozent gekürzt werden.

In der Steiermark drohen Sozialhilfebeziehern künftig sogar Ersatzfreiheitsstrafen, wenn sie Verpflichtungen nicht nachkommen.

Für Schenk ist evident, dass die Bundesländer für einen wirtschaftlich vergleichsweise geringen „Erfolg“ – der Anteil der Sozialhilfe an der Wirtschaftsleistung liege bei 0,4 Prozent – ein funktionierendes System und Hilfsnetz zerstöre und Verwerfungen wie zusätzliche Delogierungen, und Obdachlosigkeit in Kauf nehme.

Faktum ist: Rechnet man die Ausgaben für Pensionen oder das Gesundheitssystem zu den Sozialausgaben, liegt Österreich im OECD-Vergleich weltweiten Spitzenfeld. Kann man da ernsthaft sagen, das Land agiere sozial zunehmend kälter?

Hanna Lichtenberger, Expertin für Sozialpolitik in der Volkshilfe, appelliert für einen differenzierten Blick. „Unsere Klientinnen bekommen schon seit dem Vorjahr viele Unterstützungsleistungen nicht mehr“, sagt sie zum KURIER. Die Stromkostenbremse, der Teuerungsausgleich oder der Klimabonus, all das sei gestrichen worden. „Im Vergleich zu 2022/23 wird deutlich weniger unterstützt.“

Die Kriterien, nach denen Hilfsorganisationen nun Förderungen gestrichen werden, sind für die Organisationen oft nicht nachvollziehbar. Geht’s, wie die Armutskonferenz vermutet, um das Signal, dass sozial Schwächere sich „halt mehr anstrengen sollen“? Oder sind die Kürzungen schlicht willkürlich?

Was Lichtenberger jedenfalls befundet ist, dass Härte nicht immer fruchtet. „Bei Menschen, die wieder zurück ins Arbeitsleben kommen sollen, machen wir die Erfahrung, dass sie kontinuierlich Hilfe benötigen. Druck hilft da nicht immer.“

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